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18. Liv

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Nach überstandener Landung reihten sich Beatrice und Liv in der langen Schlange des „Non Visa“-Schalters ein. Es waren gar nicht so viele Menschen, aber die Bearbeitung ging umständlich vonstatten. Knallende Stempel, den Einreisenden grimmig anschauen, als wäre es eine Straftat, ins Land zu wollen, und wieder stempeln. So wurde die Schlange länger und länger. Effizienz und Freundlichkeit waren wohl keine Ziele der hiesigen Behörden. Liv schüttelte den Kopf. Was tat sie hier nur? Sie konnte deutsche Institutionen schon nicht leiden, und nun begab sie sich in die Hände eines postsowjetischen, korrupten Regimes. In ihr zog sich warnend etwas zusammen. Hoffentlich ging das hier alles gut aus.

Beatrice sprach in einer fremden Sprache auf einen Taxifahrer ein, dessen hochgehaltenes Schild ihn als staatlich anerkannt auswies. Als er kopfschüttelnd antwortete, verdrehte sie die Augen und wandte sich von ihm ab.

Der Mann hielt Beatrice am Arm fest und redete aufgebracht in der gleichen Sprache auf sie ein. Liv war verblüfft, dass Beatrice Ukrainisch sprach. Oder war das Russisch? Sie beobachtete die Szene. Wollten die sich prügeln, oder war das eine normale Unterhaltung? Beide gestikulierten und nickten schließlich. Beatrice winkte ihr zu. Liv folgte den beiden zu einem Wagen unbekannter Marke, stellte ihre beiden Koffer in den Kofferraum und stieg gemeinsam mit Beatrice hinten ein.

„Der Taxifahrer wollte uns wohl mit dem Auto nach Hannover zurückbringen. Zumindest war sein erster Preisvorschlag so astronomisch. Aber er hat dann eingelenkt. Es ist immer das Gleiche“, seufzte sie.

„Was soll das denn?“ Liv zeigte auf eine Minikamera, die unterhalb des Rückspiegels angebracht war.

„Ach. Der Videoregistrator“, klärte Beatrice sie auf. „In einem Land wie der Ukraine bedeutet Rechthaben nicht gleich Rechtbekommen. Die Straßenverkehrsordnung wird hier eher als eine Empfehlung angesehen. Und fährt man beispielsweise einen Porsche Cayenne, hat einen guten Draht zu den Behörden und ausreichend Schmiergeld, ist man bei einem Unfall niemals schuldig.“

Liv fühlte sich unbehaglich. Das Taxi raste über die schnurgerade Autobahn aus Betonplatten, als könnte der Fahrer gar nicht erwarten, seine Fracht wieder loszuwerden. Weit entfernt von der Straße duckten sich heruntergekommene, ehemals weiß gekalkte Stallanlagen, als würden sie sich nicht trauen, näher an das ausgebaute Straßennetz heranzukommen. Liv sah vereinzelt kleine, knubblige Lkws auf den weit entfernten Landstraßen, die noch aus der Sowjetzeit stammten und rußige Wolken hinter sich herzogen. Aber ansonsten schien es zwischen den Ausläufern von Kiew und dem Flughafen nur ödes Land zu geben.

Der Fahrer raste auch dann noch ungerührt weiter, als die Autobahn in einen Stadtring überging, der nun durch Trabantensiedlungen und vorbei an Hochhäusern, die dicht aneinandergedrängt verfielen, führte. Kein Spielplatz mit tollenden Kindern und kein gepflegtes Stück Rasen störte die Trostlosigkeit. Nur gelegentlich leuchtete eine kleine, bunte Holzkirche zwischen den Häusertürmen hervor und war nach Sekunden schon wieder vergessen, so deplatziert wirkte das hölzerne Gotteshaus zwischen den grauen Bunkern.

