Читать книгу Eridani-Explorer Band 1 - Paul Desselmann - Страница 6

29.04.2074, Sonntag

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Lisa und Ronny gingen schon um 7 Uhr zum Frühstück. Normalerweise war die Cafeteria am Sonntag um diese Zeit wie ausgestorben. Heute jedoch fanden sie kaum einen Tisch. Auch die Küche war völlig überfordert mit dem ungewöhnlich starken Ansturm zur frühen Stunde. Vor allem Wissenschaftler und Techniker waren schon unterwegs. Sie hatten viel Arbeit vor sich. Unzählige Daten von den Sonden mussten ausgewertet und die nächsten Missionen wollten vorbereitet werden. Die Lincoln benötigte noch jede Menge Arbeitsstunden, um wieder einsatzbereit zu sein.

Lisa sah Charles Watson alleine an einem Tisch sitzen. Sie ging zu ihm und setzte sich, während Ronny das Essen holte. Er wusste was Lisa wollte und brachte es gleich mit. Lisa hatte so Zeit, um mit Charles zu sprechen. „Sie sehen müde aus. Nachtschicht gehabt?“

Er nickte nur und schluckte herunter. „Irgendwer muss ja auf die Technik aufpassen.“

Lisa wechselte das Thema. „Celia und unser Peter scheinen sich gut miteinander zu verstehen.“

„Sieht so aus, die beiden hängen ja nur noch zusammen rum. Wir kriegen sie kaum noch zusehen.“

„Das geht uns mit Peter genauso. Aber wir sind eigentlich ganz froh darüber. So ist Peter wenigstens beschäftigt. Ronny und ich, wir haben gerade viel um die Ohren, so wie alle anderen hier offensichtlich auch“, sie sah sich im Raum um. „Celia scheint ein kluges Kind zu sein. Sie war gestern Abend mit mir im Labor. Sie schien sich wirklich für alles sehr zu interessieren und hat, für ihr Alter, einige gute Fragen gestellt.“

„Ich hab davon gehört. Sie war gestern noch bei mir und ganz aufgekratzt von Ihrem Angebot. Meinen Sie nicht, dass Celia noch etwas zu jung ist, um im Labor mitzuarbeiten? Ich möchte nicht, dass sie dafür ihre Schule vernachlässigt.“

Lisa musste schlucken. Sie wusste nicht, dass Celia ihren Eltern schon davon erzählt hatte. „Wir suchen im Moment sowieso Hilfskräfte, die uns im Labor unterstützen. Celia war dabei wegen ihres Alters durchs Raster gefallen. Aber so wie sie sich gestern gegeben hat, finde ich, sollten wir ihr die Möglichkeit bieten. Natürlich werde ich auch das Okay vom Admiral einholen. Celia darf nur nach der Schule kommen und nur, wenn sie möchte. Es ist absolut freiwillig.“

Ronny war inzwischen mit dem Essen zurück.

„Also gut. Ich bin einverstanden. Celia kann mitmachen. Aber ich behalte mir das Recht vor, sie jederzeit wieder herauszunehmen.“

Lisa stimmte erfreut zu. Danach unterhielten sich Ronny und Charles noch ein bisschen, bevor der Techniker sich müde auf den Heimweg machte.

Im Labor war inzwischen erneut Hektik ausgebrochen. Nicht weil es so viel Arbeit gab, sondern weil Miss Gonzales wieder vom Krankenbett auferstanden war und jetzt herumwirbelte, als wäre nie etwas gewesen. Sergeij war schon ganz genervt und flüsterte Lisa zu: „Das war gestern so schön ruhig hier. Du hast nicht zufällig einen Holzhammer dabei?“

Lisa grinste nur. Sie nahm Adriana beiseite und redete ihr nochmals ins Gewissen. Schließlich wollte sie bei der ersten E2 Mission dabei sein.

