Читать книгу Wild West Extra Großband Sommer 2018: 9 Western - Pete Hackett - Страница 15
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Meine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Keith Deaderick blieb nicht nur ein paar Stunden in Shamrock, sondern bis zum darauffolgenden Morgen. Als die Sonne längst aufgegangen war, verließ er den Ort in westliche Richtung. Er ritt auf der Poststraße, die nach Amarillo und von dort aus nach Tucumcari in Neu Mexiko führte. Ich war davon überzeugt, dass dies eine Finte war und dass Deaderick die Richtung wechseln würde, sobald er von Shamrock aus nicht mehr gesehen werden konnte.
Ich lief zu meinem Pferd, zog den Bauchgurt des Sattels straff und schwang mich auf den Rücken des Tieres, trieb es an und ritt im Schutz der Hügel parallel zur Poststraße, auf der sich Deaderick bewegte, in westliche Richtung. Hin und wieder lenkte ich meinen Vierbeiner auf eine der Anhöhen, um es nicht zu verpassen, wenn Deaderick die Richtung wechselte. Dass er sie wechselte, war für mich so sicher wie dem Tag die Nacht folgte.
Keith Deaderick schaute des Öfteren über seine Schulter zurück, und als er etwa eine Meile auf der Poststraße geritten war, zog er sein Pferd halb um die linke Hand und wandte sich nach Süden. Und wenig später schon ritt er in östliche Richtung, wandte sich auf der Poststraße, die von Childress heraufkam, nach Süden und verließ die Straße kurz vor der Brücke, die über den Elm Fork führte, um dem Creek nach Osten zu folgen.
Ich musste höllisch auf der Hut sein, denn Deaderick schaute immer wieder hinter sich. Hin und wieder verlor ich ihn völlig aus den Augen und musste mich immer wieder damit abmühen, seine Fährte aufzunehmen, um an ihm dranzubleiben.
Ich hielt am Ende eines Hügeleinschnitts an und ließ meinen Blick über die Ebene schweifen, die vor mir lag. Hier wuchsen Bäume und Büsche und das Gras war hüfthoch. Schließlich sah ich Deaderick auf eine Gruppe von Büschen zuhalten und gleich darauf zwischen ihnen verschwinden.
Ich beschloss, die Ebene im Schutz der Höhenzüge ringsum zu umgehen und ritt ein Stück zurück, um mich dann nach rechts zu wenden.
Ich mochte etwa fünf Minuten geritten sein, als der Knall eines Schusses heranwehte. Sofort fiel ich meinem Pferd in die Zügel, riss daran, zerrte es in den Stand, und lauschte angespannt. Das letzte Echo der Detonation war versickert, ein zweiter Schuss fiel nicht. Eine Reihe von Fragen spülte durch meinen Verstand, eine Antwort fand ich jedoch nicht, zumindest keine eindeutige. Doch ein Verdacht war da, und er erfüllte mich mit den unterschiedlichsten Gefühlen. Ich ritt einen Abhang empor und zügelte auf dem Hügelrücken mein Pferd. Unten in der Senke lagen die Büsche, zwischen denen Keith Deaderick aus meinem Blickfeld verschwunden war.
Und ich sah ein Pferd in die Ebene galoppieren, das an einem Lasso einen Menschen hinter sich herschleifte. Den Mann auf dem Pferderücken erkannte ich auf Anhieb; es war Dale Fletcher, der Vormann der Green Belt Ranch. Mein Verdacht hatte sich bestätigt, und heißer Schreck durchfuhr mich. Fletcher stob in die Ebene hinein und feuerte sein Pferd mit dem langen Zügel und schrillem Geschrei an. Der Mann – es konnte sich nur um Keith Deaderick handeln –, den das Tier am Lasso hinter sich herzog, flog regelrecht über den unebenen Boden, wurde das eine oder andere Mal bis zu zehn Zoll in die Höhe geschleudert, herumgewirbelt und rücksichtslos durch niedriges, stacheliges Strauchwerk geschleift. Ich konnte seine gequälten Schreie hören.
Aus dem Gebüsch kamen jetzt drei Reiter, von denen zwei jeweils ein lediges, ungesatteltes Tier an der Longe führten, der dritte zerrte zwei Tiere mit sich, von denen eines gesattelt war. Mir war schlagartig klar, dass es sich nur um die drei Pferde handeln konnte, die der Green Belt Ranch gestohlen worden waren, sowie das Tier, das Deaderick geritten hatte. Mein Gefühl hatte mich nicht getrogen – Keith Deaderick war der Pferdedieb.
Bei einer knorrigen Eiche mit oberschenkeldicken, waagerechten Ästen hielt Dale Fletcher an und sprang aus dem Sattel, lief zu Deaderick hin und beugte sich über ihn.
Es war für mich an der Zeit, einzugreifen. Entschlossen spornte ich mein Pferd an und ließ es hangabwärts laufen, die Reiter der Green Belt Ranch nahmen mich wahr und machten ihren Vormann auf mich aufmerksam. Fletcher richtete sich auf, starrte mir zwei – drei Sekunden lang entgegen, dann kam Leben in seine Gestalt und er hastete zu seinem Pferd.
