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Der Entschluss ist gefasst, Tanzen wird gelernt.

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Zurück zum Neujahr 1960. Nach diesem langen Wochenende beginnt der Fasching. Alle Freunde erzählen mir von tollen Bällen, auf denen sie viel getanzt und hübsche Mädchen kennengelernt haben. Da war es wieder, mein Problem: das Tanzen! Ich muss es lernen, aber wie und wann? Etliche Freunde der Gewerkschaftsjugendgruppe waren bereits früher in der Tanzschule Sämmer im Deutschen Theater und schwärmten mir vor, wie toll es da gewesen sei und an den Übungsabenden immer noch ist. So ein Tanzkurs ist nicht kostenlos, ich erkundige mich und erfahre, dass es erstens ganz schön teuer ist und zweitens vor Mai gar keine Termine für Anfänger mehr frei sind. Abgehakt. Es war auch noch ein anderer Gedanke dabei, ich wollte mir von den erfahrenen Tänzern und Tänzerinnen der Gruppe nicht beim Erlernen zuschauen lassen, wollte sie nach erfolgreich absolviertem Tanzkurs plötzlich als passabler Tänzer überraschen.

Am Faschingssamstag veranstaltet die Gewerkschaftsjugend München einen großen Ball, unsere Gruppe muss ihn ausrichten. Groß in Mode sind zurzeit die Mundharmonika-Solisten, -Duos, -Trios und sogar - Quartette mit Instrumenten in allen denkbaren Größen und Variationen. Über Bekannte und Bekannte von Bekannten wird ein hervorragendes Mundharmonika-Trio gefunden, das den ganzen Abend mit nur wenigen Pausen flotte Musik macht. Mit anderen zusammen kümmere ich mich um die Dekoration, die Tische und die Bewirtung. Die Musik ist gut, die Stimmung ist toll, alle sind bunt maskiert, ich als Clown natürlich auch, und alles tanzt - nur ich nicht. Das Fest ist vorbei. Wir räumen auf. Die Musiker haben ihre Sachen zusammengepackt, die Gäste machen sich alle auf den Heimweg oder nach Schwabing in die Nachtlokale. Manch einer geht erst ins Bett, wenn die Skifahrer schon auf dem Weg zum Zug oder zum Bus in die Berge sind.

Mein Nichttänzertum geht mir allmählich auf die Nerven, es plagt mich richtig. Am nächsten Gruppenabend spreche ich einige jüngere Kollegen an, von denen ich weiß, dass sie auch nicht tanzen können, es aber gerne können würden. Sechs Leute müssen wir sein, dann gibt es bei der Tanzschule Schmelzer in der Damenstiftstraße 20% Rabatt und diese Tanzschule ist auch noch ein Stück billiger als die Thea Sämmer. Das ist doch schon was. Trotzdem ist es schwierig, noch 5 Kurswillige zu finden. Es ist nicht nur das Geld, auch die Garderobe muss passen, dunkler Anzug oder Kombination mit weißem Hemd und möglichst passender Krawatte sind Pflicht. Mit viel Überzeugungsarbeit gelingt es mir, das "Sixpack" zusammenzubringen. Anfang März ist Anmeldetermin und die Woche drauf gleich erster Unterrichtsabend. Um 19.00 Uhr an einem Mittwoch soll es los gehen. Wie vereinbart treffen wir uns, Einer fehlt. Wir warten 10 Minuten, wir warten eine Viertelstunde, es wird Zeit hineinzugehen, er kommt nicht. Was tun? Ein junger Mann steuert auch auf die Tanzschule zu. Sofort spreche ich ihn an und frage, ober er auch, ja er auch, also dann bist Du unser 6. Mann. Der freut sich, wir freuen uns auch und ich melde die ganze Gruppe an. Die erste Hürde ist geschafft.