Als nächstes stand die Festlegung eines Landeplatzes auf dem E5-Mond auf dem Programm. Sergeij hatte eine relativ ebene Fläche ausfindig gemacht. Der Größere der beiden E5-Monde hatte einen Durchmesser von etwa 1.200 Kilometern. Er schien hauptsächlich aus Metall zu bestehen, vorwiegend Eisen. Wasser gab es auf den ersten Blick keines. Die Oberfläche war sehr stark zerklüftet, wodurch die Landung nicht ganz einfach werden dürfte. Dazu kam noch eine relativ hohe Gravitation von etwa 0,4 G. Das hieß, dass der Mond eine enorme Dichte hatte.

Der Landeplatz lag etwa 100 Kilometer unterhalb des oberen Pols. Hier war auch die Chance größer, noch andere Bodenarten zu finden. Der vorausberechnete Start des Landers war auf 13:50 Uhr festgelegt.

Lisa stöhnte auf. Warum ausgerechnet dann, wenn sie ihren Kindern einen Familienausflug versprochen hatte! Das würde Peter ihr nicht so schnell verzeihen, wenn sie jetzt alles abblasen sollte oder nicht kommen könnte. Also blieb nur noch eine Möglichkeit übrig. Sie musste das Kommando Adriana und Sergeij übertragen. Eventuell konnte sie den Admiral wieder animieren, sich die Landung anzuschauen und dabei ein wachsames Auge auf Adriana zu haben.

Als nächstes machte sie einen Abstecher zu Professor Dillmann. Vielleicht hatte er inzwischen herausgefunden, warum der E6-Lander einfach so zusammenschmelzen konnte. Er saß gerade über ein paar Daten vom Mond, freute sich aber über Lisas Besuch. Er konnte noch nicht mit Sicherheit sagen, woran die Mission gescheitert war. Er vermutete, dass das Wasser nicht nur aus Sauerstoff und Wasserstoff bestand, sondern aus noch anderen hochaggressiven Substanzen. Säure schloss er aber aus. Die hätte sich im Wasser verdünnen müssen. Es musste sich also um irgendetwas Unbekanntes handeln. Immerhin erklärte das die merkwürdigen Daten, die sie schon Tage vor der Landung mit ihren Sensoren eingefangen hatten. Um Klarheit zu bekommen, brauchte Shimon Proben. Doch im Moment gab es keinerlei Bestrebungen, eine weitere Mission nach E6 zu wagen.

Ihr nächster Termin fand im Theta-Freizeitmodul statt. Captain Horrand war bereits anwesend und brütete über einem Stapel Akten. Er schaute kurz auf, als Lisa hereinkam und murmelte etwas vor sich hin, das vermutlich eine Begrüßung sein sollte. Lisa grüßte betont freundlich zurück und nahm ihm gegenüber an dem kleinen Tisch Platz.

Die erste Aufgabe bestand darin, eine Anzahl Personen festzulegen, welche die Erkundung auf Eridani-3 durchführen sollten. Das war recht einfach. Ein Shuttle bot, inklusive der beiden nachrüstbaren Notsitze, Platz für maximal sieben Personen. Zwei davon waren Pilot und Copilot. Blieben also noch fünf übrig für das Erkundungsteam. Captain Horrand empfahl, dass zwei der Plätze mit Sicherheitspersonal belegt wurden. Das hatte durchaus Sinn, denn nach bisherigen Daten sollte auf E3 Leben möglich, ja sogar wahrscheinlich sein. Es gab Wasser, Sauerstoff und die Temperaturen dürften in erträglichem Rahmen liegen. Teleskopaufnahmen zeigten, dass es außer Wasserflächen auch Landmasse mit einer grünen Oberfläche gab. Das konnten Wiesen und Wälder sein. Somit gab es sicher auch gefährliche Tiere. Ein Schutzteam war also sinnvoll.

Captain Horrand hatte sieben Mann seines Teams für geeignet eingestuft. Diese würden am Training und an der Ausbildung teilnehmen.

So blieben noch drei Plätze übrig. Ein Astronaut sollte ebenfalls dabei sein.

