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Einleitung

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Am Abend und am Morgen ist der Himmel rot. Am Abend und am Morgen ist die Luft kühler als am Tag, singen die Vögel heller, ist der Wald frischer, ist die Welt freundlicher. So auch in den Morgenstunden und in der Abendzeit des einen flüchtigen Tages, der das Menschenleben heisst. Abend und Morgen sind einander näher verwandt als dem Tage. Ihr Gemeinsames ist, dass der Mensch an seinem Morgen in ein Leben hineinwächst, das ihm noch fremd ist, und am Abend langsam einem anderen Leben sich naht, das er nicht kennt. Kinder bleiben wir immer, weil wir immer neu werden müssen.

In den Jahren meiner Wanderung bin ich oft nach meinem alten Kinderlande zurückgekehrt, manchmal nur von den Hügeln der Erinnerung aus in sehnsüchtiger Schau, öfter aber auch, indem ich nach Hause fuhr, die alte Strasse entlang wanderte und in alle Seitengässchen ging, bei Vater und Mutter einkehrte und bei alten Freunden. Sonntags hörte ich in der Kirche die alten Lieder, und wenn ich über den Friedhof wanderte, stand auf jeder Grabtafel ein Name, den ich kannte. Niemals versäumte ich, über die Felder zu gehen, ich wusste ja von der kleinsten Parzelle, wem sie gehörte und wie es um ihre Ertragsfähigkeit stand. Der Dorfjunge ist in mir so lebendig geblieben, dass ich noch jetzt immer um das Wetter bange, ob es auch im Frühjahr nicht zuviel Trockenheit, im Sommer nicht zu viel Regen, im Winter genügend Schnee bringe. Ich bin meiner Kinderheimat treu verbunden geblieben, habe nichts von ihrer Art, Sprache, Gewohnheit, ihren Mühen und Freuden aus den Augen verloren. Ich war Dorfjunge so durch und durch, dass ich wohl Dorfjungengeschichten schreiben konnte. Sie sind im Laufe vieler Jahre entstanden, in meinen Büchern verstreut und erscheinen hier zum ersten Male gesammelt. Ein paar Stücke, die noch nicht in meinen Büchern stehen, sind dazu gekommen.

Möge es dem „Dorfjungen“ gut gehen! Ich denke, man wird zugeben, dass er ein gesunder Bursche ist, manchmal ein bisschen frech und voll spitzbübischer Schelmerei; aber das gehört dazu. Die Jungen sollen erkennen, wie sie sind, die Alten, wie sie waren. Ein leichter Morgenwind fährt durch alle Jugend; wem er aber in der Schwüle der Not oder durch lieblose Art der Erzieher erstarb, der ist bitter zu beklagen.

Ich war einmal ein armer, aber herzfröhlicher Dorfjunge, dafür danke ich Gott und allen denen, die mir meine Kindheit so liebevoll und verständig betreuten.

Breslau, im Juli 1925.

Paul Keller.

Dorfjunge

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