„Ich fasse es nicht! Ist das die Titanic?“

Beatrice lachte. „Schräges Hotel, oder?“

„Hotel? Das ist ein Schiff, ein riesiges, mehrstöckiges Schiff“, stellte Liv klar und blickte an der Fassade hoch. Auf jeder Etage gab es bodentiefe Fenster und das ganze Schiff umrundende Balkons. Sie gingen über eine hölzerne Brücke, die wie ein Steg ins Innere des Schiffes führte. Beatrice steuerte die Rezeption an. Liv musterte die Lobby. Sie blieb vor einem leuchtenden Süßigkeitenautomaten stehen, wie sie ihn aus Krankenhäusern kannte.

„Was ist das denn?“ Liv starrte auf die Glasscheiben des Automaten. Da lagen keine Schokoladentafeln oder Gummibären in den Spiralen hinter Glas, sondern Porno-DVDs. Sie griff in ihre Tasche, holte den Blackberry raus und aktivierte die Kamerafunktion. Ihr Arm wurde gepackt.

„Au!“, schrie Liv auf und ließ das Telefon fallen.

„Net“, sagte der Mann neben dem Eingang, der aussah wie ein Schwergewichtsboxer. Liv hatte ihn vorher nicht bemerkt. Aus schmalen Augen sah er sie warnend an, schüttelte den Kopf und zeigte auf die Rezeption.

„Entschuldigung. Ich wusste ja nicht, dass … also keine Fotos … klar, kein Thema“, stotterte Liv.

Er ließ ihren Arm los und trat wieder zwei Schritte zurück vor die dunkle Wand, die ihn optisch fast verschluckte. Mit ausdrucksloser Miene schaute er an Liv vorbei. Wurde der bei Bedarf eingeschaltet? Wenn sie nicht noch immer den Druck seiner Umklammerung am Arm spüren würde, hätte sie fast gedacht, dass sie die kurze Szene nur geträumt hatte. Sie folgte Beatrice, die von dem Geschehen nichts mitbekommen hatte, zur Rezeption und bekam ihre Zimmerschlüssel ausgehändigt.

Nachdem sie in ihren jeweiligen Doppelzimmern auf dem ersten Deck eingecheckt hatten, trafen sich Liv und Beatrice im unteren Teil des Hotelschiffes im Restaurant. Überall hingen Flachbildschirme an der getäfelten Wand. Der saalartige Raum war in dunklen Holztönen gehalten und unterteilt in große Esstische oder kleine, runde Tische mit Clubsesseln.

Eine junge Frau in einem gewagt kurzen, schwarzen Kleid stöckelte vor ihnen her und wies ihnen einen Platz zu. Liv versank in dem Sessel und kickte ihre Tasche unter den Tisch. Die Kellnerin verharrte kurz beim Austeilen der Karten und eilte mit klackernden Absätzen davon.

„Hab ich jetzt schon was Falsches getan, obwohl ich noch nicht mal was gesagt habe?“

Liv blickte der Frau hinterher. Wie schnell kann man auf diesen mörderischen Schuhen denn laufen? Wahnsinn.

Die Kellnerin kam umgehend zurück, klappte einen mit grünem Samt bezogenen Hocker auseinander und angelte unter dem Tisch nach Livs Tasche. Sie lächelte und stellte die Tasche darauf.

„Ach ja. Das hätte ich beinahe vergessen.“

„Was? Dass meine Tasche mit uns isst?“ Liv war verwundert.

„Nein, wenn man seine Tasche auf den Boden stellt, bringt das Unglück und man verliert irgendwann durch solche Untaten auch sein ganzes Geld. Deswegen gibt es diese Klappstühlchen in jedem Restaurant.“

„Auch gut. So habe ich sie besser im Blick.“ Liv vertiefte sich in die Karte. Speisen umfassten zwei Seiten, Wodkasorten mindestens zwanzig. Sie überlegte bei der Auswahl, ob sie sich nach dem Zusammenstoß mit dem Doorman betrinken sollte. „Beatrice, was gefällt dir an diesem Land und der Art, wie sie mit ihren Frauen umgehen?“ Liv hatte nicht eine Sekunde vorher über die Frage nachgedacht. Aber auf einmal war es ihr wichtig, das zu verstehen.

„Nichts, Liv. Hier gefällt mir gar nichts.“

Thriller Collection I

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