Читать книгу Thriller Collection I - Penelope Williamson - Страница 26
Mittwoch, 10. April 14. Oliver
Оглавление„Guten Morgen, Kollege! Und, was hattest du für einen Eindruck von ihr?“ Robert schmiss die Tür ihres gemeinsamen Büros zu. Er warf seine Jacke über den Garderobenhaken und eine Papiertüte vom Bäcker auf Olivers Schreibtisch. Oliver fuhr zusammen. Er hatte mehrere Browserfenster geöffnet und war in Gedanken versunken. Hastig griff er zur Maus und versuchte, alle Fenster zu schließen. Robert pfiff durch die Zähne, als er um den Tisch herum kam und einen Blick auf die Bilder erhaschte.
„Sieh an, sieh an. Du arbeitest wohl noch an deinem Eindruck?“
„Hallo, Robbie. Was soll der Quatsch?“
„Ach? Quatsch? Googeln wir denn standardmäßig Zeugen nach einer Befragung? Mist, da hab ich wohl nicht aufgepasst.“ Robert boxte Oliver in die Seite und grinste. Oliver fühlte, wie sein Gesicht wärmer wurde. Robert musterte ihn und setzte gerade zu einer Bemerkung an, als es klopfte und gleich danach die Tür aufging. Ein junger Mann mit Nickelbrille las die Namen an der Tür und schaute sie dann mit einem kurzsichtigen Blick an.
„Ullrich? Klauenberg? Sind Sie beide das? Dann ist hier Ihr Obduktionsbericht. Schneller ging’s nicht, soll ich noch sagen.“ Der Bote warf eine Aktenmappe auf Roberts Schreibtisch und verschwand wieder hinter der Milchglastür.
Oliver wollte über den Schreibtisch greifen, aber Robert sprang mit einem Satz auf seine Seite und hielt die Unterlagen hoch.
„Erster!“
„Robbie, sei nicht albern und gib her!“
„Ach? Arbeiten wir nicht im Team?“ Er schlug den schmalen Schnellhefter auf und überflog den Bericht.
Oliver schloss den Browser, und Liv verschwand vom Bildschirm. Er näherte sich Robert, der sich, immer noch stehend, in den Bericht vertieft hatte. Oliver bewunderte diese Eigenschaft. Wenn Robert etwas fesselte, blendete er alles darum herum aus. Leider vergaß er dann auch gerne, dass sie ein Team waren oder dass er dran war, seine Zwillinge aus dem Kindergarten abzuholen. Die vierjährigen Rabauken waren zwar sehr weit für ihr Alter, aber einen Führerschein hatten sie noch nicht. Roberts Frau war toleranter als alle Frauen, die er kannte. Sie war auch schon seit dem Sandkasten mit ihm zusammen und wusste, was sie für ein Gesamtkunstwerk geheiratet hatte. Robert liebte seine Familie abgöttisch und war Olivers persönliches Vorbild in Sachen Liebesstabilität.
„Was steht denn nun drin?“ Oliver schnipste mit den Fingern vor Roberts Augen.
„Ich denke, dass der Hundeangriff nur Spaß oder Ablenkung war. Der arme Teufel hat nicht nur einen Füller durchs Auge bis ins Gehirn bekommen, sondern auch ein extrem schlankes Messer direkt ins Herz. Das scheint die Todesursache gewesen zu sein.“
Oliver atmete tief ein. „Dann hat er nicht mehr gelebt, als sich der Köter über ihn hermachte?“
„Wenn, dann nur ganz kurz. Das Blut zirkulierte zu diesem Zeitpunkt kaum noch im Körper. Und er hatte getrunken, aber nicht übermäßig. Den Füller scheint er leider vorher abbekommen zu haben. Da gibt es massive Einblutungen.“
Der Gedanke, dass der Mann noch mitbekommen hatte, wie ihm jemand einen Stift ins Auge stach, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
„Oh! Die Speichelprobe der Bisse wurde auch analysiert.“ Roberts Blicke flogen über die Zeilen.
„Und?“ Oliver versuchte mitzulesen. Robert trat einen Schritt zur Seite und verwehrte ihm den Blick. „Na, was denkst du? Kam sie mit einem Füller dozierend in die Wohnung, hat ihm durchs Auge das Gehirn aufgespießt und die Leiche dann ihrem Hund als Hauptgang serviert?“
„Manchmal kannst du ein echter Idiot sein.“
„Oh! Im Gegensatz zu einem falschen Idioten? Was ist dann wohl besser?“ Robert zog die Augenbrauen zusammen und tat, als würde er über die Alternativen grübeln. Sein scharfer Verstand ließ ihn immer schnell die wunde Stelle seines Gegenübers finden. Sowie er witterte, dass es irgendwo etwas zartes Zwischenmenschliches gab, kannte seine Ironie keine Grenzen. Oliver wusste das, wunderte sich aber, dass es ihn dieses Mal störte. Warum machte ihn diese Frau nur so nervös?
