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Der Traum von einer geschwisterlichen Welt

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Einführung von Jürgen Erbacher

Es ist ein düsteres Bild, das Papst Franziskus in seiner neuen Enzyklika von der Welt im 21. Jahrhundert zeichnet. Egoismus, Ausbeutung von Mensch und Natur, ein Wirtschaftssystem, das nach dem Gesetz des Stärkeren funktioniert, technischer Fortschritt, der keine Ethik kennt, reiche Länder, die sich gegen Arme und Migranten abschotten, eine politische Debatte, die von nationalistischen und populistischen Tönen bestimmt ist, und soziale Netzwerke, die das Attribut »sozial« eigentlich nicht mehr verdienen. Doch er verfällt nicht in Pessimismus und resigniert, sondern er zeigt Wege auf, wie sich die Weltgemeinschaft wieder aus dieser Sackgasse herausmanövrieren kann. Die Lösung ist einfach und zugleich ganz schwer. Die Welt muss vom »ich« zum »wir« übergehen. »Ausgehend von der ›sozialen Liebe‹ ist es möglich, zu einer Zivilisation der Liebe voranzuschreiten, zu der wir uns alle berufen fühlen können. Die Liebe kann mit ihrer universalen Dynamik eine neue Welt aufbauen, weil sie nicht ein unfruchtbares Gefühl ist, sondern vielmehr das beste Mittel, um wirksame Entwicklungsmöglichkeiten für alle zu finden« (FT 183).

Bei der Lektüre des Lehrschreibens kam mir eine Geschichte in den Sinn, die Franziskus bei einer Begegnung mit italienischen Jugendlichen im August 2018 erzählt hat und die in den fast 290 Abschnitten der neuen Enzyklika immer mitschwingt. Franziskus erzählte: »Einmal hat ein Priester mich gefragt: Sagen Sie mir, was ist das Gegenteil von ›ich‹? Und ich bin naiv in die Falle getappt und habe gesagt: Das Gegenteil von ›ich‹ ist ›du‹. – Nein, Herr Pater: Das ist die Saat des Krieges. Das Gegenteil von ›ich‹ ist ›wir‹. Wenn ich sage: Das Gegenteil bist du, dann mache ich Krieg; wenn ich sage, das Gegenteil des Egoismus ist ›wir‹, dann schließe ich Frieden, dann stelle ich Gemeinschaft her, dann bringe ich die Träume von Freundschaft, von Frieden voran.«

In dieser Episode kommt ein Motiv vor, das Franziskus gern bei Treffen mit Jugendlichen anspricht: das Träumen. Immer wieder habe ich diese Aufforderung bei den zahlreichen Jugendtreffen im Rahmen von Papstreisen rund um den Globus gehört: Hört nicht auf zu träumen! »Verwandelt die Träume von heute in die zukünftige Wirklichkeit«, so Franziskus etwa zu den italienischen Jugendlichen. »Die großen Träume sind jene, die Fruchtbarkeit schenken. Sie sind in der Lage, Frieden zu säen, Geschwisterlichkeit zu säen, Freude zu säen.« Genau das will Papst Franziskus mit »Fratelli tutti« erreichen. Er träumt einen großen Traum, der als Fruchtbarkeit Frieden, Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit säen will.

Fratelli tutti

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