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Menschliche Handlungen, Rechte und Pflichten

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Gerechtigkeit muss weder in den Begriffen der Menschenrechtsbewegung noch in denen der Utilitarier verstanden werden, die Gerechtigkeit nur als einen Aspekt unter vielen sehen, der zum menschlichen Glück beiträgt. Eine andere Herangehensweise wäre es, Verpflichtungen oder Pflichten, anstelle der Rechte, als grundlegend zu erachten. Dies war ein durchaus üblicher Ansatz für ethische Fragen, sowohl vor der Herausbildung der christlichen Tradition als auch danach. Rechte sind sozusagen die Emporkömmlinge in der moralischen Diskussion, die erst im 18. Jahrhundert die Bühne betraten. Dasselbe gilt auch für das individuelle Glück als Maßstab für moralisches Handeln. Beiden Ansätzen liegt ein reichlich passives Menschenbild zugrunde. Besonders deutlich wird das in der utilitaristischen Vorstellung vom Menschen als Träger von Schmerz und Vergnügen. In der Menschenrechtstheorie tritt dieses passive Bild von Männern und Frauen schon weniger scharf hervor. Ganz im Gegenteil, die Hinwendung zu den Rechten wird mitunter verteidigt durch Verweis auf die aktivere Rolle, die die Ohnmächtigen hier einnehmen, können sie sich selbst doch als Träger von Ansprüchen sehen, die ihnen vorenthalten werden, statt sich im traditionell-feudalen Rahmen als bescheidene Bittsteller erleben zu müssen.

Es ist schon richtig, dass die Menschenrechtsbewegung ein aktiveres Menschenbild vertritt, als Utilitaristen oder Wohlfahrtstheoretiker dies tun. Aber sie sieht sie eben immer noch nicht vollständig als Akteure an. Denn wer einen Anspruch erhebt, will ja andere dazu bringen, etwas zu tun. Wenn wir unsere Freiheitsrechte einfordern, verlangen wir als Erstes, dass andere etwas tun, um uns den Raum und die Möglichkeiten zu geben, innerhalb derer wir dann handeln können oder auch nicht. Fordern wir unsere sozialen Rechte ein, dann müssen wir uns überhaupt nicht als Handelnde sehen, denn es sind ja andere, denen die korrespondierende Pflicht obliegt, etwas zu tun. Sehen wir aber im Gegensatz Pflichten als grundlegend an, dann wenden wir uns an jene, die den Wandel schaffen oder verweigern können – eben jenes Publikum, das die Rechte-Verfechter nur indirekt ansprechen.

Die französische Philosophin Simone Weil, die ihre Werke während des 2. Weltkriegs verfasst hat, schreibt in Die Einwurzelung:

Der Begriff der Verpflichtung hat den Vorrang vor dem des Rechtes, der ihm untergeordnet und von ihm abhängig ist. Ein Recht ist nicht wirksam durch sich selbst, sondern einzig durch die Verpflichtung, der es entspricht; die tatsächliche Erfüllung eines Rechtes geschieht nicht durch den, der es besitzt, sondern durch die anderen, die ihm gegenüber eine Pflichtleistung ihrerseits anerkennen.26

Wir wissen nicht, worauf ein Recht hinausläuft, bevor wir nicht wissen, wer die Verpflichtung hat, was für wen unter welchen Umständen zu tun. Wenn wir versuchen, in puncto Rechte Klartext zu reden, müssen wir über Verpflichtungen sprechen. Die grundlegende Schwierigkeit mit der Rhetorik der Rechte ist, dass sie nur einen Teil – den ohnmächtigeren Teil – des relevanten Publikums anspricht. Diese Rhetorik mag Resultate bringen, wo die Armen nicht völlig machtlos sind. Wo sie es aber sind, bringt die Einforderung von Rechten herzlich wenig. Wo die Armen machtlos sind, müssen die Mächtigen überzeugt werden, dass sie Verpflichtungen haben – ob die Menschen die Erfüllung dieser Pflichten nun als Recht einfordern oder nicht. Eine Ethiktheorie, die sich auf das Handeln konzentriert, sollte daher eher Verpflichtungen als Rechte rechtfertigen.

Gerechtigkeit über Grenzen

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