„Es ist auf jeden Fall ein Rüde.“ Robert las weiter. „Und es ist ganz sicher kein Dobermann.“
„Verrät das etwa auch der Speicheltest?“ Oliver hatte noch nie Hundespeichel testen lassen und war erstaunt darüber, was auch auf diesem Gebiet schon möglich war.
„Auch bei Hundebesitzern gibt es Vaterschaftstests. Davon hab ich schon gelesen. Wenn ein frei laufender Schäferhund auf den Pudel der Nachbarin springt und der Rasseschönheit einen Wurf voller Mischlinge beschert, ist der Besitzer des Schäferhundes haftbar. Und das geht nur mit handfesten Beweisen. Züchter nutzen das auch, um sicherzugehen, dass sie keine Inzucht betreiben, und so die Gefahr von Erbkrankheiten zu minimieren.“
„Was du alles weißt ...“
„Mein Onkel züchtet seit Ewigkeiten Dackel. Den musst du nur anstupsen, dann sprudelt jegliches Wissen wie in einer Endlosschleife aus ihm heraus. Zum Aufhören muss man ihn allerdings bewusstlos schlagen. Weil sich das keiner traut, ist die Familie überschwemmt mit Fachwissen. Alles für den Teckel, alles für den Club.“
„Wurde das Opfer also von einem Teckel in Stücke gerissen?“
„So ähnlich. Es war ein Mastino Napoletano.“
„Ein Italiener?“
„Da kommt er her, der Bursche. Schau mal, der Doc hat uns zwei Bilder zur Veranschaulichung beigelegt.“
Beide setzten sich und starrten auf das Bild. Oliver überflog die Beschreibung. „Männliche Tiere werden bis zu siebzig Kilogramm schwer? Was für ein Koloss!“
Alles an dem Hund war überdimensioniert. Der unförmige Kopf mit den hängenden Augen und Ohren, die vielen Falten, die das Tier traurig und gleichzeitig aggressiv aussehen ließen. Es war mit kurzem schwarzem Fell bedeckt und besaß eine so breite Brust, dass sie eher an die eines Pferdes erinnerte. Seine Pfoten ähnelten in ihrem Ausmaß den Händen eines erwachsenen Mannes. Oliver war sich sicher, so einem Tier noch nie begegnet zu sein.
„Das ist also ein Killer, dessen Besitzer ein Literat ist“, fasste Oliver zusammen.
„Jep. Der Doc ist sicher, dass es so ein Rüde gewesen ist, der die Wunden des Opfers verursacht hat.“
Gott sei Dank! Dann ist Frieda ja endgültig entlastet. Sollte der Kauknochen dann nicht auch seiner Besitzerin zurückgegeben werden? Warum hatte Liv wohl so komisch reagiert, als er sie befragte? Olivers Bauchgefühl schlug an. Das konnte an ihrer Abneigung gegenüber Polizisten gelegen haben. Aber wirkte sie nicht auch unsicher? Sollte er Robert einweihen? Nein, besser er sprach einfach noch mal mit ihr. Vielleicht war es leichter, wenn er mit der guten Nachricht kam, dass ihr Hund aus dem Rennen war.
„Kannst du dich an einen Fall erinnern, bei dem ein Hund, ein Messer und ein Füller beteiligt waren?“
Robert holte Oliver mit seiner Frage aus seinem Gedankenspiel zurück. Der schüttelte den Kopf. Robert schob ihm die Unterlagen über den Tisch.
Oliver las quer. „Frische Hämatome an Kopf und Oberkörper und ein ausgeschlagener Zahn. Mannomann, da war jemand wirklich wütend. Hunde verprügeln niemanden, nicht mal solche.“
„Was ist eigentlich mit dem Hund der Journalistin?“
„Frieda.“
„Friede? Friede sei mit dir?“
„Mensch, das ist der Name: Frieda. Der Hund ist eine Frau.“
„Hündin.“
„Meinetwegen auch Hündin. Unser Killer ist männlich, also ein Rüde.“
„Hast du nachgeschaut?“ Robert feixte.
„Nein. Ich habe drauf vertraut, dass eine Hündin eine Hündin ist. Und außerdem ist es die falsche Rasse.“ Wieder wurden seine Wangen heiß, als er Roberts Blick auf sich fühlte.
„Sag mal, willst du nicht, um wirklich ganz sicherzugehen, die beiden nochmals aufsuchen und mal druntergucken?“
Robert duckte sich blitzschnell, als die Brötchentüte über den Tisch geflogen kam.