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Kapitel 9: Gregor

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Mit einem letzten Sprung erreichte ich das Ende der Reihe aus Fässern. Und dort, auf dem matschigen Boden und versteckt hinter einer rostigen Schubkarre, war ein Fußabdruck zu erkennen.

Ein elektrisches Kribbeln pulsierte durch jede Zelle meines Körpers. Ich schaute zur Richtung, in welche der Abdruck wies und entdeckte in einer Gasse zwischen Holzpaletten und weiteren Fässern, wie sich die Spur fortsetzte. Ich balancierte durch den schmalen Weg und gelangte am Ende zu einem alten Fiat. Der Oldtimer war, so wie alles auf dem Schrottplatz der Brüder, lieblos zurückgelassen und wartete darauf, in Vergessenheit zu geraten. Vorsichtig ging ich die letzten Schritte dem Auto entgegen. Mein Herz schien mir bis zum Hals zu klopfen und ich hatte alle Mühe damit, das Zittern meiner Hände zu bändigen. War ich wirklich an meinem Ziel?

Ich kniff meine Augen zusammen und schaute durch das von Schmutz und Staub überzogene Fenster der Fahrertür ins Innere.

Penelope!" stieß ich hervor und sah in das Gesicht meiner Schwester. Sie lag zusammengekauert auf der Rückbank und lächelte zufrieden.

Du hast mich gefunden, Gregor. Ich wusste, du kannst es!"

Es war, wie sie es mir versprochen hatte. Wenn ich die Hinweise richtig deute, führen sie mich zu ihr.

Penelopes Botschaft - hinterlassen auf einem Zettel und versteckt in einer, so bin ich überzeugt, für mich platzierten Spieluhr - schenkt mir eine Zuversicht, wie ich sie in den letzten beiden Jahren zu keiner Zeit empfunden habe. Es fühlt sich an, als hätten Penelopes Worte mich aus einem tiefen Schlaf gerissen und mich aus der Verzweiflung befreit, welche den Nährboden meiner nicht enden wollenden emotionalen Erschöpfung bildete.

Meine Schwester ist hier. Sie versucht, Kontakt mit mir aufzunehmen. Die Geheimnisse werden sich lüften und ich werde erfahren, was mit ihr geschehen ist.

„Sie wirken gelöst", gibt Frau Dr. Brunner eine Einschätzung von sich, während ich ihr bei meinem nächsten Therapietermin erzähle, wie ich nach dem Abend der Erinnerungsfeier das Gespräch zu meinen Eltern gesucht habe. Dr. Brunner kann nicht erahnen, worin die Quelle meiner erwachten Hoffnung gründet. Dafür lasse ich zu viele Details aus. Ich bin mir bewusst, dass ich sie im Grunde anlüge. Und mir damit wohlmöglich selbst schade. Ich erwähne den Streit mit Sebastian, wie sich meine Mutter auf seine Seite gestellt und mich der Feier verwiesen hatte.

„Das hat etwas in mir bewegt. Ich war weit davon entfernt, meine Eltern zu verstehen. Warum sie die Suche nach Penelope aufgegeben haben und sich auf ihre Zukunft konzentrieren. Nach der Feier habe ich mir zum ersten Mal darüber Gedanken gemacht, warum es mir nicht gelingt, ihren Weg zu akzeptieren. Und dass ich es ihnen und mir Schuld, es zu versuchen." Jedes Wort ist gelogen. Ich atme tief durch und hoffe, dass Dr. Brunner mir Glauben schenkt.

„Warum konnten Sie die Weise, wie Ihre Eltern Penelopes Verschwinden bewältigen, bisher nicht nachvollziehen?"

Ich kratze mir verlegen die Stirn und versuche mir dabei schnelle eine Ausrede einfallen zu lassen.

„Ich hielt sie für selbstsüchtig und dachte, sie sehen nur ihr eigenes Wohl. Welchen Eltern kann es schließlich gelingen, ihr Kind einfach aufzugeben?" Wie überraschend. In meiner Frage steckt mehr Ehrlichkeit, als ich selbst erwartet habe.

