Читать книгу Im Dunkel der Tod - Penelope Williamson - Страница 10
Sechstes Kapitel
ОглавлениеDie Küchentür des Pfarrhauses wurde von einem Spalier mit rosa Kletterrosen eingerahmt. Fio wartete auf dem Vorplatz, in jeder Hand eine Milchflasche.
»Drinnen ist schon jemand und macht Frühstück«, sagte er. Er hatte sich eine Rose an die Hutkrempe gesteckt. »Vielleicht hat derjenige, der das pain perdu brät, das ich gerade rieche, auch Kaffee gekocht, dann hätte er sicher gern etwas von der schönen frischen Milch. Das nennt man doch deduktive Schlussfolgerung, nicht wahr? Das machen Detektive doch, was, Partner? Wir deduzieren dauernd.« Sein breites Grinsen wanderte zu dem Priester, der hinter Rourke stand. »Sagen Sie, haben Sie zufällig einen Bruder, der Cop ist?«
Paulies Blick zuckte nervös zwischen den beiden Ermittlern hin und her. »Um Himmels willen, Day, was ist denn nur los?«
»Gehen wir rein«, sagte Rourke, öffnete die Fliegendrahttür und ließ seinem Bruder den Vortritt. »Ich könnte eine Tasse Kaffee gebrauchen.«
Die Küche des Pfarrhauses war groß und hell, die Fenster mit den gelben Chintz-Vorhängen gingen auf einen Garten hinaus. Es roch gut nach frischem Zichorienkaffee, gekochter Milch und dem zimtgewürzten Teig, in den das Brot getaucht war, das auf dem Herd briet.
Ein Priester saß mit aufgestützten Ellbogen an einem polierten Eichentisch, vor sich eine dampfende Tasse Milchkaffee. Er hatte den Kopf in den Händen vergraben. »Ich nehme an, du hast auch schlecht geschlafen«, sagte er, ohne aufzublicken.
»Father«, sagte Paulie ein wenig zu laut, »die Polizei ist hier.«
Der andere Priester fuhr hoch, und Rourke erkannte das Entsetzen in seinen Augen. Entsetzen und lähmende Furcht.
Father Frank Ghilotti trug eine dicke Brille und hatte große, leicht vorstehende Zähne. Sein krauses dunkles Haar war mit Wasser an den Kopf gekleistert. Seine olivbraune Haut wirkte wie frisch geschrubbt, als wäre er gerade erst aus dem Bad oder der Dusche gekommen.
Father Ghilotti war Pastor der Kirche Unserer Lieben Frau vom Heiligen Rosenkranz und als solcher das Oberhaupt aller Geistlichen seiner Pfarre. Rourke war ihm vor etwa einem Monat kurz begegnet, als er in Paulies Gottesdienst gekommen war, nachdem man ihn zum Hilfspastor der Pfarre ernannt hatte. In New Orleans gingen Familie und Verbindungen über alles, und Father Frank Ghilotti hatte ganz eigene Verbindungen. Er war der einzige Sohn des Anführers der Wäscherei-Mafia.
Und er war in einer Welt aufgewachsen, in der sich hinter glänzendem Reichtum und glänzender Macht die Härte der Straße verbarg. Diese Härte blitzte nun auf, als er sich zusammenriss und mit ausgestreckter Hand aufstand. »Detective Rourke. Ihr früher Besuch kann nur schlimme Nachrichten bedeuten.«
Er sah zu Paulie hinüber, es schien eine stumme Verständigung zwischen dem Pastor und seinem Assistenten zu geben. O Gott, dachte Rourke.
»Ich weiß nicht, worum es geht«, meinte Paulie, wobei seine Stimme noch immer hoch und schrill klang. Sein Gesicht war rot gefleckt, Schweißtropfen schimmerten an den Schläfen. »Sie haben mir nichts gesagt.«
»Ich fürchte, wir haben schlechte Nachrichten für Sie beide, Father«, erklärte Rourke. »Heute Morgen gegen zwei wurde Father Patrick Walsh tot in einer leer stehenden Makkaroni-Fabrik im French Quarter aufgefunden.«
Paulie stieß einen Schrei aus und taumelte nach hinten, sackte auf einen Stuhl und prallte dabei so fest gegen den Tisch, dass der Milchkaffee aus Ghilottis vergessener Tasse schwappte. Das Brot auf dem Herd begann allmählich zu qualmen.
Father Ghilotti war bleich vor Entsetzen, doch diesmal schien seine Reaktion in purer Überraschung zu wurzeln. In den weit geöffneten Augen hinter den dicken Brillengläsern las Rourke eine gewisse Wachsamkeit. Eine Wachsamkeit und einen raschen, berechnenden Verstand.
