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Das Augenmittel.

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Als Johann Keller etwas über 50 Jahre alt war, glaubte er, jetzt müsse er wohl eine Brille haben. Zu uns kamen öfters Handelsfrauen, die führten drei Artikel: Erstens Jerusalemer Balsam. Ich glaube der Jerusalemer Balsam wurde damals in Neisse gemacht. Er half für „böse“ Finger und so. Den Balsam kauften wir auf Vorrat. Zweitens Patent-Seife. Davon gingen die Sommersprossen und alle Hautpusteln weg. Die Seife kauften wir nicht, dieweil wir nichts derartiges Aussätziges hatten. Drittens Brillen. Es hiess, sie seien aus Rathenow, der grössten Brillenstadt der Welt. Das Gestell war aus Draht, die Linsen waren aus Glas. Jedweder konnte alles ausprobieren und aussuchen, was für ihn „passte“. Meine Grossmutter, die äusserst sparsam war, kaufte sich eine solche Brille. Johann aber sagte zur Handelsfrau: „Glauben Sie, ich wolle mir meine hübschen Augen verderben?“ Die Händlerin lachte leise über die „hübschen Augen“, die Grossmutter lachte laut. Das war das einzige Mal, da ich sie lachen hörte. Aber Johann fuhr fort: „Ich geh zum Doktor nach Schweidnitz und lasse meine Augen nachsehen.“ Die Grossmutter hielt das für sündhaften Hochmut.

Der Doktor in Schweidnitz war ein ziemlich grober Mann. Er sah sich den Bauern an und sagte: „Brille? Quatsch! Kaufen Sie sich lieber eine Schnupftabakdose. Da brauchen Sie keine Brille!“ So wurde anno l868 ordiniert.

Der Grossvater kaufte sich eine Dose und schnupfte zum grossen Ärger seiner Christiane ganz mächtig. Und er blieb tatsächlich scharfsichtig bis zu seinem 72. Lebensjahre. Dann erst musste eine Brille heran. Der Grossvater pries den Schweidnitzer Doktor als den grössten Augenarzt aller Zeiten bis an sein Ende.

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