Читать книгу Chris umgetopft - Patrick Stumm - Страница 7
Оглавление„Tag 0“ - Wie alles anfing
Wir gehen zurück ins Jahr 2020 und hier spulen wir zurück bis zum April. Es war ein trauriger Monat für mein Rudel und mich, denn ich musste meinen Ersthund Boston, einen wunderschönen schwarzen Labrador, gehen lassen. Boston… wenn ich an ihn denke, kommen sofort die Erinnerungen zurück. Was für ein schöner und intelligenter Saftsack er doch war. Lieb, verschmust, intelligent, folgsam und er krabbelte einem am liebsten in die Hosentasche. Auf der anderen Seite stur, absolut selbstständig und selbstsüchtig, nervig, rücksichtslos und ignorant. Ein richtig toller Hund für mein Rudel!
Über Boston wusste ich damals als ich ihn bekam nur, dass er wohl von seinen Vorbesitzern im Wald ausgesetzt worden war und dort für mehrere Monate auf sich allein gestellt war. Schließlich wurde er von einer tierlieben Frau aufgenommen, die jedoch unter Tierliebe verstand, ihm Pudding und Kuchen zu geben. Glücklicherweise wurde er sehr schnell in professionelle Hände übergeben und kam so zu der Tierschutzorganisation, von der ich ihn hatte. Ursprünglich kam Boston aus Polen.
Zu Beginn seiner Zeit bei mir hatte er bereits am linken Vorderlauf einen dicken Knubbel. Wir dachten und hofften auf ein Lipom (Ein Lipom ist eine harmlose Neubildung aus Fettgewebe). Die Gewebeentnahme, die unsere Tierärzte durchführten, brachte jedoch einen langsam wachsenden, aber extrem bösen Krebs zum Vorschein. Wir entschieden uns im Jahr 2018 zu einer OP, die auch erfolgreich verlief. Blöderweise war der Tumor an einer Stelle am linken Vorderlauf, an der die Chirurgen vorsichtig schneiden mussten, um die Bewegungsfähigkeit des Gelenks zu erhalten. Somit konnten nicht alle Krebszellen entfernt werden und knapp 6 Monate später war der Knubbel und der Krebs wieder zurück.
Ich war daraufhin mit Boston in Hofheim und habe ihn in der Onkologie vorgestellt. Die Frage war, ob es möglich und sinnvoll wäre, das linke Beinchen operativ zu entfernen und ihn mit drei Beinchen durchs Leben hoppeln zu lassen. Für die meisten Hunde ist das kein Problem, die stecken das wirklich problemlos weg.
Der Haken an der Sache: Boston hatte sehr starke Arthrose im rechten Vorderlauf und in der Schulter. Und genau das war die Killernachricht für mich. Hätten wir das linke Beinchen amputiert, hätte die Hauptlast auf dem rechten Beinchen gelegen. In Kombination mit der Arthroseschädigung wäre es unwahrscheinlich gewesen, dass Boston das gut überstanden hätte.
Schlussendlich haben wir uns zu einer konservativen Behandlung entschieden um das Wachstum möglichst zu bremsen und Boston noch ein schönes Leben zu ermöglichen.
Leider war sein schönes Leben am 24.04.2020 vorbei. Der Krebs hatte gestreut und ich habe gemeinsam mit den Tierärzten entschieden, ihn gehen zu lassen, bevor er anfängt zu leiden. Klar, man hätte noch drei bis vier Monate rausholen können, aber zu welchem Preis? Sollte der Hund deshalb leiden müssen, nur damit ich ihn länger bei mir haben kann? Zusätzlich hatte Boston in unregelmäßigen Abständen generalisierte Krampfanfälle. Zwar waren die mit Pexion ganz gut eingestellt, aber ganz vermeiden konnten wir sie nicht.
Boston wurde eingeäschert und steht jetzt in meiner Vitrine. Er begleitet mich, genauso wie Nemo, ein anderer Hund aus einem früheren Leben. Und genauso wird es irgendwann mit Robby sein. Und mit Chris.
Nachdem Boston gegangen war, hingen hier erst mal alle durch. Robby hat bis Ende Juni offen getrauert und Boston regelmäßig gesucht, obwohl er Abschied von ihm nehmen konnte. Er hat sich schlicht geweigert zu akzeptieren, dass Boston nicht mehr zurückkommen würde. Der Spieltrieb, der bei Robby stark ausgeprägt ist, kam fast vollständig zum Erliegen. Er war zu nichts zu motivieren.
Ab Juli besserte sich sein Zustand, er fand wieder zurück und war dann auch bald wieder der alte Hund. Damit kam es jedoch zur nächsten Herausforderung, nämlich der Frage, ob wir uns wieder einen zweiten Hund ins Rudel holen sollten. Die Überlegungen dazu begannen im Oktober.
Bedingt durch die Einschränkungen, die Corona mit sich brachte, habe ich mir sehr viele Kandidaten aus verschiedenen Tierheimen zunächst online angesehen. Ehrlich gesagt waren da viele liebenswerte Hunde, die sicher alle ein schönes Zuhause verdient haben und bestimmt auch finden werden. Aber keiner von den Kandidaten hätte auch nur im Entferntesten zu uns gepasst.
Und dann kam der Tag, an dem ich Chris auf der Webseite vom Tierheim in Koblenz gesehen habe. Ich hatte noch keinen Text zu ihm gelesen und nur das Bild gesehen. Aber ich war beeindruckt. Ich kann nicht erklären, was es war, aber mein Interesse war geweckt. Man muss dazu sagen, dass ich Chris zwar gesehen hatte, nachdem er in Koblenz eingezogen war, allerdings habe ich zu viel Zeit damit vertrödelt, mir darüber klar zu werden, ob ich Robby einen Hund wie Chris zutraue.
Bis ich meine Entscheidung getroffen hatte, konnte ich auf der Facebook-Seite des Tierheims Koblenz bereits vernehmen, dass es eine ernstzunehmende Interessentin für Chris geben würde und dass es doch sehr gut für ihn aussieht. Das war für mich ein Schlag ins Gesicht. Ich hätte mir in den Hintern beißen können, weil ich so lange gezögert habe.
Und so kam es, wie es kommen musste. Chris wurde an eine Frau vermittelt und war weg. Ändern konnte ich es nicht, aber auch Robby merkte, dass ich mit mir einen innerlichen Kampf ausfocht.
Während ich noch dabei war, mich über meine lahmarschige Vorgehensweise zu ärgern sah ich eher nebenbei einen neuen Beitrag vom Tierheim Koblenz, in dem die Tierheimleiterin Fr. Höfer einen völlig verstörten Chris zeigte, der wieder zurück im Tierheim war.
Ich konnte es nicht fassen! ER war wieder da. Am gleichen Abend, einem Freitag, verfasste ich eine Mail an das Tierheim Koblenz und erhielt am Samstag einen Rückruf mit dem Angebot, kurzfristig einen Termin zu vereinbaren. Damit war der Anfang gemacht und für mich stand fest, dass ich Chris adoptieren werde, egal wie lange es dauern und durch welche Prüfungen man mich schicken würde. Denn eins war mir klar: Chris wurde vermittelt und die Vermittlung ging schief. Ein weiteres Mal durfte das keinesfalls passieren. Demzufolge würde das Tierheim noch genauer hinschauen, bevor Chris erneut würde ausziehen können.
Nach insgesamt vier Besuchen mit Robby und meiner besseren Hälfte, war es so weit. Unsere gemeinsame Reise nahm ihren Anfang…