»Aber das verstehe ich nicht. Was hat er mitten in der Nacht an solch einem Ort gewollt?«
»Wir hatten gehofft, es von Ihnen zu erfahren.«
»Na ja, das werden Sie nicht. Ich habe nämlich nicht die geringste Ahnung.«
Rourkes Blick wanderte wieder zu seinem Bruder. Paulie starrte auf den Tisch, das Gesicht tränennass, die Hände vor sich zu Fäusten geballt. Wie steht es mit dir, Paulie? Hast du eine Ahnung?
»Waren Sie die ganze Nacht im Pfarrhaus, Father?«, fragte Fio. Er hatte die Milchflaschen auf das Abtropfbrett an der Spüle gestellt und sich mit verschränkten Armen dagegen gelehnt. Er schien die ganze Küche auszufüllen.
Father Ghilotti sah ihn an und machte dann eine seltsam abrupte Bewegung mit den Schultern, bevor er sich zum Herd wandte. »Mein Frühstück brennt an.« Er wollte mit der bloßen Hand nach dem Griff der Pfanne langen, zog sie im letzten Moment zurück und nahm ein gefaltetes Geschirrtuch zu Hilfe. Er wischte sich die Hände sorgfältig daran ab, bevor er sich wieder zu ihnen umdrehte.
»Gestern Abend waren wir alle bei verschiedenen Familien in der Gemeinde eingeladen«, sagte er schließlich. »Wir haben noch darüber gescherzt, dass unsere Beliebtheit uns mästen und der Kirche Geld für die Verpflegung sparen würde. Ich habe danach noch mit meinem Gastgeber Schach gespielt und bin spät nach Hause gekommen. Alle anderen waren schon im Bett.«
»Auch Father Pat?«, fragte Fio.
»Ich habe nicht nachgesehen, falls Sie das meinen. Ich bin Pastor, kein Aufpasser.«
Rourke erwartete, dass sein Bruder von seiner Einladung erzählen würde, doch Paulie starrte nur auf seine Fäuste, lief innerlich weg, wie er es immer tat, wenn etwas Schlimmes passierte.
An einem Sonntag, bevor Paulie auszog und ins Priesterseminar eintrat, hatte er seinen Lieblingspriester aus St. Alphonsus zum Abendessen eingeladen und es irgendwie geschafft, ihrem Vater das Versprechen abzunehmen, den Abend über nüchtern zu bleiben. Rourke hatte seinen großen Bruder für einen Trottel gehalten, der nicht erkannte, dass dieser Wunsch sinnlos war. Mike Rourke gehörte zu jenen Cops, die sich nur mit Fäusten und Stolz bewaffnet in eine Kneipenschlägerei stürzen konnten, hatte aber dennoch sein Leben lang Angst gehabt. Im Rückblick glaubte Rourke, dass ihr Vater die Einsamkeit nicht ertragen konnte, die er tief in sich trug. Der Fusel hatte diese Einsamkeit nicht ganz vertreiben können, ihr aber die Schärfe genommen.
Am schlimmsten war es, wenn der Tag sich neigte und die hohle, leere Nacht vor ihm lag. Zuerst schlang er die zitternden Hände um ein volles Glas, eine frisch geöffnete Flasche neben sich, am Ende lag er mit dem Kopf auf dem Tisch, und die Spucke gerann zu einem Teich unter seinem Mund. An diesem Abend aber war Mike Rourke nüchtern zum Essen erschienen, worüber er selbst wohl am meisten staunte. Er trug seinen guten Anzug, der den Hochzeiten, Taufen und Totenwachen in der Nachbarschaft vorbehalten war. Der Anzug war oft getragen, da im harten Irishchannel viel geboren und gestorben wurde.
Die Leute aus der Gegend wussten die Ironie der Situation zu schätzen, denn der Priester, den Paulie zum Abendessen eingeladen hatte, trank im Stillen selber und war mindestens ein ebenso großer Säufer wie Mike Rourke. Father Josey O’Connor hatte er geheißen, und er hatte seine eigene Flasche mitgebracht. Es dauerte nicht lange, da begannen Cop und Priester die große Sause. Zuerst waren sie fröhlich, dann übellaunig, am Ende kam die Gewalt. Um ein Uhr morgens standen sie im Vorgarten und schwangen die Fäuste. Die Nachbarn hatten sich prächtig amüsiert, doch Paulie hatte mit dem Gesicht zur Wand im Bett gelegen und sich drei Tage lang nicht von der Stelle gerührt. War innerlich weggelaufen.
Rourke schaute auf den gesenkten Kopf seines Bruders hinunter und entdeckte, dass sich das einst dichte braune Haar lichtete. Doch da war noch immer die vertraute halbmondförmige Narbe an der rechten Schläfe, die er sich beim Sturz von einem Pier zugezogen hatte. Plötzlich sehnte Rourke sich nach seinem Bruder, als wären die Demütigung und Enttäuschung jenes längst vergangenen Abends noch frisch.