„Was denken Sie jetzt?", möchte Dr. Brunner wissen. Stellt sie mich und meine Äußerungen auf den Prüfstand? Sie beugt sich leicht zu mir vor und signalisiert mir damit ihr großes Interesse.

„Dass sie am Ende ihrer Kräfte angelangt sind. Sie mussten aufhören, sonst hätte die Suche sie zerstört."

Mit einem seltsamen Gefühl verabschiede ich mich von Dr. Brunner. Ich empfinde große Reue darüber, dass ich sie belogen habe. Doch welche andere Wahl wäre mir geblieben? Sie über Penelopes Nachricht einzuweihen, hätte mich an den Pranger ihrer Fragen gestellt. Fragen, auf die ich sicherlich keine Antworten mehr gefunden hätte. Möglicherweise würde Dr. Brunner mich sogar einweisen, weil sie befürchtet, ich beginne - aufgewühlt durch die Ereignisse der Erinnerungsfeier - meinen Verstand zu verlieren.

Er ist der verzweifelte Bruder, der das Schicksal seiner Schwester niemals akzeptieren wird. Seine Trauer ist wie ein Wahn, der die Realität verzerrt.

Hinter den Mauern einer Nervenheilanstalt wäre es mir unmöglich, Penelopes Spur zu folgen. Dabei ist es das Einzige, was für mich im Augenblick zählt: Die Botschaft zu entschlüsseln, die Nelo in der Spieluhr versteckt hat.

Gebe ich die Zeilen des Reims in die Suchmaske eines Internet Explorers ein, verläuft meine Recherche im Sand. Sie zitiert niemanden, schlussfolgere ich, sondern hat die Zeilen selbst verfasst.

Ich orientiere mich an den einzelnen Worten. Vielleicht verhelfen sie mir zu einer Spur. Vor meinem Laptop sitzend, tippe ich die Worte Zeit, Verlorenen, Piraten und Helden in das Suchfeld ein. Hastig überspringen meine Augen die Ergebnisse. Die erscheinenden Einträge leiten mich tatsächlich in eine Richtung.

„Peter Pan und die verlorenen Jungs", spreche ich meine Entdeckung laut aus.

Ich erinnere mich, wie sehr Penelope diese Geschichte geliebt hatte. Sie erzählt von einer Insel, dem Nimmerland, auf dem der Held Peter Pan mit seiner Bande - den verlorenen Jungs - lebt und auf der ihre Kindheit ewig währt. Das Nimmerland ist ein Ort, an dem sowohl Piraten wie auch Elfen, Meerjungfrauen und andere märchenhafte Wesen existieren. Dort kämpft Peter gegen Captain Hook; einen Piraten, der sich vor Krokodilen fürchtet, seit er seine rechte Hand im Duell mit Peter Pan an eines der Reptilien verlor. Der Haken, welcher er fortan am Stumpf seines Arms trägt, wird ihn auf immer daran erinnern - nicht zuletzt, weil dieser ihm seinen Namen verleiht.

Penelope wünschte sich, Peter Pan würde des Nachts bei ihr erscheinen und sie mit ins Nimmerland nehmen - so, wie er in dem Roman Wendy Darling und ihre beiden Brüdern John und Michael erscheint.

„Im Nimmerland muss man nur etwas glauben, damit es passiert", schwärmte sie mir vor, wenn sie mir abends aus dem Buch vorlas.

„Falls Peter wirklich existiert und er dich darum bittet, ihm zu folgen, musst du mich mitnehmen", versuchte ich Penelope ein Versprechen abzugewinnen.

„Mach dir keine Sorgen. Ich lass dich nicht alleine", versicherte sie mir. „Außerdem wirst du mich ohnehin überall finden. Egal, wo ich auch bin", ergänzte sie, um mich daran zu erinnern, wie gut ich ihre Hinweise bei unserem Spiel inzwischen deuten konnte.

„Ich wünschte, es wäre wirklich so", gebe ich zu und fahre mir mit der rechten Hand über meine glasigen Augen. Seltsam, dass mich diese Gedanken melancholisch stimmen, nun da ich mich daran erinnere, wie Nelo und ich abends in ihrem Zimmer saßen und sie mir vorlas.

Schmerzlich wird mir wieder umso deutlicher bewusst, dass Penelope immer für mich da war. Und deshalb muss ich sie finden. Es ist das Einzige, was ich für sie tun kann.