Lisa hatte insgesamt 17 Rückmeldungen auf ihre Rundmail bekommen, inklusive Adriana. Sie hoffte, Geologen, Biologen oder Chemiker unter ihnen zu finden, im Moment wollte sie jedoch nicht allzu wählerisch sein. Nach einer ersten Sichtung hatte sie noch neun Kandidaten in der nächsten Runde. Bei den Chemikern war Adrien Cuarré ihr Favorit. Er hatte eine gute Kondition und den nötigen Kampfgeist. Für die Biologie wäre sie selbst eine geeignete Kandidatin, das würde der Boss aber kaum genehmigen. Andreas Walters war auch nicht übel. Recht jung, sportlich und er kannte sich unheimlich gut mit Pflanzen aus. Nur bei der Geologie fehlte ihr noch ein Wunschkandidat. Sie würde mal bei Professor Dillmann nachfragen. Vielleicht kannte er jemanden, der infrage kam.

Lisa machte den Vorschlag, eine Bekleidung zu konstruieren, welche mit Gewichten bestückt werden konnte. So sollte die Schwerkraft auf E3 simuliert werden. Nur wer in der Lage war, diese Kleidung zu tragen, würde mit auf die Reise gehen dürfen.

Horrand stimmte dem zu und beauftragte Lisa, die Herstellung zu organisieren. Er selbst werde das Eta-Modul im Freizeitring räumen lassen und für die Ausbildung vorbereiten. Ein Schießtraining werde für das Sicherheitsteam im Lambda-Modul simuliert. Außerdem wollte er alle Kandidaten anschreiben und am nächsten Tag um 10 Uhr ins neue Trainingsmodul bitten. Lisa sollte möglichst auch anwesend sein.

Damit war die Besprechung beendet. „Lief doch gar nicht so schlecht“, dachte Lisa sich. Sie schaute auf die Uhr. Es war schon wieder kurz vor elf, und noch so viel zu tun.

Die Spezialkleidung bestellte sie anschließend in der Schneiderei im Gamma-Modul des Laborrings bei Carmen Garcia. Sie leitete zusammen mit ihrem Mann diese Werkstatt.

Lisa erklärte ihr, wie sie sich die Kleidung für die Gewichte vorstellte. Carmen machte ihrerseits Vorschläge und schon bald waren sie sich einig. Spätestens übermorgen sollte alles fertig sein.

Lisas nächster Weg führte sie in die Metallwerkstatt im Epsilon-Labormodul. Hier wurden in speziellen Öfen verschiedene Metalle geschmolzen und weiterverarbeitet. Sie orderte die benötigten Bleistücke in verschiedenen Größen.

Danach machte sie einen Abstecher übers Geologielabor, fand Professor Dillmann schließlich im AstroLab. Er unterhielt sich gerade mit Sergeij und Adriana über den Landeplatz auf dem E5-Mond. Lisa unterbrach sie und fragte ihn, ob er einen geeigneten Kandidaten für das Erkundungsteam aus seinem Ressort wüsste.

Er überlegte einen Moment und wollte wissen, ob sich Mike Summers beworben hatte.

Dem war nicht so, weshalb Shimon ihn wärmstens empfahl. Er kannte sich nicht nur gut in Geologie und Chemie aus, sondern war auch noch in hervorragender körperlicher Verfassung. Mehrmals die Woche trainierte er im Fitnessmodul. Außerdem litt er ein bisschen unter dem Erfolg seines Bruders Benny, der Astronaut im Gianelli-Team war. Man müsste ihn nur etwas motivieren.

Lisa bedankte sich und suchte in ihrem Büro seine Personalakte heraus. Mike lebte mit seiner Familie nahe London, bevor er bei einer Flutkatastrophe 2047 seine Eltern verlor. Aus dem Waisenhaus flüchtete er mehrmals mit seinem Bruder und geriet immer wieder wegen kleinerer Straftaten mit der örtlichen Polizei aneinander. Ein Psychologe bescheinigte wenig später eine hohe Intelligenz bei den beiden und weil sich vor allem Benny sehr für die Raumfahrt und Science Fiction interessierte, sprach dieser mit einem Freund über die Brüder. Dieser suchte im Auftrag der ESA nach jungen Kandidaten für ein geheimes Projekt.

Nur ein Jahr später waren beide Brüder für die Eridani-Mission gesetzt und fügten sich erstaunlich gut in die Crew ein.