Fio richtete sich auf, schien den Raum noch mehr zu füllen. »Bei welcher Familie hat Father Pat gestern Abend gegessen?«
Father Ghilotti zog die Schultern hoch und wippte hin und her, als wäre sein erster Impuls gewesen, Fio mit geballten Fäusten entgegenzutreten. »Bei Albert Payne Layton und seiner Frau«, sagte er mit scharfer Stimme. »Mr. Layton ist der Finanzberater unserer Pfarre, und Floriane de Lassus Layton ist die Vorsitzende unserer kirchlichen Wohltätigkeitsorganisationen.«
Rourke kannte die Laytons. Er hatte flüchtigen Kontakt zu der Familie gehabt, als er im Frühjahr den Fall eines jungen schwarzen Schornsteinfegers namens Titus Dupre untersucht hatte, den man beschuldigte, eine sechzehnjährige Weiße vergewaltigt und ermordet zu haben und an dem Verschwinden eines weiteren Mädchens beteiligt zu sein. Della, die Tochter der Laytons, war eine Klassenkameradin der Opfer, und Rourke hatte sie kurz in der St. Francis of Assisi Academy of Girls befragt.
»Falls er danach noch einen Termin hatte«, sagte Ghilotti, »müsste er in seinem Kalender stehen, und der liegt oben in seinem Schlafzimmer. Ich hole ihn.«
»Nein, das machen wir selbst.«
Im Schlafzimmer roch es nach Zigaretten.
Dies war allerdings das einzige Laster, auf das Father Patrick Walshs wenige persönliche Besitztümer schließen ließen. Das Zimmer selbst war karg möbliert, es gab nur ein weiß gestrichenes Bett und eine Kommode aus Kiefernholz mit einem passenden kleinen Rollsekretär. Der einzige Komfort war ein elektrischer Ventilator.
In einer Ecke stand ein Betpult, darüber hing ein Bild vom blutenden Heiligen Herzen Jesu. Rourke sah, dass kein Kissen auf der Kniebank lag, was das Knien unbequem, wenn nicht sogar schmerzhaft machte. Ein Akt der Buße im Gebet.
Auf der Kommode lagen Kamm und Bürste aus imitiertem Schildpatt, aber ohne passenden Spiegel. Im ganzen Zimmer gab es keinen Spiegel. An den Wänden hing nichts außer dem Herzbild und einem Holzkruzifix über dem Bett. Auch gab es keine gerahmten Fotos oder Spuren eines Lebens vor dem Priestersein.
Rourke schlug die Bettdecke zurück. Die Laken waren aus rauer, faseriger Baumwolle, und die Matratze war nicht mehr als eine dünne Auflage auf einem dicken Brett.
»Er hat wie ein Mönch gelebt«, sagte Rourke.
»Was hattest du denn erwartet? Ein Hollywood-Boudoir?« Fio überflog die Titel der Bücher in dem Regal, das über dem Schreibtisch hing. Er nahm eins heraus und las: »Thomas von Aquin.« Er schüttelte es, um zu sehen, ob etwas herausfiel.
»Dabei war er ein Gemeindepriester«, sagte Rourke. »Sie schwören Gehorsam und Keuschheit, aber keine Armut. Und die Kirche stellt nicht nur Kost und Logis, sondern zahlt auch ein Gehalt. Wofür hat Father Walsh sein Geld ausgegeben?«
Fio stellte das Buch wieder ins Regal. »Vielleicht hat er auf Pferde gewettet. Oder er hielt sich irgendwo eine Geliebte oder ein Jüngelchen. Wäre ja nicht das erste Mal.«
Auf dem Nachttisch lagen neben einer Leselampe eine Bibel und ein Brevier. In der einzigen Schublade fanden sich Zigarettenschachteln, Streichhölzer, ein Bleistift und ein billiger Spiralblock, auf dem der tote Priester Gedankenfragmente und Ideen für künftige Predigten notiert hatte. Rourke steckte ihn ein.
Die Kommodenschubladen enthielten Kleidung, und in der obersten fand Rourke auch den gesuchten Terminkalender. Er war in grünes Prägeleder gebunden, die Seiten waren mit Goldschnitt versehen – ein überraschend teures Stück, das so gar nicht zu der spartanischen Einrichtung des Zimmers passte.
Rourke blätterte ihn durch. Father Walsh war sehr beschäftigt gewesen, so beschäftigt, dass er in seinem Kalender jeden Nachmittag um zwei eine Stunde fürs Gebet vorgemerkt hatte. In einem alphabetischen Register am Ende drängten sich Namen, Telefonnummern und Adressen.
Rourke blätterte zum gestrigen Tag. Der letzte Eintrag für die Zeit von sieben bis zehn Uhr abends bestand in dem hingekritzelten Wort Flo. Nicht Floriane de Lassus Layton oder Mrs. Layton, nur Flo. Rourke fiel auf, dass die anderen Einträge an diesem Tag fein säuberlich verzeichnet waren, ganz anders als das schwungvolle »Flo«, das ein aufgeregter, glücklicher Mensch geschrieben zu haben schien. Vielleicht, dachte er und lächelte über seine eigene Phantasie, hatte er es auch nur eilig gehabt.
