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Kapitel 9

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Luftraum zwischen Camp David und dem Militärstützpunkt in Narvik

Jack Reilly war nun schon eine Stunde lang geflogen und so richtig hatte sich sein Magen noch nicht an die Geschwindigkeit gewöhnt. Hinzu kam, dass sie bis auf einen kleinen Zipfel von Neufundland auf ihrem Flug nur Wasser gesehen hatten. Als Jack jetzt abermals einen Blick aus dem Fenster riskierte, überzogen Dutzende glitzernder Punkte die graue endlose Weite.

Treibeis.

Jack hatte erst ein einziges Mal in seinem Leben Treibeis gesehen, vor etwa acht Jahren, als er zusammen mit seinen Eltern und seinem Bruder Stephen eine Kreuzfahrt nach Alaska unternommen hatten.

Jack und Stephen wuchsen wohlbehütet in einer Villa in der Nähe von Miami auf. Ihrem Vater gehörte eine renommierte Anwaltskanzlei, deren Klienten überwiegend wohlhabende Industrielle waren, sodass die Familie Reilly zur sozialen Oberschicht gehörte.

Jack war drei Jahre älter als sein Bruder. Da Stephen von Geburt an eher klein und schmächtig gewesen war, hatte sich Jack schon von Kindesbeinen an für seinen kleinen Bruder verantwortlich gefühlt.

Dies führte dazu, dass die Reilly-Brüder unzertrennlich wurden. Wo Jack auftauchte, war auch Stephen zu finden.

Jack verspürte auch heute noch einen stechenden Schmerz in der Brust, wenn er an ihre Abenteuer dachte, die sie jedes Jahr in ihren Sommerferien erlebt hatten. Ihr Sommerhaus in Oregon wurde für die Reilly-Brüder zu einer Oase des Glücks. Viele Erinnerungen waren genau hier verankert. Erst als Stephen zum College ging, kühlte das Verhältnis zwischen den Brüdern etwas ab. Jack fing nach dem College bei der NSA an, während Stephen, zum Leidwesen seines Vaters, bei einer Computerfirma im Silicon Valley seine berufliche Karriere startete.

Seit der Pubertät waren Jack und Stephen von Computern begeistert gewesen. Jede Nacht verbrachten die Reilly-Brüder vor dem PC und eigneten sich ein riesiges Wissen an. Und erstmals gab es etwas, in dem Stephen seinem großen Bruder überlegen war. Während Jack ein äußerst talentierter Bursche im Umgang mit Computern war, war Stephen geradezu ein Genie.

Eine Fähigkeit, die Stephen zum Verhängnis wurde.

Jack war seit vier Jahren bei der NSA, als ihm ein besonderer Fall zugetragen wurde. Eine Gruppe von Hackern hatte ein neuartiges Computervirus entwickelt, das als blinder Passagier reiste und von sämtlichen Virenscannern nicht geoutet werden konnte. Trojaner nannte sich diese Art von Virus, der sich innerhalb eines Netzwerkes selbst vervielfältigte. Daten wurden dabei nicht gelöscht, aber die Systemleistung reduzierte sich um ein Vielfaches. Außerdem, so stellte Jack während der Ermittlungen fest, war der Virus so programmiert worden, dass er sich ständig veränderte und mit herkömmlichen Virenkillern nicht bekämpft werden konnte. Er lernte dazu, wie ein Erreger, der eine Resistenz gegen ein bestimmtes Medikament entwickelte. Das Problem war nur, dass der Virus seine Zusammensetzung nicht nach biologischen Gesichtspunkten veränderte, sondern nach einem Zufallsprinzip, das folglich nicht vorausberechnet werden konnte.

Dutzende Überstunden verbrachte Jack damit, eine Spur des Virus zu finden. Seine Beziehung zu seiner Freundin Kathy ging in dieser Zeit in die Brüche, aber er hatte Erfolg. Jack war völlig fassungslos, als sich Stephen als Erfinder des Virus entpuppte.

Fünf Wochen nach Stephens Verhaftung erhielt Jack die schicksalhafte Nachricht. Er hatte gerade sein Büro betreten, als das Telefon klingelte.