Während Benny sich zum Astronauten ausbilden ließ, führte Mike eher ein Schattendasein, bis Professor Dillmann ihn unter seine Fittiche nahm und förderte.

Lisa war jedenfalls begeistert und sicher, einen geeigneten Kandidaten gefunden zu haben. Sie schaute erneut auf die Uhr, es war kurz vor eins. Sie ging zurück ins Labor, in dem Professor Dillmann immer noch mit Kollegen beschäftigt war und fragte ihn, ob er nicht mal mit Mike sprechen könnte.

„Das kann ich gern tun, aber wenn Sie möchten, er ist gleich dort drüben. Sie können ihm sicher besser erklären, worum es geht.“

Lisa schnaufte erschöpft, ging dennoch hinüber, während sie erneut auf die Uhr starrte.

„Hallo, Mike. Hätten Sie zufällig etwas Zeit für mich? Ich würde gern etwas mit Ihnen besprechen. Vielleicht bei einem Mittagessen?“

Er hatte zwar schon gegessen, kam aber bereitwillig mit. Er schien etwas schüchtern und wortkarg zu sein. Beim Essen erklärte Lisa ihm, dass sie noch einen guten Geologen für das Erkundungsteam E3 suchte. Professor Dillmann hatte ihn lobend empfohlen.

Mike hörte sich alles an und fragte dann mit zweifelnder Stimme: „Und Sie sind sicher, dass ich der Richtige für diese Mission bin?“

„Ich habe mir Ihre Akte angesehen. Shimon glaubt an Sie, und eine gute körperliche Kondition scheinen Sie auch zu haben. Das ist genau das, was ich brauche.“

„Soso. Genau das, was du brauchst“, sagte eine ihr bekannte Stimme mit ärgerlichem Unterton.

Lisa schreckte zusammen und drehte sich um.

Ronny stand mit in die Hüften gestemmten Armen da. „Bist du gerade auf der Suche nach Abwechslung, Schatz? Aber ich weiß schon. Es ist nicht das, wonach es sich anhört.“

Mike rutschte nervös auf seinem Stuhl herum, kurz davor, aufzuspringen und davonzulaufen.

Der böse Blick in Ronnys Gesicht wich einem schelmischen Grinsen. „Oder bist du dabei, einen flotten Dreier für uns zu organisieren?“

Jetzt setzte Lisa ihren bösen Blick auf und stieß ihm in die Seite. „Halt die Klappe und setz dich hin. Ich versuche gerade Mike zu überreden, am Training für das Erkundungsteam teilzunehmen.“

„Na, das erklärt, warum du seine gute Kondition so lobst“, lachte er und steckte damit auch Lisa an. Selbst Mike entspannte sich wieder und ließ ein schüchternes Kichern hören.

Am Ende erbat er sich jedoch noch etwas Bedenkzeit. Die Mission war schließlich nicht ganz ungefährlich.

Lisa lud ihn trotzdem am nächsten Tag um 10 Uhr ins Eta-Modul ein.

Jetzt gab es nur noch eine Aufgabe in ihrem Dienstplan. Sie musste mit dem Admiral über Celia Watson und ihre Unterstützung reden. Er war gerade im Labor und beobachtete die Landermission. Da war es besser, ihm eine Mail zu schreiben. Dann konnte er jederzeit darüber nachdenken und bei Bedarf nachfragen.

Das machte sie lieber von einem der öffentlichen Computer hier in der Cafeteria. Von ihrem Büro aus wäre die Ablenkung durch die Landermission zu groß. Beim Blick auf die Uhr war sie völlig perplex. Sie hatte noch ganze 15 Minuten Zeit, um zum Zero zu kommen. Da konnte sie ja schon fast gemütlich gehen.