Der Tanzlehrer und seine Frau stellen sich vor. Jetzt geht es gleich los denke ich. Nein, erst wird uns Anstandsunterricht erteilt. Wie man eine Dame auffordert, wenn sie alleine ist, wenn sie in Begleitung eines Herren ist, wie man sich vorstellt und wie die korrekte Tanzhaltung aussieht. Die Herren müssen die Schritte auf Kommando des Tanzlehrers erst einmal alleine üben, zum Schutz der zarten Damenfüßchen. Vor, vor, schließen, rück, rück, schließen. Ohne Musik und ohne Damenbehinderung geht das ganz gut.

Dann wird die korrekte Tanzhaltung geübt. Die erste Trockenübung die Schritte der oder sagt man die Rumba? Es beginnt mit der Beinübung. Danach Mädchen auffordern, korrekte Tanzhaltung und Musik. Die Mädchen sitzen auf einer Stuhlreihe, wie die Spatzen auf dem Telegrafendraht, an der Längsseite des Tanzsaales. Wir Burschen stehen in gleichem Abstand auf der anderen Seite, jeder hat die gegenübersitzende Dame aufzufordern. Ein Mädchen ist zu wenig. Dafür springt die Tanzlehrerin ein, ausgerechnet die erwische ich. Er, der Tanzlehrer kontrolliert jedes Paar und korrigiert Armhaltung und Burschenhände. Die Mädchen machen von Anfang an alles gleich richtig. Das hat schon so seine Tücken. Danach müssen die Mädchen ihre Positionen wechseln, damit nicht immer dieselben miteinander die gleichen Fehler machen. Meine erste Dame ist nur in diesen Tanzkurs gekommen, weil ein chronischer Mädchenmangel herrscht und sie auf diese Weise an 10 Abenden der mütterlichen Fürsorge entgehen kann. Ich plage mich ganz schön ab und meine Dame mit mir auch. 21.00 Uhr, Feierabend.

Der Nächste Kurstag bringt zunächst wieder erst Benimmunterricht, dann Wiederholung der Rumba. Erst die Herren Solo aber gleich mit Musik, dann wieder mit Damen in den Armen, - die Armen. Meiner Dame gefalle ich anscheinend, denn immer öfter komme ich trotz allen Wechselns mit ihr zusammen. Mittlerweile haben wir uns ganz vorschriftsmäßig vorgestellt, auch das ist ein Teil des Unterrichtes. Am 3. Kursabend bietet sie mir das Du an, Ulla heiß ich! Jetzt sind wir schon beim Foxtrott angelangt. Welch seltsamer Name für einen Tanz, Fuchstrab. Zum Schluss des 3. Abends laden uns die Tanzlehrer für die Übungsabende am Samstag ein, um unsere geringen Kenntnisse und Fertigkeiten gleich unter Beweis stellen zu können und auch um den Umsatz der Tanzschule ein wenig zu heben. Es kostet Eintritt, aber nicht viel und es gibt Getränke, nicht zu teuer. Wir haben ja auch schon gelernt, eine Dame auf ein Getränk einzuladen, der Herr bezahlt selbstverständlich. Also muss er sich eine Dame suchen, von der er annimmt, dass sie keinen ausgefallenen Weingeschmack oder gar übermäßigen Champagnerdurst hat. Bier für Damen gilt als unschicklich, höchstens ein kleines Bier zum Essen ist ausnahmsweise genehmigt. Mit meiner Dame, der Ulla verabrede ich mich für diesen ersten Übungsabend, bin ganz schön aufgeregt. Sie wohnt in Ottobrunn und fährt mit dem Bundesbahn-Omnibus bis zum Isartor-Platz. Dort hole ich sie ab. Der Bus ist ein seltsames Gefährt, er hat zum Motorwagen noch einen großen Personenanhänger für vielleicht 40 Fahrgäste. Motorwagen und Hänger sind gut besetzt, und das an einem Samstagabend. Bis zur Tanzschule sind es gut 10 Minuten zu Fuß. Mein Auto lasse ich am Isartor-Platz stehen, da gibt es wenigstens noch genügend Parkplatz und außerdem wollte ich meine Tänzerin gerne ein wenig näher kennenlernen, ohne dass jemand in der Nähe ist und mithören kann. Ein paar Minuten an der frischen Luft, bevor die harte Arbeit in der Tanzschule beginnt, kommen mir nicht ungelegen.

