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Kindheit und Jugend

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Albert wurde am 18. September 1850 in Berlin-Friedrichstadt geboren. Seine Taufe fand am 30. Oktober 1850 in der Jerusalemkirche statt. Seine Taufpaten waren (unter anderem) die Großmutter väterlicherseits, Dorothea Lüderitz, die Großmutter mütterlicherseits, Catharina Neider, sowie der Bruder des Vaters, Kaufmann Theobald Lüderitz aus Stettin, und ein Albert Doussin, Rendant (Rechnungsführer).

Die Familie wohnte in dem Haus, das der Familie Lüderitz seit etwa 1820 gehörte – das Eckhaus Markgrafenstraße 74 / Zimmerstraße 31. Wenn man diese Adresse im heutigen Berlin sucht, findet man dort nur neuerbaute Geschäftshäuser, weil dieser Teil von Berlin am Ende des Zweiten Weltkrieges durch Bombardierung weitgehend zerstört wurde. Einige der verbliebenen Häuser wurden dann von der DDR geräumt und gesprengt, um Platz für den Mauerbau 1961 und den Grenzstreifen zwischen Ost und West zu schaffen: Die Mauer verlief entlang der Zimmerstraße.

Von den vier Ecken der Kreuzung Markgrafenstraße / Zimmerstraße war es die südwestliche Ecke, an der das Haus stand. Es stammte aus der barocken Erstbebauung der Friedrichstadt um 1776, der großen Erweiterung der alten Doppelstadt Berlin-Cölln (1).

Albert ging zur Realschule in der Friedrichstadt, Teil des Schulkomplexes Kochstraße / Ecke Friedrichstraße. Die Realschule wurde 1859 zur Realschule 1. Ordnung und blieb, wie auch die Mädchenschule, die später Elisabeth-Schule genannt wurde, unter gemeinsamer Leitung im gleichen Gebäudekomplex wie das 1811 gegründete Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, an dem seine beiden Brüder einige Jahre später das Abitur ablegten. 1882 wurde die Realschule in Realgymnasium umbenannt und trug seitdem den Namen „Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium“. Aber zu diesem Zeitpunkt war Albert bereits berufstätig.

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In der Veröffentlichung „Vollständiges Archiv aller Verordnungen, Verfügungen, Polizei-Gesetze und Bestimmungen, welche auf die bürgerlichen Verhältnisse und das Geschäftsleben der Einwohner des Preußischen Staats Bezug haben“ (2) aus dem Jahre 1839 wird das Gewerbe der Materialisten und Drogisten näher erläutert. Danach durfte der Materialist und Drogist manche Arzneimittel in beliebigem Umfang verkaufen, andere wiederum nur in größeren Quantitäten („en gros et en detail“) und nur an Apotheker. Bei den auch in kleinen Mengen verkäuflichen Waren handelte es sich um Gegenstände des täglichen Lebens, aber auch um Dinge, die man heute noch in einer Drogerie findet. Nur „en gros“ durften Produkte verkauft werden, die für die Herstellung von Arzneimitteln in der Apotheke notwendig waren oder gefährlich oder einer besonderen Steuer unterlagen.

Um 1810, als Alberts Großvater Carl Friedrich Ferdinand das Geschäft aufbaute, gab es in Berlin etwa 450 „Materialhändler“, zehn Jahre später waren es 530, neben 420 Tuch- und Seidenhändlern und 51 weiteren Kaufleuten, die 1820 die Korporation der Kaufleute zu Berlin bildeten. Im Jahr 1846, als Alberts Vater starb, waren es schon etwa 1200 Kaufleute, zehn Jahre später über 2000.

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Seit 1832 galten Abschlüsse der Realschule als Zugangsberechtigung für die mittlere Verwaltungslaufbahn. Diese sogenannte „Mittlere Reife“ hieß auch „das Einjährige“, weil junge Männer mit diesem Bildungsabschluss statt des normalen dreijährigen Wehrdienstes nur ein Jahr auf freiwilliger Basis dienen mussten. Wir wissen aber, dass er 1868 am Ende der Untersekunda, also vermutlich mit der Mittleren Reife, von der Realschule abging und „in den Kaufmannsstand“ trat. Wo er dann seine Kaufmannslehre absolvierte und in welchem Bereich, wissen wir leider nicht. Sein Vater und sein Großvater waren Kaufleute (Materialisten) und der Vater hatte ein Geschäft im eigenen Haus – C. A. Lüderitz Cp, Materialwaren –, in dem vermutlich vor allem Drogeriewaren verkauft wurden. 1865 firmierte Carl Adolph Lüderitz am Wohnsitz als Rentier, was bedeuten könnte, dass er das Geschäft vorzeitig aufgegeben hat. Er starb ein Jahr später im Alter von nur 50 Jahren.