Da das Buch nicht in seine Tasche passte, klemmte er es unter den Arm. »Sonst noch was?«, fragte er Fio, der den kleinen Rollsekretär durchsucht hatte.
»Nur das Übliche. Quittungen und Ähnliches. Und viele Briefe von Leuten, die sein Buch gelesen haben. ›Lieber Father Pat, Sie haben mein Leben verändert‹ und so weiter.«
»Die nehmen wir auch mit. Vielleicht hat sich ja ein Leben zum Schlechten verändert.«
Rourke wollte schon zur Tür gehen, blieb dann aber stehen und warf einen genaueren Blick auf das Kruzifix über dem Bett. Die winzigen Messingnägel waren in die Handflächen, nicht in die Handgelenke, geschlagen.
Am Ende des Flurs hatte man in einer Fensternische, die zum Garten hinausging, eine kleine Kapelle eingerichtet. Das Fenster war aus Facettenglas, zarte Streifen früher Morgensonne fielen auf den Mahagoni-Altar und das bronzene Kruzifix. Rourke betrachtete die Nägel.
Durch die Handflächen geschlagen.
Er hörte Schritte und drehte sich um. Ein alter Mann, nur mit einer altmodischen langen Unterhose bekleidet, stand in der Bogentür zur Kapelle. Sein Haarkranz, der die Farbe von schmutzigem Schnee hatte, stand ihm wild vom Kopf ab. Er wirkte völlig verschlafen.
»Sie sollen nicht in die Kapelle kommen«, sagte er. »Gehen Sie auf der Stelle.«
Father Ghilotti tauchte neben dem alten Mann auf und legte ihm den Arm um die Schultern. »Schon gut, Father«, sagte er und führte den alten Mann weg. »Ziehen Sie sich an, dann frühstücken wir zusammen. Ich brate uns noch ein pain perdu.«
Rourke sah aus dem Fenster, während Father Ghilotti den alten Priester in sein Schlafzimmer brachte. Im Garten blühten Hibiskus und blaue und rosa Hortensien. In einer Mauernische stand eine Gipsstatue der Jungfrau Maria, umgeben von weißen Duftblüten, gegenüber eine steinerne Bank, über der sich die Zweige einer Akazie im Wind wiegten. Auf der Bank kauerte Rourkes Bruder, der seine Oberschenkel fest umklammert hielt.
»Bitte verzeihen Sie Father Delaney«, sagte der Pastor, der wieder in der Kapellentür erschienen war. »In letzter Zeit hat er diese Ausfälle. Natürlich ist er schon lange im Ruhestand, aber er war hier vierzig Jahre lang Pastor. Er ist hier zu Hause, ich konnte ihn unmöglich wegschicken.« Er beugte vor dem Altar kurz das Knie und sah Rourke ins Gesicht. »Ich glaube, ich habe das Recht zu erfahren, wie mein Priester ermordet wurde.«
»Von Mord war keine Rede.«
»Keine Haarspaltereien, Detective. Er wird um zwei Uhr morgens in einer Makkaroni-Fabrik im French Quarter wohl kaum eines natürlichen Todes gestorben sein.«
»Der Leichenbeschauer war sich wegen der genauen Todesursache noch nicht sicher. Er führt eine Obduktion durch.«
Ein seltsames Lächeln, das Rourke nicht ganz verstand, umspielte Ghilottis kleinen Mund. »Sie sind am Zug, Detective, da kann ich wohl nur abwarten, bis Sie was ausspucken ... Wie ich sehe, haben Sie Father Pats Terminkalender gefunden. Ich habe ihm das Buch zu Weihnachten geschenkt. Er kaufte sich selten etwas, allerdings ist er auch in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und schien sich nie nach schönen Dingen zu sehnen.«
»Und wonach sehnen Sie sich, Father?«
»Nach dem, was Sie erwarten«, sagte er mit offenkundiger Ironie. »Wein, Weib und Gesang.«
Er zog einen Rosenkranz aus der Tasche seiner Soutane, schaute ihn an und rieb mit den Fingern über die Ebenholzperlen. »Ich kann Ihnen gleich sagen, dass Father Pat und ich gestern Nachmittag eine lautstarke Auseinandersetzung hatten. Sie würden es ja ohnehin erfahren.«
»Wie lautstark?«
Wieder das seltsame Lächeln. »In unseren Adern fließt kein Weihwasser. Wir haben gebrüllt. Uns beschimpft. Wir leben hier im Pfarrhaus wie in einer Familie, und Rabatz gibt es in allen Familien.«
»Wenn es in meiner Familie Rabatz gab, wurde gewöhnlich jemand windelweich geprügelt.«
Die Hand des Priesters umschloss fest das Kruzifix des Rosenkranzes, sein Kopf schoss abrupt hoch. »Wurde Father Pat verprügelt?«
»Worum ging es bei Ihrem Streit?«