Das Mädel gefällt mir, sie ist so natürlich und ungekünstelt, nicht geschminkt und aufgetakelt, nur ein ganz unauffälliger Lippenstift auf ihrem relativ kleinen Mund, wie eine Rosenknospe im Mai. Blaue Augen mit einem Stich ins Grünliche hat sie, lange dichte Wimpern von der Natur geschenkt und irgendwie ein verschmitztes Lächeln im Gesicht. Ihr Parfum ist ein wenig sinnlich, sexy, aber nicht aufdringlich und vor allem nicht zu stark aufgetragen. Unterwegs erzählt sie mir ein wenig von sich, dass vor 4 Jahren ihr Vater an Hirntumor verstorben ist und dass sie einen jüngeren Bruder hat, der noch zur Schule geht, aber schon größer ist als sie. Bei ihrer Restfamilie lebt noch eine unverheiratete Tante, die ist um 9 Jahre älter als ihre Mutter und der gute Geist der Familie. Die Hausarbeit wird zwischen den beiden Frauen aufgeteilt. Die Mutter wäscht, putzt und bügelt, die Tante kocht, beide gehen ganztägig arbeiten. Ulla und ihr Bruder Josef werden, ganz anders als ich in meiner Familie, überhaupt nicht mit Hausarbeit belästigt. So schön möchte ich es auch gerne haben.

Den Eintritt für den Übungsabend zahlt sie selbstverständlich selbst, später lässt sie aber doch zu, dass der Schoppen trockenen Weißwein, den sie sich aussucht, von mir bezahlt wird. Der Übungsabend ist schon erheblich schwieriger als die Unterrichtsstunden. Es kommen Tänze wie Samba und Tango vor, die wir noch nicht gelernt hatten, der Rhythmus wird nicht angesagt, man muss selbst heraushören, ob es sich um einen Foxtrott oder einen langsamen Walzer oder um sonst irgendeinen Tanz handelt. Bin ich froh, die Ulla bei mir zu haben, die kennt sich bestens aus und kann richtig gut tanzen, führt mich, ohne mir das spüren zu lassen. Zudem bin ich nicht gezwungen, immerzu fremde Damen aufzufordern und mit denen dann womöglich falsche Schritte zu machen. Wir sind offenbar beide neugierig auf uns und wollen mehr über den anderen erfahren. Der Gesprächsstoff geht uns nicht aus und der Abend vergeht rascher als gedacht. Nachdem es schon sehr spät ist, biete ich ihr an, sie nach Hause zu fahren. Von der Busstation in Ottobrunn, Rosenheimer Landstraße bis zu ihrer Wohnung wären es auch noch fast 15 Minuten zu laufen gewesen, in der Dunkelheit ist das nicht so angenehm für ein junges Mädchen. An der Straßenecke, ungefähr einhundert Meter vor ihrem Haus, bittet sie mich zu halten. Sie will nicht, dass jemand aus der Nachbarschaft mitbekommt, dass sie heimgebracht wird. Akzeptiert.

Wir geben uns zum Abschied die Hand, nur die Hand. Kein Kuss, kein Garnichts. Ich bleibe noch im Auto mit abgestelltem Motor sitzen, bis sie in ihrem Hauseingang verschwindet, dann wende ich und fahre eigentlich ganz zufrieden aber doch ein wenig aufgeregt heim.

Das Mädel gefällt mir, vielleicht wird da was draus.

Es kommen noch einige Tanzstunden und noch einige Übungsabende und wir lernen uns immer besser kennen, es bleibt aber bei einem Händedruck zur Begrüßung und zum Abschied.

Der Tanzkurs

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