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Zwei Zusammenstösse.

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Zweimal aber hat mich mein Grossvater auch geschlagen. Es war in jedem Falle zwar nur um eine Ohrfeige zu tun, aber jede dieser Ohrfeigen war von geradezu elementarer Gewalt. In beiden Fällen handelte es sich um verbotenes Lachen.

Wenn man einem Menschen verbietet, zu lachen, so lacht er. Sag bloss einem mit richtigem Ernst: „Dass du jetzt ja nicht lachst,“ dann wird er lachen, auch ohne, dass etwas zu belachen da ist. Ich war einmal bei einem Begräbnis, das an sich traurig genug war. Der Prediger wurde von einer aufdringlichen Wespe bedrängt, die es auf seine Nase abgesehen hatte. Der Geistliche schlug mit der Hand, fuchelte mit seinem Taschentuche und machte dadurch das Tier immer erboster. So ging Angriff und Abwehr eine Weile, bis plötzlich einer der Begräbnisteilnehmer ausplatzte. Und nun lachte die ganze Gesellschaft, die um das Grab stand.

Ist es etwas Lächerliches, wenn sich ein Mensch gegen ein zudringliches Insekt wehrt? Es wurde nur gelacht, weil das Lachen durch die Sachlage verboten war. Diese allgemeinen Bemerkungen sollen dazu dienen, meine Vergehen gegen meinen Grossvater in einem milderen Lichte erscheinen zu lassen.

Der erste Fall ereignete sich folgendermassen: Der Grossvater hatte auf unserer Aue einen Baum ausgerodet. Aber da steckte in der Erde noch eine Wurzel, diese wollte er heraushaben. Ich sah zu. Er zog also aus Leibeskräften an der Wurzel, so dass sein Gesicht blaurot wurde und die Adern an Schläfen und Hals dick anschwollen. Ich dachte gerade mit einem unangenehm angenehmen Gruseln: Jetzt wird ihn wahrscheinlich der Schlag rühren, da geschah etwas ganz anderes. Die Wurzel riss in der Erde ab, und der Grossvater schlug nach hinten einen geradezu erstaunlichen Kobolz. Ich schrie vor Vergnügen und klatschte Beifall. Da sprang der Grossvater blitzschnell auf; ich geriet plötzlich aus der vertikalen Stellung in die horizontale, schlichter ausgedrückt, ich flog auf den Rücken, und da lag ich denn in einem gewissen Dämmerzustande neben der entwurzelten Wurzel. — — —

Im zweiten Falle war meine Cousine Bertha schuld. Bertha besass trotz ihrer elf Jahre noch keinen richtigen Lebensernst, auch hatte sie keine kritischen Fähigkeiten, wie sie literarischen Kindern von heute eigen sind. Bertha war ein kindisches Ding, das sich einfach seines Lebens freute, und sie lachte viel, am öftesten aber über mich.

Einmal beim Mittagessen fragte ich sie leise, ob sie wohl wisse, warum die Haare, die der Hase an seiner Schnauze habe, „Spürhaare“ hiessen. Die Worte „Hase“ und „Schnauze“ hatten sie schon mächtig zum Lachen gereizt, bei „Spürhaare“ platzte sie aus. Da schlug der Grossvater der an meiner anderen Seite sass, mit zwei harten Bauernfingern auf die Tischkante und wiederholte das schon oft gegebene Verbot: „Beim Essen wird nicht gelacht!“ Das Essen hielt der Grossvater für eine ernste und wichtige Sache, weil da die Quelle der Arbeitskraft ist. Ich merkte, wie es in meiner Cousine wegen der Spürhaare rumorte, und da verführte mich ein böser Kobold, ihr die Lösung zuzutuscheln: „Wenn man ihn daran zieht, da spürt er’s!“ Ich weiss bloss noch, dass Bertha die Suppe über den Tisch prustete, und dann lag ich in einem entfernten Stubenwinkel. Unser Hund kam, betrachtete nachdenklichen Angesichts diesen Fall, beschnupperte meine Herzgrube und mein Gesicht, stellte fest, dass ich noch am Leben sei und meldete schwanzwedelnd diesen Befund bei Tische. Für diese ärztliche Bemühung erhielt er als Honorar einen Knochen.

Das waren die beiden Fälle, wo es in des Wortes wahrster Bedeutung zwischen dem Grossvater und mir zu Zusammenstössen kam. Sie waren für mich unerwartet, heftig und schmerzhaft, haben aber unser gutes Einvernehmen nur ganz vorübergehend gestört. Nach dem ersten Falle war ich auf den Grossvater drei Tage lang „böse“, beim zweiten nur zwei.

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