Einige Sekunden vergingen, bevor er antwortete. »Father Pats Predigtstil war ... na ja, unorthodox. Er ist schwer zu beschreiben, wenn man ihn nicht kannte. Er predigte fröhlich, überschwänglich und laut. Richtig laut. Nicht wie bei einer Baptistenversammlung, aber es ging schon in die Richtung.«
»Was war dabei, wenn er sie Halleluja rufen ließ? Hauptsache, die Leute gehen mit. Und füllen den Kollektenkorb.«
»Sicher, das war das eine. Er hatte ungefähr doppelt so viele Gläubige in seinen Messen wie wir alle zusammen. Doch in letzter Zeit sagte er in seinen Predigten Dinge, die im direkten Widerspruch zur katholischen Glaubenslehre standen. Also habe ich ihm das Predigen verboten. Ich sagte, er könne für die Schwestern im Kloster die Messe lesen, aber nicht mehr für Laien. Ich erklärte, die Priester forderten die Menschen zu Frömmigkeit und einem besseren Leben auf, dürften die Kirche aber nicht für eigene Ziele einsetzen. Father Pat wurde wütend, und am Ende brüllten wir wie die Zuschauer bei einem Boxkampf.«
»Meinen Sie, jemand hat seinen Predigtstil so gehasst, dass er ihn deswegen tötete?«
Der Pastor atmete geräuschvoll aus, als hätte man ihn geschlagen. »O Gott. Bis zu diesem Moment hätte ich behauptet, dass Father Pat von allen geliebt wurde. Vor allem von unserem Herrn, das glaube ich wirklich und wahrhaftig. Gott hat ihn geliebt und auserwählt.« Ghilotti schaute zu dem Bronzekruzifix über dem Altar, in seinen Augen flackerte ein schmerzliches Licht. Vielleicht spiegelte sich aber auch nur das Sonnenlicht in seinen dicken Brillengläsern.
»Als Kind hatte ich einen Lieblingsonkel, der auch mein parrain war«, erzählte Father Ghilotti. »Er hielt mich bei der Taufe im Arm. Er schenkte mir teures Spielzeug zum Geburtstag und machte mit mir Ausflüge nach West Park und in den Zoo. Am Tag meiner Firmung, ich war damals zwölf, feierte meine Familie ein großes Fest, und mein Pate war natürlich eingeladen. Nach der Feier fuhr er mit einigen Schlägern meines Vaters im Auto weg und wurde nie wieder gesehen.«
Er hielt inne, schloss die Augen, als betete er oder verlöre sich in seinen Erinnerungen. »Ich beobachtete, wie mein parrain und mein Daddy einander ansahen, bevor er in den Wagen stieg«, fuhr er fort, und seine Stimme klang jetzt hart und nüchtern. »Er wusste, was sie ihm antun würden, und er kannte auch den Grund. Sie waren Brüder, aber hier ging es ums Geschäft.«
Er sah zu Boden, starrte auf den Rosenkranz in seiner Faust und stopfte ihn wieder in die Tasche. »Niemand ist sicher. Nicht mal ein von allen geliebter Priester.«
»Haben Sie ihn getötet?«
Sein Blick war hart und offen. »Nein, ich habe ihn nicht getötet. Seit ich zum Priester geweiht wurde, bin ich nicht mehr der Sohn meines Vaters.«
Rourke sah in den Garten, wo sein Bruder noch immer auf der Steinbank saß, zusammengekrümmt, als wartete er auf eine Abrechnung, die unvermeidlich kommen und unvermeidlich wehtun würde.
Es stimmt nicht, dachte Rourke. Wir sind auf immer und ewig die Söhne unserer Väter.
Father Delaney, der alte Priester, saß am Küchentisch und hielt eine Kaffeetasse umklammert, eine brennende Zigarette zwischen den gelblichen, gelähmten Fingern. Er blickte hoch, als Rourke auf dem Weg in den Garten an ihm vorbeiging.
»Sie sind der neue Hilfspastor«, sagte er. »Father Paul, nicht wahr?«
Rourke blieb stehen, die Hand am Türknauf, und wandte sich um. Father Delaney sprach jenen Punkt in ihm an, der die Welt vor Schmerz und Torheit retten wollte. Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als alt zu werden und weiterzuleben, während sich der Verstand langsam auflöste.
»Nein, Father«, sagte er, »Paul ist mein Bruder.«
Die wässrigen blauen Augen des alten Mannes wurden schmal, als er lächelte. »Zwei Priester in einer Familie. Ihre Mutter muss stolz auf Sie sein.«
»Nein, ich bin nicht ... ja«, erwiderte Rourke und lächelte zurück. »Sie ist sehr stolz.« Er hatte nie geglaubt, Paulie sehr ähnlich zu sein, weder äußerlich noch sonst wie. Er fragte sich, was der alte Priester in seiner geistigen Verwirrung wohl sehen mochte.