„Jack? Hier ist Luther.“ Luther McNeill war der Anwalt , den Jack für Stephen besorgt hatte.

„Luther. Was gibt es denn? Haben Sie was Neues von Stephen gehört?“

„Nun, ich weiß nicht, wie ich es am besten sagen soll. Ich erhielt vor ein paar Minuten einen Anruf aus dem Staatsgefängnis in Orange County. Man hat dort Stephen in seiner Zelle gefunden. Er hat sich erhängt.“

Jacks Körper wurde vollkommen gefühllos. Die nächsten Tage und Wochen erlebte er wie durch eine Nebelwolke. Er organisierte zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit eine Beerdigung, da nur ein paar Wochen zuvor ihre Mutter an einem Tumor verstorben war. Und immer wieder hämmerte eine Frage in seinem Schädel.

Warum hast du nicht besser auf Stephen aufgepasst?

Eine Frage, die er nie mehr in seinem Leben würde endgültig beantworten können.

Vor der F-14 schwand das Tageslicht. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont versunken, als sie Europa erreichten. Ein heller Vollmond ging auf und hing weiß in der arktischen, klaren Luft.

Endlich erspähte Jack den Umriss von Land.

„Ist das die norwegische Küste?“, fragte Jack.

„So ist es“, antwortete der Pilot.

Als die F-14 mit der Nase nach unten ging, hatte Jack für einen kurzen Augenblick das Gefühl absoluter Schwerelosigkeit. Sie waren innerhalb kürzester Zeit über neunhundert Meter gesunken. Jack schaute auf das mondbeschienene Land herunter und entdeckte eine schneebedeckte Landschaft. In einiger Entfernung sah er die ersten Umrisse des Militärstützpunktes.

Starke Turbulenzen schüttelten die Tomcat bei ihrem Anflug auf den Stützpunkt in Narvik. Jack hörte, wie das Fahrwerk der F-14 ausfuhr und mit einem knackenden Geräusch einrastete. Jedoch konnte er noch keine Landebahn entdecken. Während der Pilot die rüttelnde Maschine unter Kontrolle zu halten versuchte, sah Jack plötzlich eine Reihe von Blinklichtern auftauchen, die eine nicht unbedingt vertrauenserweckende, vereiste Landebahn anzeigten.

„Sie wollen doch nicht etwa auf dieser Eisbahn landen?“

Ohne eine Antwort zu geben, manövrierte der Pilot die F-14 mit äußerster Konzentration durch die Turbulenzen. Jack spürte ein heftiges Aufbäumen seiner Eingeweide, als der Pilot Schub wegnahm und direkt auf die Landebahn zusteuerte. Die sich immer noch heftig wehrende Maschine glitt zusehends tiefer und Jack hatte große Befürchtungen, jemals wieder Boden unter den Füßen zu spüren. In diesem Augenblick setzte die Maschine auf.

Die Schubumkehr der Triebwerke brüllte auf und die F-14 wurde rapide langsamer. Ein paar hundert Meter weiter rollte die Maschine aus.

Jack blickte nach draußen und versuchte ein paar Einzelheiten des Stützpunktes zu erkennen, jedoch ohne Erfolg. Rechts sah er nur weites, flaches Land mit schneebedecktem Boden, links die Silhouette der Stützpunktgebäude.

Aus der Ferne hörte er ein Motorengeräusch näher kommen. Der Ton wurde deutlicher und Jack erkannte, dass sich ihnen ein Militärjeep näherte.

Schlitternd kam das Fahrzeug neben der F-14 zum Stehen. Die Tür schwang auf und ein in Uniform gekleideter Soldat stieg aus. Der Mann signalisierte dem Piloten, das Kabinendach zu öffnen.

Der Pilot folgte der Weisung und ein eisiger Windhauch fuhr ins Cockpit und ließ Jack bis ins Mark frösteln.

„Mister Reilly?“, rief der Soldat Jack zu. „Herzlich willkommen auf dem Militärstützpunkt in Narvik.“

Jack zitterte, als er dem Mann dankend zunickte.

„Lösen Sie bitte den Gurt und legen den Helm ins Cockpit. Sie werden bereits erwartet.“

Operation Eismeer

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