Brrrrrrrrrr durchbricht ein wildes Brummen die Stille zwischen mir und dem Laptop.

Ich zucke zusammen und schaue irritiert um mich, bis mein Blick die Kommode hinter mir streift, auf der ich mein Smartphone abgelegt habe. In vibrierendem Zittern dreht es sich langsam gegen den Uhrzeigersinn über die Holzoberfläche.

Auf dem Display erscheint eine unbekannte Nummer und nach einem kurzen Moment des Zögerns nehme ich das Gespräch entgegen.

„Hallo Gregor, hier ist Sophie."

Sofort jagt ein Brennen durch meine Adern. Ich habe es nicht geschafft, mich für mein fürchterliches Verhalten bei ihr zu entschuldigen. Vermutlich meldet sich Sophie nun, um mir ordentlich die Leviten zu lesen. Ich kann es ihr nicht verübeln. Natürlich würde ich gerne erfahren, durch wen sie meine Nummer erhalten hat, aber ich hüte mich davor, noch mehr Öl ins Feuer zu schütten.

„Hey", bringe ich schließlich hervor. Ertrag' die Vorwürfe und entschuldige dich bei ihr, verlangt meine innere Stimme.

„Ich wollte hören, wie es dir geht. Du bist neulich… na ja, einfach verschwunden. Und das lässt mir keine Ruhe."

Sie wirkt nicht verärgert. Eher besorgt. Oder täusche ich mich?

„Sophie, es tut mir…"

„Nein, Gregor, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es war ein verrückter Abend. Für uns beide. Wir waren durch die Abschiedsfeier aufgewühlt und hatten einiges intus."

Sophie überrascht mich völlig. Ich hätte keinen Cent darauf verwettet, dass sie sich derart versöhnlich zeigt und mich nicht teeren und federn möchte.

„Wie ich mich benommen habe - das ist eigentlich nicht meine Art. Ich weiß nicht, welche Sicherung mir da durchgebrannt ist. So ein Verhalten hast du jedenfalls nicht verdient. Im Gegenteil. Dass du nach der Erinnerungsfeier bei mir warst, hat das Ganze viel leichter gemacht."

„Schon okay. Du sollst einfach wissen, ich mache mir wirklich Gedanken um dich", gibt Sophie unverblümt zu. „Wenn du magst, könnten wir uns auf einen Kaffee treffen. Ich habe das Gefühl, du brauchst jemanden, der dich ab und an… na ja etwas aufbaut?"

Ich erinnere mich an Leos Überlegung, Sophie könnte mich auf andere Gedanken bringen. Nun muss ich es meinerseits nicht einmal forcieren, sie wieder zu sehen, denn offensichtlich hat sie mein Benehmen nicht abgeschreckt.

„Ok, wahrscheinlich ist es dämlich von mir zu glauben, dass ich gerade diejenige sein könnte, die dich…"

„Ein Kaffee wäre super. Sollen wir uns gleich treffen?", unterbreche ich sie wie aus der Pistole geschossen. Fast glaube ich zu hören, wie Sophie über meine Antwort zu lächeln beginnt.

„Sehr gerne."

Wir verabreden uns in einem Café, das in der Nähe ihrer Wohnung liegt. Eigentlich hätte ich das Entschlüsseln von Penelopes Botschaft vorantreiben wollen, doch halte ich Sophies Anruf für ein Zeichen, einen begangenen Fehler endlich ins Reine bringen zu können. Aus den Ergebnissen meiner Recherche mache ich mir schnell ein paar Notizen und schreibe in Großbuchstaben die Worte PETER PAN und NIMMERLAND auf ein Blatt Papier.