Father Delaney deutete mit der Zigarette auf den Terminkalender in Rourkes Hand. »Jetzt sind Sie es also holen gekommen. Weil Father Pat tot ist.«
»Ja, das tut mir Leid.«
»Er war ein guter Mensch und besonders gesegnet, aber er war ...« Die Stimme verklang, und er schaute auf Kaffeetasse und Zigarette nieder, als wüsste er plötzlich nicht mehr, was er damit sollte.
»Was war Father Pat?«, half Rourke nach. Im Grunde erwartete er keine verständliche Antwort, doch der starre Blick des alten Priesters hatte sich ein wenig geklärt.
»Einsam«, sagte er mit einer Stimme, die wieder kräftiger klang. »Sicher, wir sind alle irgendwie einsam, denn unsere Herzen ruhen nicht, bis sie in Gottes Frieden eingehen. Aber dieser Priester hatte eine einsame Seele.«
Rourke ging über einen gepflasterten Weg, angezogen vom Aroma der Duftblüten, und trat vor die Bank, auf der sein Bruder saß. Die Morgensonne schien jetzt so hell, dass ihm das Licht in die Augen stach und ihn blinzeln ließ.
Paulie sah ihn aus roten, geschwollenen Augen an, dann wandte er sich ab. Rourke setzte sich neben ihn und schwieg. Die Gipsjungfrau trug ein blaues Gewand und hatte die Handflächen aneinander gelegt, die Fingerspitzen zum Kinn gehoben. Sie hatte ein liebes Gesicht. Rourke konnte sich vorstellen, zu ihr zu beten, ein Gedanke, der ihn beunruhigte, denn eigentlich betete er schon lange nicht mehr zu den Symbolen seines Glaubens.
Einen Moment lang betrachtete er seinen Bruder, der sich abgewandt hatte, beugte sich dann vor und stützte die Arme auf die Knie. »Paulie –»
»Wie war denn die Party des Jahrhunderts?«
Mit dieser Frage hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Zwar hatten alle Zeitungen über die große Sause des Filmstudios berichtet, doch er staunte, dass sein Bruder die großen und kleinen Dramen der städtischen High Society verfolgte.
»Nun, Father, mehr Aufregung kann man wirklich nicht verlangen«, sagte er mit aufgesetzter Coolness. »Jede Menge Fusel, eins a-Jazzkapelle und heiße Bräute.«
Paulie blinzelte, neben einem Mundwinkel erschien ein Grübchen – seine Version eines Lächelns.
»Was?«, fragte Rourke, als sein Bruder wortlos weiterlächelte.
»Ich habe mich nur gefragt, wie es ist, eine Sexgöttin zu lieben. Keine Einzelheiten bitte«, fügte er rasch hinzu.
»Die Gegenwart der Heiligen Jungfrau hindert mich anscheinend nicht daran, meine Gedanken schweifen zu lassen.«
In Rourke wuchs ein Lachen, das etwas von dem inneren Schmerz wegspülte. »Jesus«, sagte er kopfschüttelnd.
Paulie ergriff sein Handgelenk und drehte es um. In der Handfläche prangte ein zorniges rotes Mal. »Und was sollte das? Hältst du Gott noch immer die Faust unter die Nase?«
Rourke löste seine Hand aus Paulies Griff und schloss die Finger über der Verbrennung. Er sah Blut an seiner Manschette, konnte sich aber nicht erinnern, Father Pats Leichnam berührt zu haben. »Ich kannte mal eine Frau, die es in einer billigen Absteige trieb«, sagte er. »Ihre Philosophie lautete, der liebe Gott habe sich am siebten Tag gelangweilt und deshalb die Sünde erschaffen.«
Paulie schüttelte den Kopf. »Es gibt keine Prostituierte, die das gesagt hat. Ich weiß, dass du diese gotteslästerliche Theorie schon in der vierten Klasse bei Schwester Mary Joseph ausprobiert hast. Du wurdest nach Hause geschickt, dein Plan hatte funktioniert. An dem Tag gab es nämlich ein Exhibition-Baseballspiel im City Park, und so kamst du ums Blaumachen rum.«
»He, Moment mal, ich habe ganz schön gelitten. Sie muss mir ein Dutzend Hiebe mit dem Lineal verpasst haben, und Babe Ruth wäre auf ihren Schwinger neidisch gewesen.«
Paulie lächelte wieder, verzog dann aber gequält den Mund. »Es war schrecklich, was? Wie Father Pat gestorben ist, meine ich. Das sehe ich dir an.«
»Ja.«
Paulie legte den Kopf in den Nacken und schaute blicklos durch die Äste der Akazie. Weiße Wolken huschten über einen Himmel, rauchblau wie Austernschalen. »Gott steh mir bei, Day. Warum bin ich Priester geworden, wenn ich nicht –«
Er hielt inne und presste die Lippen zusammen, wie er es immer getan hatte, wenn er sich etwas Unangenehmem gegenübersah. »Ich war eifersüchtig auf Father Pat, nur ging es nicht um das, woran du denkst. Vielleicht war er tatsächlich ein Heiliger, ein echter Heiliger, aber diese Last wäre mir zu schwer, Heiligkeit kann eine furchtbare Last sein – das kannst du mir glauben. Und mir war auch egal, dass er der beliebteste Priester war. Selbst Father Frank und der Erzbischof mochten ihn am liebsten, obwohl er ständig Probleme mit dem Gehorsam hatte, aber mir war das egal, weil auch ich ihn am liebsten mochte ...«
Die Tränen flossen ungehindert über Paulies Gesicht, und Rourke schämte sich unwillkürlich ein wenig für seinen Bruder. Vermutlich ein Vermächtnis ihres Vaters, der sie immer ausgelacht und Schlappschwanz genannt hatte, wenn sie weinten.
