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10.01.2010: Die Freiheit ist verschwunden

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10.01.2010

Die Freiheit ist verschwunden

Ich hatte gerade die unzensierte Ausgabe von Alexander Solschenizyns „Der erste Kreis der Hölle” gelesen, als mir Chris Hedges Artikel „One Day We’ll All Be Terrorists“ („Eines Tages werden wir alle Terroristen sein“, Truthdig, 28. Dezember 2009) in die Hände kam. In Hedges Bericht über die Behandlung des amerikanischen Staatsbürgers Syed Fahad Hashmi durch die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika erkannte ich das stalinistische System, wie es Solschenizyn beschrieben hat.

Hashmi verbringt bereits das dritte Jahr in Einzelhaft. Die Praktiken von Guantánamo haben Einzug ins Metropolitan Correction Center in Manhattan gehalten, wo Hashmi im Special Housing Unit festgehalten wird. Sein Zugang zu Anwälten, Familie und anderen Gefangenen wird entweder verhindert oder streng eingeschränkt. Beim Waschen und bei der Benützung der Toilette wird er von Kameras überwacht. Eine Stunde pro Tag wird er aus seiner Einzelzelle in einen Trainingsraum gelassen.

Hashmi ist ein Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, aber seine Regierung hat gegen alle Rechte verstoßen, die ihm die Verfassung garantiert. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika setzt Hashmi unter Verletzung der Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika der psychologischen Folter aus, die als extreme sensorische Deprivation bekannt ist. Die angeblichen „Beweise“ gegen ihn sind geheim und werden ihm vorenthalten. Wie Joseph K. in Kafkas „Das Urteil” ist Hashmi auf Grund geheimer Beweise eingesperrt. Nachdem die Anklage gegen ihn unbekannt ist oder gar nicht existiert, ist eine Verteidigung unmöglich.

Hashmis Rechte wurden ihm durch seine Regierung aberkannt mit der Behauptung, er sei ein potentieller Terrorist oder vielleicht ein terroristischer Sympathisant. Ein weiterer Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika, Junaid Babar, verbrachte zwei Wochen gemeinsam mit Hashmi und lieferte angeblich Ponchos und Socken an al-Qaida in Pakistan. Angeblich benützte Babar Hashmis Mobiltelefon, um andere zu erreichen, die Terroristen unterstützten. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika sagt, dass das ausreicht, um Hashmi in Babars Aktivitäten einzubeziehen.

Babar ging eine Vereinbarung im Strafprozess ein, in der er sich in fünf Punkten der „materiellen Unterstützung” des Terrorismus für schuldig bekannte, arbeitet aber an einer Verkürzung seiner Haft, indem er als Kronzeuge in anderen Terrorprozessen aussagt, auch in Kanada und im Vereinigten Königreich, und als einziger Zeuge der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Hashmi.

Hashmis wirkliches Vergehen besteht darin, dass er ein muslimischer Aktivist ist, der die bürgerlichen Freiheiten der Moslems verteidigt und provokante Stellungnahmen betreffend die Vereinigten Staaten von Amerika abgibt. Wie Michael Ratner, der Präsident des Center for Constitutional Rights (Zentrum für Verfassungsrechte), ausgeführt hat, haben Bundesgerichte der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika weiten Spielraum zugestanden, Hashmis Gebrauch seiner verfassungsmäßig geschützten Rechte der freien Rede und Versammlungsfreiheit als Beweis für eine terroristische Gesinnung und dadurch für die Absicht, terroristische Handlungen zu begehen, zu verwenden.