Während ich in meine Lederjacke schlüpfe, überlege ich, wie ich Sophies Reaktion deuten soll und ob sie sich wohlmöglich in mich verschossen hat. Der Gedanke begleitet mich durch die Stadt und ich erinnere mich an eine WG-Party, zu der mich Penelope kurz nach ihrem Einzug einlud. Sie wollte, dass ich ihre Mitbewohner kennen lerne und mir voller Stolz ihr neues Zuhause zeigen. Am Abend der Feier war die Wohnung jedoch völlig überfüllt mit Gästen. Kommilitonen und Freunde standen auf dem Flur, in der Küche und auf jedem Quadratmeter des großen Gemeinschaftszimmers. Nelo entschuldigte sich für die Planänderung, mir an einem anderen Tag unter vier Augen eine Führung anzubieten. Dafür stellte sie mir ihre Mitbewohnerin Sophie vor. Wir unterhielten uns eine Weile, bis sich drei von Sophies Gästen einmischten und sie zu der gestalteten, kleinen Tanzfläche in Richtung des Balkons entführten. Sophie war mir von Anfang an sympathisch, aber tatsächlich hatte ich an sie keine weiteren Gedanken verschwendet - auch, als ich Penelope später besuchte. Und Nelo hatte keinerlei Andeutungen gemacht, Sophie würde mir gegenüber Interesse zeigen.

Als ich das Café erreiche, wartet Sophie bereits am Eingang. Sie trägt ein in den Bund ihrer abgewaschenen Jeans gestopftes, weißes Shirt, mit dem von Blumen umrahmten Schriftzug Imagine, eine lange, graue Strickjacke und hellbraune Schnürboots. Ihre dunkelblonden Haare fallen glatt nach hinten.

„Gregor, wie schön", kommentiert sie, als sie mich entdeckt und kurz umarmt.

Wir setzen uns an einen Tisch, bestellen zwei Milchkaffee und versuchen uns zunächst in etwas belangloser Konversation über die angenehmen Temperaturen der letzten beiden Tage und Sophies Überlegung, mit zwei Freundinnen für ein verlängertes Wochenende an die Ostsee zu fahren. Ich versuche ihr aufmerksam zuzuhören und unterstreiche dies mit einem kurzen Nicken oder ab und an mit Worten wie Echt, Ehrlich, Ja, Ok.

Obwohl ich es nicht möchte, blitzen in meiner Erinnerung immer wieder Bilder unserer gemeinsamen Nacht auf. Wie wir eng umschlungen tanzen, uns betrinken, in ihrem Zimmer landen und wie ich sie, während wir miteinander schlafen, vor Zorn über Sebastian würge. Nervös kratze ich mir den linken Unterarm oder rühre mit einem Löffel im Milchschaum meiner Tasse herum. Ahnt Sophie, was in mir vorgeht? Eigentlich sollte ich erleichtert sein, dass sie nicht wütend auf mich ist oder sich in irgendeiner Weise an mir rächen möchte. Und doch fühle ich mich ihr gegenüber immer noch schuldig.

„Gregor?", reißt sie mich aus meinen Gedanken. Nun bin ich doch abgedriftet.

„Entschuldige", äußere ich und versuche ein Lächeln.

„Du hängst noch dem Ende der Erinnerungsfeier für Nelo nach, habe ich Recht?"

„Um ehrlich zu sein, ja. Ich schäme mich für mein Verhalten."

„Ok, noch einmal ganz offiziell. Das brauchst du nicht. Ich weiß, dass es dir seit Nelos Verschwinden nicht gut geht und du jeden Tag als eine neue Herausforderung ansiehst. Es ist vielleicht hart, wenn ich das jetzt so ausspreche, aber einfach die Wahrheit."

Ich nicke und nehme einen Schluck Kaffee, nur um nicht gleich eine Antwort geben zu müssen. Wie alle kennt Sophie nur die Spitze des Eisbergs.

„Manchmal…", setzt sie an und ich schaue zu ihr auf. „Manchmal habe ich das Gefühl, Nelo ist in unserer Nähe."

Wenn du wüsstest, wie recht du hast, denke ich mir.

„Es klingt total verrückt, was ich dir gleich erzählen werde. Bitte versteh es nicht falsch. Ich möchte dich auf keinen Fall verunsichern oder damit verletzen."

„Was genau meinst du?", gebe ich irritiert zu.

„Vor einer Weile wurde bei uns in der WG eingebrochen. Es fehlte nichts, weder Bargeld noch Wertgegenstände. Aber der Einbrecher hatte einzig Nelos früheres Zimmer auf den Kopf gestellt. Als würde er dort etwas Bestimmtes suchen. Ich dachte zuerst, ich bilde es mir ein, aber meine innere Stimme fragt mich immer wieder: Ist es wirklich ein Zufall?"