Da Albert erst 16 Jahre alt war, als sein Vater starb, könnte man spekulieren, ob es überhaupt geplant gewesen war, dass er das Geschäft weiterführt. Aber nach dem Tod seines Vaters 1866 wurde seine Mutter Lucie im Adressbuch als Eigentümerin des Hauses und Rentiere eingetragen, was heißt, dass sie ein Teil der Räume vermietet hat, darunter wohl auch den Laden: Von 1870 bis 1877 betrieb der Kaufmann O. Klaunick in der Markgrafenstraße 74 ein Kolonial-, Butter- und Weingeschäft. Albert war 25 Jahre alt, als das Haus 1875 an den Bäcker Schnell verkauft wurde, der in der Kochstraße 48, also um die Ecke wohnte.

Über die Gründe für den Hausverkauf haben wir bereits spekuliert, kommen aber darauf noch einmal zurück: Finanzierung der Ausbildung der drei jüngeren Kinder Carl, Elisabeth und Hermann, die es offensichtlich einmal besser haben sollten als die Eltern, Studium der beiden Jungen und Kunstausbildung für das Mädchen. In der Konsequenz zog die Familie 1876 um, blieb aber in der Nähe – in der Markgrafenstraße 62 – wohnen.

Albert verschwand für einige Zeit aus unserem Blickfeld. Mit Sicherheit musste er nach der Schule zum Militär (vermutlich ein Jahr) und hat anschließend eine Kaufmannslehre (drei Jahre oder auch fünf wie sein Vater) absolviert. Erst 1878 (jetzt 28 Jahre alt) tauchte er als fertiger Kaufmann wieder auf. Wir haben allerdings nicht ermitteln können, wo er gearbeitet hat, und wir haben auch kein Geschäft unter seinem Namen gefunden, möglicherweise war er angestellt.

Was dann passierte, hat uns erstaunt. In rascher Folge fand sich die Familie Lüderitz an unterschiedlichen Adressen wieder: Lucie Lüderitz wohnte 1877 in der Alten Jakobstraße 120, ab 1878 in der Alten Jakobstraße 125, 1881 bis 1885 in der Trebbinerstraße 14, 1886 bis 1888 in der Hornstraße 22, 1889 bis 1892 in der Großbeerenstraße 83, 1893 in der Kleinbeerenstraße 20, 1894 und 1895 wieder in der Trebbinerstraße 11. Dann zog sie in die Nähe von Albert nach Berlin-Friedenau und war 1896 in der Wielandstraße 32, 1897 und 1898 in der Ringstraße 56 und 1899 und 1900 in der Fregestraße 62 gemeldet. Dort verstarb sie am 8. September 1900.

Eine Erklärung für die zahlreichen Umzüge ist die Zusammensetzung der Familie: Carl Lüderitz ging 1874 nach Jena zum Medizinstudium, kam aber 1882 wieder nach Berlin und wohnte in diesem Jahr bei der Familie in der Trebbinerstraße 14. Hermann Lüderitz ging nach dem Abitur 1884 zum Studium nach Heidelberg, kam 1888 zurück und wohnte bei der Familie in der Hornstraße 22, bevor er ein Jahr später nach Marokko ging. Elisabeth, die Malerin, scheint die meiste Zeit in der Familienwohnung ihr Atelier gehabt zu haben, malte aber 1885 in einem Gemeinschaftsatelier in der Schönebergerstraße 25; sie heiratete 1891 den Rechtsanwalt Rudolf Poppe und zog in einen anderen Berliner Bezirk. Und der Kaufmann Albert Lüderitz verschwand erneut für einige Zeit (1887 – 1889) aus dem Adressbuch, um 1890 als Kaiserlicher Bankbuchhalter und seit 1888 bei der Reichsbank beschäftigt wiederaufzutauchen. Er heiratete 1892 und zog nach Berlin-Friedenau.

Die Familie Lüderitz

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