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Der Titel irritiert

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Im Vorfeld der Veröffentlichung gab es heftige Diskussionen über den Titel der Enzyklika. Grenzt »Fratelli tutti« die Frauen aus? Hätte der Papst nicht einen gendersensibleren Titel wählen müssen? Niklaus Kuster, Kapuziner und Experte für franziskanische Spiritualität, betont, dass der wahre Adressat des Ursprungstextes, den der Papst hier zitiert, alle Menschen sind, Männer und Frauen.1 Der Titel ist den sogenannten »Ammonizioni« des heiligen Franz von Assisi entnommen. Diese Texte wurden in Teilen zunächst als »Ermahnungen« für die Mitbrüder geschrieben, sehr schnell aber zu einer »Sammlung von Weisheitslehren« zusammengefasst, die sich dann an alle Glaubenden richteten. »Um den finalen Adressaten der vom Papst zitierten Textsammlung zu erkennen, muss zwischen der Entstehung der Textteile und ihrer Endkomposition unterschieden werden. In dieser weitet sich der Ausdruck der ›fratres‹ nämlich vom kleinen Insiderkreis auf alle Menschen.«2 Kuster weist zudem darauf hin, dass die Textsammlung, der das Titelzitat entstammt, auch als »›Magna Charta‹ der christlichen Geschwisterlichkeit« bezeichnet wird. Damit ist die Grundaussage, die der Papst mit dem Titel treffen will, klar.

Zugleich müsste aber auch dem Papst bewusst sein, in welche Zeit hinein er spricht. Die Frauenfrage ist hochaktuell. Zu viele Verletzungen gab und gibt es im Bereich der katholischen Kirche. Hier sind die Frauen zu Recht sehr sensibel. Daher fällt sofort auf, dass der Papst in dem neuen Dokument keine einzige Frau zitiert. Selbst am Ende, wo er mit dem Verweis auf Martin Luther King, Desmond Tutu und Mahatma Gandhi versucht, den Kreis derer, die ihn für seine Enzyklika über die Geschwisterlichkeit inspiriert haben, über die katholische Tradition hinaus zu öffnen, nennt er keine Frau. Die Frauen werden den Papst sicherlich auch fragen, wie das mit der gleichen Würde und den gleichen Rechten ist, die er für die Frauen in der Gesellschaft einfordert. Welche Glaubwürdigkeit hat diese Aussage angesichts der Situation innerhalb der katholischen Kirche?

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