Читать книгу Der Tanzkurs - Otto-Gerd Wolfseher - Страница 11
Wieder im Alltag
ОглавлениеDiese Woche habe ich Frühschicht und hole Ulla jeden Tag von der Arbeit ab. Sie hat eine schwierige Zeit. Ihre Arbeitskollegen haben mitbekommen, dass sie jetzt einen Freund hat, und versuchen sie mit sehr direkten Ansprachen in Verlegenheit zu bringen. Am Mittwoch war einer der Herren Vertreter in Starnberg bei der Firma Fromms Gummiwaren und bringt Musterpräservative mit, die er auspackt und mit Wasser gefüllt und entsprechenden Anzüglichkeiten der Ulla vorführt. Sie bleibt ganz kühl und gelassen. Als ihm kurzzeitig nichts mehr einfällt, sagt sie: "Wenn Sie das nächste Mal hinkommen, bringen Sie mir doch einen Karton mit 100 Stück mit, die reichen uns dann wieder für die nächsten paar Tage". Dem Großmaul verschlägt‘s die Sprache, jetzt bekommt er unter dem Gelächter der Kollegen den tomatenroten Kopf, den er Ulla verpassen wollte.
Am kommenden Sonntag wage ich es endlich, Ulla auch meiner Familie vorzustellen. Meine beiden jüngeren Brüder, der Horst und der Heinz-Dieter sind schon sehr neugierig, wie denn mein Mädel aussieht. Mein großer Bruder Harry hat schon geheiratet und wohnt mit seiner Frau in Geretsried, weil sein Arbeitgeber dort eine neue Fabrik gebaut hat und nur Facharbeiter in die Provinz bringt, wenn er auch Wohnungen für sie stellen kann. (In München herrscht noch große Wohnungsnot. Es gibt über 40.000 Familien, die beim Wohnungsamt als wohnungsuchende mit Dringlichkeitsstufe 1 gemeldet sind.)
Was meine Eltern über Ulla denken, weiß ich überhaupt nicht und werde es auch nicht erfahren, sie sind bei dieser Gelegenheit auffällig zurückhaltend, ein wenig wortkarg. Das wiederum veranlasst mich, die Besuchszeit gegenüber der ursprünglichen Planung drastisch zu verkürzen. Ein bisschen verwundert bin ich doch, weil oft schon Freunde von mir bei uns auf Besuch waren, da zeigte sich vor allem meine Mutter immer sehr aufgeschlossen und freundlich. Jetzt aber ist sie für meinen Geschmack viel zu kühl und unpersönlich. Meinen Ärger lasse ich mir nicht anmerken, überspiele die gespannte Atmosphäre mit Heiterkeit und freue mich, schnell wieder mit Ulla alleine zu sein.
Die kommende Woche habe ich Spätschicht, da bleibt uns nur der kurze Spaziergang jeden Morgen vom Isartor-Platz, wo ich sie vom Bus abhole, zur Salvatorstraße, wo sie arbeitet.