»Nur glaube ich, dass ich ihn mitunter auch gehasst habe, Day. Ich war so eifersüchtig auf ihn. Eifersüchtig, weil er Gott und dessen Welt so sehr liebte und sich immer so verdammt sicher war. Er wusste genau, was es bedeutete, ein Priester zu sein und alles richtig zu machen, während ich nicht einmal ...«
Er verschlang die Hände und ließ den Kopf nach vorn sinken, als betete er, sprach dann aber mit gesenktem Blick weiter. »Ich weiß noch, wie ich zum ersten Mal die Letzte Ölung spenden musste. Ein Zehnjähriger hatte seinem Vater mit einer Schrotflinte ins Gesicht geschossen. Man hatte den Mann mit einem Laken zugedeckt, und ich hob es hoch, um seine Stirn zu salben, aber er hatte keine Stirn mehr. Auch keinen Kopf, und da wusste ich, dass ich immer ein lausiger Priester sein würde. Ich konnte diesem Jungen nicht vergeben, was er seinem eigenen Fleisch und Blut angetan hatte, und ich konnte dem Vater nicht vergeben, was er dem Jungen angetan haben musste, und ich konnte Gott nicht vergeben, der das alles zugelassen hatte.«
Er schaute wieder hoch, und sein Gesicht spiegelte seine seelische Qual. »Ein Priester soll Gottes Werkzeug der Vergebung sein, aber ich kann nicht vergeben, Day. Ich kann nicht vergeben.«
Rourke wollte etwas sagen, um ihm zu helfen, doch es gab keine Worte dafür. Sein Bruder litt noch immer unter dem, was man ihnen angetan hatte, als sie Kinder waren. Rourke wusste es, sie hatten diese Erfahrungen geteilt. Nur hatte das Leiden Paulie in ein Leben der Enthaltsamkeit, des Gehorsams und Gebets getrieben, ein Leben, das ihn willkommen geheißen, aber nicht gerettet hatte. Und wenn ihn selbst der Wahnsinn überkam, suchte er nach den süßen, verführerischen Wegen der Selbstzerstörung. Und manchmal, nein, meistens, fand er sie auch.
»Sag mir, was gestern Nacht mit dir passiert ist, Paulie.«
Sein Bruder hielt sich jetzt steif und aufrecht, als fürchtete er zu zerbrechen. »Ich werde nicht behaupten, Priester begingen keine Sünden. Selbst die Sünde des Mordes ist ihnen nicht fremd. Aber niemand in diesem Pfarrhaus hätte Father Pat etwas zu Leide getan. Wir haben ihn geliebt.«
Rourke sagte nichts.
Paulie presste die Lippen so fest aufeinander, dass ein Muskel in seiner Wange zuckte. »Ich bin dein Bruder.«
»Sag mir, wo du letzte Nacht gewesen bist.«
Das gespannte Schweigen hing zwischen ihnen, bis es vom Gezwitscher der Spottdrosseln und einem knatternden Auto mit kaputtem Auspuff vertrieben wurde.
»Ich kann nicht«, entgegnete sein Bruder kaum hörbar.
»Ich werde es herausfinden. Irgendwann.«
»Gott«, sagte Paulie mit gequältem Lachen. »Weißt du eigentlich, wie du aussiehst, wenn du so lächelst? Du würdest sogar einer Leiche Angst machen und die Wahrheit aus ihr herausholen.«
»Dir habe ich immer Angst machen können. Irgendwann hatte ich keinen Spaß mehr dran.«
»Und du musstest immer gewinnen. Du hast einfach jedes Spiel gewonnen.«
Rourke schaute seinen Bruder forschend an und wandte sich ab, worauf Paulie erleichtert seufzte, als hätte man ihm einen Aufschub gewährt. Sie saßen eine Zeit lang schweigend da, in Erinnerungen verloren, die trotz allen Schmerzes seltsam tröstlich waren, weil sie sie miteinander teilten.