Mit weit aufgerissenen Augen starre ich Sophie an. Was sie mir gerade verraten hat, stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass Penelope zurück ist. Möglicherweise ist meine Schwester in ihre frühere Wohnung zurückgekehrt. Aber wozu? Ihre Sachen sind längst nicht mehr dort. Oder hat sie einen weiteren Hinweis für mich hinterlassen? Auf einmal beginnt es unter meiner Haut heiß zu kribbeln.

„Ich habe so mit mir gerungen, dir davon zu erzählen, weil ich es selbst nicht begreife. Wir haben das Schloss der Wohnungstür auswechseln lassen; mehr konnte uns die Polizei auch nicht raten. Es muss ein dummer Zufall sein."

„Ich danke dir", gebe ich zu, den Gedanken beiseiteschiebend, dass ich sofort Nelos früheres Zimmer unter die Lupe nehmen muss. „Der gleiche Eindruck beschleicht auch mich seit einer Weile."

„Inwiefern?" fragt Sophie vorsichtig nach.

„Kennst du das Gefühl, die Präsenz einer Person zu spüren, obwohl du sie nicht siehst? Und gleich darauf wirst du ihr begegnen? So fühle ich seit der Erinnerungsfeier." Ich bin kurz davor, Sophie alles zu erzählen. Den Schatten in Penelopes Zimmer. Die Frau vor meinem Briefkasten. Ihre Nachricht. Und Penelopes Botschaft in der Spieluhr.

Kann sie mich bei der Suche nach meiner Schwester unterstützen? Sophie war ihr immer eine gute Freundin.

„Ich weiß, was du meinst. Seit dem Einbruch bleibe ich, wenn ich in der Stadt unterwegs bin, manchmal stehen und schaue mich zur Sicherheit um. Es ist wie eine Eingebung, so als würde mir jemand folgen."

Was, wenn Penelope nicht nur zu mir Kontakt aufnimmt, sondern auch zu ihren engsten Freunden? Hat Emma möglicherweise ebenfalls etwas bemerkt? Ist es naiv von mir zu glauben, dass ich der Einzige bin, dem Penelope Zeichen sendet?

Meine Hände beginnen vor Aufregung zu zittern, während ich noch immer abwäge, was ich tun soll. Wird mir Sophie glauben?

Mein Blick verliert sich in der Glasfront des Cafés und ich schaue hinaus auf die schmale Straße. Vereinzelte Radfahrer und Passanten ziehen an den in Parkbuchten stehenden Autos vorbei.

„Was…", erschrecke ich, als mir ein Mann auffällt, der im Schatten einer Gasse steht. Ich kenne ihn - es ist der Typ mit dem Bart und der Bomberjacke, dem ich erst vor kurzem bei meinen Eltern begegnet bin.

Er ist kaum auszumachen, doch bin ich mir ganz sicher, dass er Sophie und mich von seiner Position aus beobachtet.

„Entschuldige mich kurz", verlasse ich abrupt unseren Tisch und spüre Sophies fragende Augen in meinem Nacken.

„Gregor, was hast du?", höre ich ihre Stimme, während ich das Café verlasse und die Straße überquere.

Mein Blick fokussiert die schmale Gasse und für den Bruchteil eines Augenblicks sehe ich, wie sich in dem Schatten etwas bewegt. Die restlichen Meter stürme ich regelrecht los und erlebe, als ich die Gasse erreiche, wie der Bärtige bereits um die nächste Häuserecke biegt. Ich jage ihm hinterher, doch ist es für mich unmöglich auszumachen, wohin er verschwunden ist. Ratlos schaue ich in alle drei Richtungen, die sich vor mir ausbreiten.

Wie lange mag er uns - oder mich - schon beobachtet haben? Ich hole tief Luft und versuche dabei, meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen.

Was haben meine Eltern mit ihm zu tun?

Ein anderer Gedanke schürt ein Feuer in mir. Flammen des Zorns.

Lassen mich Theodor und Marietta etwa beschatten?

Die lebenden Schatten

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