Unterdessen war im Labor die Anspannung groß. Der Lander schwebte gerade noch 20 Meter über dem Boden. Die Ankerseile wurden abgefeuert, aber anstatt sich im Boden festzukrallen, prallten sie von der Oberfläche ab. Es blieb also alles an der Computersteuerung und den Düsen hängen. Wenigstens wirbelte kaum Staub auf, nur kleinere Brocken wurden beiseite geschleudert. Das Aufsetzen verlief wie im Bilderbuch und Sergeij sendete das Signal zum Aufbau der Station. Eines der Solarpaneele verklemmte sich dabei an einem Felsvorsprung, doch die Roverrampe öffnete sich normal. Die ersten Daten trafen ein. Eine Atmosphäre gab es nicht und die Temperatur lag bei minus 240 Grad, das war nur geringfügig wärmer als die Temperatur des Weltraums. Allerdings spielten auch einige der Instrumente verrückt. Das lag an der sehr hohen Eisenkonzentration im Boden.

Die obere Kamera fuhr aus und lieferte erste beeindruckende Bilder der Umgebung. Aus dem Boden ragten spitze, schwarze Nadeln teilweise mehrere Meter in die Höhe. Ein Horizont war nicht zu erkennen, weil diese ringsum die Sicht versperrten. Das Licht vom Landemodul wurde reflektiert und schien die gesamte Umgebung zu erleuchten.

Sergeij aktivierte den Bohrer des Landers. Aber schon eine Minute, nach Bodenkontakt lief er heiß. Der Untergrund musste ungeheuerlich hart sein, um einen Diamantbohrer so schnell zu zerstören.

Jetzt durfte der Rover ran. Sergeij steuerte ihn direkt unter das Modul, um den Bohrstaub aufzunehmen. Danach fuhr er in einem großen Bogen mit einem Abstand von etwa 30 Metern um den Lander herum und sammelte dabei weitere Bröckchen vom Boden auf. Aber er musste aufpassen. Immer wieder durchzogen Risse das Plateau, in denen schnell ein Rad steckenbleiben konnte.

Nachdem er etwa einen dreiviertel Kreis um den Lander geschafft hatte, waren die Probenbehälter allesamt voll. Leider immer mit demselben Material.

Admiral Morrison fragte zwischendurch, ob der Lander noch gerade stehe oder schon zu schmelzen begonnen hatte. Schnell wurde ihm klar, dass Wissenschaftler bei sowas gar keinen Spaß verstanden.

Der Rover fuhr wieder die Rampe zum Labor des Landers hoch und beförderte die Proben in die dafür vorgesehenen Behälter. Dann machte er sich erneut auf den Weg, während das Labor seine Arbeit aufnahm. Das nächste Ziel war eine der Nadeln in etwa 50 Metern Entfernung. Doch unterwegs lag nichts, was anders aussah als das, was sie schon aufgelesen hatten. An dieser Stelle schien der Mond tatsächlich nur aus einem Material zu bestehen - Eisen.

Peter raste mit ungeheurem Tempo durch den Raum. Er spürte, dass er sich dieses Mal richtig gut von der Wand abgedrückt hatte. Heute würde er seinen Vater besiegen. Dies war einer ihrer Lieblingswettkämpfe. Sie hielten sich an Griffen der Backbordwand fest und auf Kommando stießen sie sich mit aller Kraft ab. Wer als Erster das Fangnetz auf der Steuerbordseite erreichte, hatte gewonnen. Celia war die Schiedsrichterin, aber bei dem Vorsprung war sie überflüssig. Sein Erfolg würde sie sicher beeindrucken.

Kurz bevor er ins Netz einschlug, rollte er sich zu einer Kugel zusammen. Das reduzierte die Verletzungsgefahr, wobei die ohnehin nur sehr gering war.

Tatsächlich gewann er den Durchgang und stolz streckte er die Faust in die Luft. Er sah Celias Gesicht und sie lächelte erfreut. Er fühlte sich großartig. Auch Mama und Janine applaudierten vom anderen Ende des Raumes. Die ersten Runden hatten sie noch mitgemacht, aber sie waren natürlich ohne jede Chance. Dad war inzwischen auch angekommen und gratulierte ihm ehrfürchtig, indem er versuchte niederzuknien, was in der Schwerelosigkeit sehr komisch aussah. Dann flogen sie langsamer zurück und ließen sich von der gut gepolsterten Wand abbremsen. Als nächstes spielten sie in einem Netzkäfig Handball. Dabei mussten zwei Angreifer den Softball an einem Verteidiger und dem Torhüter vorbei ins Tor bringen. Das war alles andere als einfach, wenn man nur zwei feste Wände zur Verfügung hatte, an denen man sich abstoßen konnte, während man ansonsten unkontrolliert in der Schwerelosigkeit herumtrieb. Auch hier gewannen natürlich die Männer. Mama und Celia waren chancenlos, obwohl Celia einige beeindruckende Stunts hingelegt und damit auch immer mal wieder gepunktet hatte.