Professor Jeanne Theoharis vom Brooklyn College warnt uns, dass jetzt ein amerikanischer Staatsbürger aufgrund geheimer Beweise verurteilt werden kann. „Man kann Jahre in Einzelhaft eingesperrt werden, ehe man wegen irgendetwas schuldig gesprochen wird. Es gab viel Aufmerksamkeit für die Überstellungen in Folterlager in anderen Ländern, für Guantánamo und Abu Ghraib, aufgrund der falschen Annahme, dass alles rechtmäßig zugeht, wenn Menschen in den Vereinigten Staaten von Amerika vor Gericht kommen. Aber was letztlich zu Guantánamo führte, war die Entartung des Rechts hierzulande, und das geschieht nicht nur bei Hashmi.“

In der Tat berichtet Hedges, dass „radikale Aktivisten in Umweltschutz-, Antiglobalisierungs-, Anti-Atom-, Pro-nachhaltige-Landwirtschafts- und anarchistischen Bewegungen bereits vom Staat in speziellen Gefängnissen festgehalten werden, gemeinsam mit Moslems, die wegen Terrorismus angeklagt sind“. Hedges warnt: „Diese Korruption unseres Rechtssystems wird vom Staat nicht nur Terrorismusverdächtigen oder auch amerikanischen Moslems vorbehalten bleiben. Im kommenden Aufruhr und wirtschaftlichen Zusammenbruch wird sie benutzt werden, um alle ruhig zu stellen, die als Unruhestifter und subversive Elemente betrachtet werden. Hashmi erleidet, was viele andere, die keine Moslems sind, später erleiden werden.“

Das Schweigen der Anwaltskammern und juristischen Fakultäten weist auf einen erstaunlich sorglosen Umgang mit Thomas Paines Warnung hin: „Wer seine eigene Freiheit sichern will, muss sogar seinen Feind vor Unterdrückung schützen; wenn er jedoch gegen diese Verpflichtung verstößt, wird er einen Präzedenzfall schaffen, der auf ihn selbst zurückfallen wird.“ Einige meiner republikanischen und konservativen Bekannten freuen sich sogar, dass wir endlich hart werden und mit Gewalt gegen „diese Leute“ vorgehen. In ihrer Naivität glauben sie, dass sie selbst sicher bleiben werden, wenn das Gesetz aufhört, ein Schild für die Menschen zu sein und zur Waffe in der Hand der Regierung wird.

In „A Man For All Seasons” („Ein Mann zu jeder Jahreszeit“) warnt Thomas Morus davor, das Gesetz zu beschneiden, um hinter Teufeln herzujagen, denn wo stehen wir dann, wenn das Gesetz nicht mehr gilt und der Teufel gegen uns losgeht?

Ganz klar kümmern sich weder Justizministerium der Vereinigten Staaten, Kongress oder Weißes Haus, die „Massenmedien“ oder die Menschen in Amerika um solche fundamentale Fragen noch ein großer Teil der Bundesgerichte.

Auf Salon.com vom 4. Dezember 2009 wies Glenn Greenwald darauf hin, dass die Konvention gegen die Folter, die Präsident Ronald Reagan verfochten und unterzeichnet und der Senat der Vereinigten Staaten von Amerika ratifiziert haben, Folgendes besagt: „Jede staatliche Partei ist angehalten, Folterer, die auf ihrem Gebiet gefunden werden, strafrechtlich zu verfolgen oder sie an andere Länder zur Verfolgung auszuliefern. Keine außerordentlichen Umstände welcher Art auch immer, seien es Kriegszustand oder drohender Krieg, innere politische Instabilität oder ein anderer öffentlicher Notstand dürfen als Rechtfertigung für Folter herangezogen werden. Jede staatliche Partei hat sicherzustellen, dass alle Folterhandlungen als Verbrechen unter das Strafgesetz fallen.“

Zwei Jahrzehnte später foltert die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, wie es ihr passt. Hohe Beamte des Justizministeriums verfassen Aktenvermerke, in denen sie Folter erlauben, entgegen der ratifizierten Konvention gegen die Folter, entgegen dem Recht der Vereinigten Staaten von Amerika und entgegen der Genfer Konvention. Pew Poll gibt bekannt, dass 67 % der Republikaner und 47 % der Demokraten den Einsatz von Folter befürworten.

Und die Amerikaner glauben, sie haben Freiheit und Demokratie und leben im Schutz des Rechtsstaats. Das Recht ist verschwunden und mit ihm die amerikanische Freiheit.

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