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Der lange Weg bis zum Konsul in Casablanca

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Da wir Hermann in dieser Berliner Zeit (1886 – 1888) nicht im Adressbuch finden konnten, gingen wir davon aus, dass er wieder zu Hause wohnte. Anders hätte er das Pensum am Seminar für Orientalische Sprachen kaum schaffen können.

Der Schritt der Mutter, das Haus in der Markgrafenstraße im Jahr 1875 zu verkaufen, hatte für einige Familienmitglieder, insbesondere aber für Lucie selbst, weitreichende Folgen. Der Verkauf brachte zwar einen substantiellen Erlös und sicherte die Ausbildung von Carl, Elisabeth und Hermann. Es bedeutete jedoch, dass sie zukünftig darauf angewiesen war, Wohnungen mit günstigen Mietbedingungen zu finden. Im Berlin der folgenden Jahre stiegen die Miet- und Immobilienpreise dramatisch, häufige Wohnungswechsel und Umzüge waren die zwangsläufige Folge. Lucie wohnte bei Hermanns Rückkehr nach Berlin in der Hornstraße 22 in Luisenstadt (Kreuzberg), nicht gerade nahe an Hermanns Seminar, aber Berlin im Jahr 1888 war mit 1,45 Mio. Einwohnern noch überschaubar. Die Hornstraße war auch die Adresse, die Hermann bei seiner Immatrikulation in Berlin angab.

Wir wissen nicht, was Hermann bewogen hat, sich ausgerechnet für das marokkanische Arabisch zu entscheiden, aber wir denken, dass der Entschluss, nach Marokko zu gehen, bereits bei Aufnahme des Sprachstudiums festgestanden haben muss. Er brauchte schließlich, da er sich in der Referendarzeit befand, eine Befreiung von anderen Dienstpflichten, um überhaupt an diesem Intensiv-Unterricht teilnehmen zu können. Es gibt ein von Elisabeth Lüderitz gemaltes Bild des Familienrates aus dem Jahre 1888, das offenbar diese Entscheidungssituation zeigt und die unterschiedlichen Einschätzungen der Beteiligten wiederzugeben scheint (–> Titelbild)

Hermann Lüderitz wurde Ende 1889 auf seinen Wunsch hin von der Ministerresidentur in Tanger als Dragomanats-Eleve – als „Dolmetscher-Lehrling“ – übernommen. Mit seiner doppelten Ausbildung war er für diese Aufgabe bestens qualifiziert, da er sich als Dragoman und später als Konsul nicht nur mit den marokkanischen Behörden auseinandersetzen musste, sondern weil er auch den Vorsitz im Konsulargericht hatte, das Zivil- und Strafsachen verhandelte. Das betraf nicht nur Konflikte innerhalb der deutschen Kolonie, sondern die Europäer genossen in Marokko das Privileg, dass auch bei Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Deutschen bzw. einem deutschen Schutzgenossen und einem Marokkaner das deutsche Konsulargericht zuständig war.

Drei Jahre später war Hermann allerdings noch immer nicht in einem festen Amt. Er unterstand weiterhin dem preußischen Justizministerium, das ihn für den Dienst im Auswärtigen Amt stets aufs Neue beurlauben musste.

Im Februar 1893 wandte er sich in einem Privatbrief an einen nicht näher bekannten Geheimrat im Auswärtigen Amt, um diesem „meine Sorge um meine Zukunft, um meine Karriere“ zu unterbreiten. Da der syrische Dragoman Melhameh die Stelle blockierte, war Lüderitz nur „als diätarisch angestellter Beamter“ außerplanmäßig beschäftigt, „ohne jede Aussicht auf feste Anstellung“ im auswärtigen Dienst. Er habe die „sichere, wenn auch langsame Karriere“ im preußischen Justizdienst aufgegeben und bat den Adressaten des Schreibens, dafür zu sorgen, dass die „quälende Ungewißheit“ und die daraus entstehende Unzufriedenheit zu einem Ende kommen möge. Die Bitte hatte offenbar insofern einen gewissen Erfolg, als ihm nur einen Monat später, am 7. März 1893, der „Titel eines zweiten Dragomans beigelegt“ wurde.

Dass er das marokkanische Arabisch sehr gut beherrschte, zeigt auch das folgende Beispiel: Im Gegensatz zu manchen seiner Kollegen, die sich mit Fragen des marokkanischen Rechts befassten und darüber auch promovierten, veröffentlichte er 1899 in den „Mittheilungen des Seminars für Orientalische Sprachen“ einen Beitrag zu „Sprüchwörtern aus Marokko mit Erläuterungen im Dialekt des nördlichen Marokko“ (4), mit dem sich Georg Kampffmeyer, einer der führenden Arabisten seiner Zeit und seit 1906 Dozent am Seminar für Orientalische Sprachen, in der gleichen Zeitschrift recht kritisch auseinandersetzte (5). Im selben Heft aus dem Jahre 1899, in dem der Lüderitz-Artikel erschien, findet sich jedoch ein kritisch-lobender Kommentar eines weiteren Experten (6). Dies spricht für mehr als ein rein technisches Interesse an Sprachkompetenz in einem fremden Land. Hier kam möglicherweise das musisch-künstlerisch-kulturelle Interesse der Familie Lüderitz zum Tragen.

Die Familie Lüderitz

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