Janine war inzwischen müde geworden und wurde zunehmend quengelig. Und auch Lisa hatte genug für heute. Die Nutzungsdauer im Zero war ohnehin auf maximal drei Stunden pro Buchung begrenzt, damit der Raum nicht zu voll wurde. Ronny fragte Peter, ob er noch etwas mit Celia alleine unternehmen wollte und Janine bei Sandra Watson abliefern könnte. „Ich hätte da noch ein kleines Attentat auf deine Mama vor.“

Peter war erfreut, noch mehr Zeit mit Celia verbringen zu können und stimmte eilig zu.

Lisa sah ihn fragend an, doch ihr Mann lächelte nur geheimnisvoll.

Sie hatten wohl noch ein bisschen Zeit, denn er brachte sie an die Bar auf einen Drink.

„Ich hoffe, dein Attentat dauert nicht allzu lange. Ich sollte noch im Labor vorbeischauen, ob mit dem Lander alles klappt.“

„Vergiss es, Schatz. Dafür wirst du heute keine Zeit mehr haben. Und du wirst es auch nicht bereuen. Vertrau mir.“

Unsicher sah sie ihn an. Sollte sie wirklich ihren Job vernachlässigen? Verdammt, natürlich sollte sie das. Ronny war schließlich ihr Mann und sie hatten so wenig Zeit für einander. Der Lander konnte bis morgen warten. Die Familie hatte heute Abend Vorrang.

Ronny führte sie ins Gamma-Modul des Freizeitrings und sie wusste, was die Stunde geschlagen hatte. „Genau das brauchte sie jetzt“, rief sie begeistert. Hier war die Wellness-Station untergebracht und Ronny hatte einen Termin für sie beide gebucht. Ihre Vorfreude war riesig, das Labor endgültig aus dem Gedächtnis verbannt.

Nach einer Dusche legte sie sich auf die Liege und Arisa Patalung begann sanft mit der Behandlung, während ihr Mann Kwanjai sich an Ronny zu schaffen machte.

Arisa beschwerte sich schon bald. „Viel Arbeit, werden langer Abend.“

Lisa zuckte nur leicht mit den Schultern und grinste in sich hinein. Das verging ihr aber bald, als nämlich die ersten Knochen, Gelenke und Muskeln diverse Geräusche von sich gaben. Unglaublich, wieviel Kraft in so einer zierlichen Frau wie Arisa steckte. Auch von Ronnys Liege hinter dem Vorhang drangen ähnliche Geräusche herüber, gepaart mit verhaltenem Stöhnen. Vermutlich würden sich beide morgen vor Schmerzen kaum bewegen können. Andererseits genossen die Patalungs ein hohes Ansehen auf dem Schiff und Lisa und Ronny waren nicht zum ersten Mal hier. Wenn der Schmerz dann endlich nachließ, fühlten sie sich wie neu geboren.

Nach der Massage hatten sie noch etwas Zeit und verbrachten diese in der Sauna in Kombination mit einer Kältekammer. Danach gab es noch eine halbe Stunde Lichttherapie. Dabei lag man nackt auf einer Liege und hatte eine spezielle Lampe über sich, die das Licht der heimischen Sonne imitierte. Zusammen mit Musik nach eigenem Wunsch war das dann die endgültige Entspannung.

Wenn alles gut lief, würden sie die Lichttherapie schon bald nicht mehr brauchen. Dann hatten sie wieder eine echte Sonne zur Verfügung.

Zum Abendessen waren auch die Kinder wieder da. Die Watsons saßen am Tisch nebenan und so wurde es noch richtig gemütlich.

Lisas KomLink gab keinen Mucks von sich. Sie hatte es auf lautlos gestellt und wollte heute nichts mehr von der Arbeit wissen.

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