»Weißt du noch«, meinte Paulie schließlich, »wie unser Daddy immer sagte: ›Wir leben in einer traurigen Welt voller Sünde?‹«
»Klar. Und er hat seinen Beitrag zu Traurigkeit und Sünde geleistet, das ist mal sicher.«
»Hast ...« Das Wort blieb ihm im Hals stecken, als hätte er Luft geschluckt. »Hast du ihn gehasst?«
»Manchmal.«
Rourke wartete auf die nächste Frage, die Frage, ob er seinem Vater vergeben habe. Und ihrer Mutter. Paulie hatte niemals über ihre Mutter sprechen können und über das, was sie ihnen angetan hatte, als sie wegging.
Rourke wusste nicht genau, wie seine Antwort lauten würde, doch Paulie stellte die Frage nicht.
Father Paul Rourke sah, wie sein Bruder mit seinem typisch festen, zuversichtlichen Schritt davonging. Erst in diesem Augenblick wurde ihm bewusst, wie sehr Day inzwischen ihrem Vater glich. Das sonnenhelle Haar, die auffallenden dunkelblauen Augen, der breite Mund mit einem Hauch von Grausamkeit. Groß und schlank, aber nicht dünn, mit den Schultern und der Haltung eines Boxers, immer auf den Fußballen wippend, bereit zum Kampf.
Immer so selbstsicher. Immer so hart.
Mike Rourke hatte seine Söhne zur Härte erziehen wollen und sich dabei stets bemüht, ihnen zu beweisen, dass ihr alter Herr immer der Härteste bleiben würde. Der härteste aller Rourkes. Bei Paulie, der sich seinem Vater immer unterlegen gefühlt hatte, fiel ihm das nicht schwer. Day hingegen ließ sich nicht unterbuttern. Sooft Mike ihn auch schlug, er stand immer wieder auf und forderte mehr.
Sie waren nur zwei Jahre auseinander, doch Paul Rourke hatte seinen kleinen Bruder nie verstanden, nie gewusst, woher Day seinen grollenden Mut nahm, und doch immer geahnt, dass er eines der großen Geheimnisse des Lebens lösen würde, wenn er die Antwort auf diese Frage fände. Sie hatten so viele Stunden ihrer Kindheit zusammen verbracht, hatten gemeinsam gekämpft und geträumt und gesündigt, aber er hatte seinen Bruder nie wirklich gekannt.
Doch wie sollte man einen Menschen auch wirklich kennen?, dachte er nun. Wie gut kann man jenen Punkt im tiefsten Inneren kennen, in dem ein Mensch lebt? Im Grunde hatte er nicht einmal sich selbst richtig gekannt.
Über der Tür des Seminars, in das er als Junge geflohen war, hatten die Worte von Jesus Christus gestanden: Wenn jemand mir nachkommen will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf und folge mir nach. Als er durch jene Tür getreten war, hatte er geglaubt, er könne die Erinnerung an seine Herkunft auslöschen, und war aufrichtig davon überzeugt gewesen, er müsste nur sein Kreuz aufnehmen, dann würde die Freude schon über ihn kommen. Doch er hatte sich geirrt. Er liebte die Kirche mit ihren heiligen Mysterien und Zeremonien, doch seine Herkunft hatte er nicht vergessen, die Freude war nicht über ihn gekommen, und er hatte dieses schmachvolle Fehlen vor sich und der Welt wie eine Sünde verborgen.
Und wegen dem, was geschehen war, was er getan hatte, was er noch immer tat, würde seine Sünde nun ans Licht kommen.
Er hatte gehört, wie die Fliegendrahttür zur Küche zuschlug und Schritte den Weg entlangkamen, fuhr aber dennoch zusammen, als sein Pastor ihm die Hand schwer auf die Schulter legte.
»Was sollen wir jetzt machen, Paul?«, fragte Father Ghilotti.
Paulie wollte lachen, fürchtete aber, wie ein Kind loszubrüllen, sobald er die Lippen öffnete. »Beten?«, fragte er schließlich mit zitternder Stimme.
»Diese Ermittler werden eine Weile bei uns herumschnüffeln, und wir wissen, was sie dabei alles entdecken könnten. Falls wir nichts unternehmen.«
Paulie schüttelte den Kopf, und diesmal lachte er, wobei es eher wie ein Keuchen klang. »Woran denken Sie denn dabei, Father? Eins sollten Sie über meinen kleinen Bruder wissen – unser Daddy hat ihn mit einer Fahrradkette geschlagen, und doch hat er ihn nie gebrochen. Day wird vor nichts und niemandem zu Kreuze kriechen.«
Father Ghilottis Worte ertranken beinahe im Rauschen des Windes, der durch die Akazienzweige über ihren Köpfen fuhr. »Dann müssen wir eben darauf vertrauen, dass Gott uns unter allen vorhersehbaren und unvorhersehbaren Umständen gnädig sein möge.«
»Mit Gottes Gnade«, wiederholte Paulie gehorsam, doch er glaubte nicht daran. Es würde keine Gnade für ihn geben, keine Sühne. Keine Vergebung.