Ein Griff, und meine Winchester flirrte aus dem Sattelschuh. Ich lenke mein Pferd mit den Oberschenkeln, lud durch und schoss eine Kugel schräg in die Luft. Der Knall wurde über den Vormann und seine drei Begleiter hinweggeschleudert, und Fletcher, der nach seinem Gewehr greifen wollte, hielt mitten in der Bewegung inne. Die drei Cowboys machten keine Anstalten, nach ihren Waffen zu greifen. Sie hatten jedoch die Pferde gezügelt und beobachteten mich mit einer Mischung aus Unbehagen und lauernder Wachsamkeit.
Zwei Pferdelängen vor Dale Fletcher zerrte ich mein Pferd in den Stand, schüttelte die Steigbügel von den Füßen, hob das rechte Bein über den Sattelknauf und ließ mich aus dem Sattel gleiten. Das Gewehr hatte ich mir mit dem Kolben unter den Oberarm geklemmt, die Mündung deutete auf den Vormann. „Sie wollten es also nicht akzeptieren, Fletcher, dass Ihnen der Pferdedieb durch die Lappen geht?“, rief ich.
„Richtig, Marshal. Wir haben uns noch einmal auf die Pferde geschwungen und in einer anderen Richtung gesucht. Scheinbar hatten wir dieselbe Idee wie Sie. Und der Erfolg hat uns recht gegeben. Wir haben die Pferde gefunden und brauchten nur noch darauf zu warten, dass der Pferdedieb kam, um sie abzuholen.“
„Gehen Sie drei Schritte von ihrem Pferd weg, Fletcher!“, gebot ich. Während ich sprach, hörte ich Keith Deaderick langgezogen stöhnen, und jetzt versuchte er, seinen Oberkörper mit den Armen vom Boden wegzustemmen. Ich registrierte, dass seine Kleidung ziemlich gelitten hatte und dass sein Gesicht und seine Hände blutig waren. Das Lasso hatte ihm Fletcher bereits abgenommen. Man musste ein hohes Maß an Mitleidlosigkeit und Brutalität mitbringen, wenn man einen Mann auf diese Art und Weise fertig machte. Erneut erklang Deadericks klägliches Stöhnen.
Als der Vormann keine Anstalten machte, meiner Aufforderung nachzukommen, fuhr ich ihn barsch an: „Haben Sie etwas an den Ohren, Fletcher? Ich befahl Ihnen, drei Schritte von Ihrem Pferd wegzutreten. Ich wiederhole mich nicht gerne.“
Er bewegte sich widerwillig, musterte mich feindselig, und ich glaubte in der Tiefe seiner Augen eine düstere Prophezeiung lesen zu können. In mir läuteten die Alarmglocken. Dale Fletcher würde sich im Fall des Pferdediebes die Wurst nicht so einfach vom Brot nehmen lassen. Ich stellte mich auf Kampf ein.
„Was hatten Sie vor, Fletcher?“, fragte ich, obwohl mir längst klar war, weshalb der Vormann den Pferdedieb bis unter die Eiche geschleift hatte.
„Ich werde diesen Hurensohn an diesem Baum am Hals aufhängen, bis in ihm kein Funke Leben mehr ist“, schnarrte der Vormann.
„Wenn ich mich richtig erinnere, dann haben wir über dieses Problem bereits gesprochen“, rief ich. „Doch wie es scheint, haben Sie alles vergessen, was ich Ihnen über das Gesetz der freien Weide und das Faustrecht verständlich zu machen versucht habe. – Okay, Fletcher, das war‘s für Sie und Ihre Leute. Klemmt euch eure Gäule zwischen die Beine, nehmt die drei Zuchtstuten und verschwindet. Um Keith Deaderick werde ich mich kümmern.“
„Verdammt, Marshal, Sie sollten sich hier nicht einmischen!“, presste Fletcher hervor und verlieh jedem Wort eine besondere Betonung. „Die Panhandle Cattle Company praktiziert ihre eigenen Gesetze.“
„Verlangen Sie etwa von mir, dass ich einen brutalen Mord dulde?“
„Der Pferdedieb bekommt nur das, was er verdient“, versetzte der Vormann. Von ihm ging eine stumme Drohung aus, und ich wusste, dass ich ihn und seine Begleiter nicht unterschätzen durfte. Aber ich musste mich hier durchsetzen, und wenn es sein musste unter Anwendung von Gewalt. Es ging darum, dass ich mir bei diesen Kerlen Respekt verschaffte.
„Deaderick wird vor Gericht gestellt“, stieß ich mit klirrender Stimme hervor, „und er wird bekommen, was er verdient. Und nun haut ab, Leute, und lasst mir den Gaul Deadericks hier.“
Mit einem Ruck setzte sich Dale Fletcher in Bewegung, holte sein Lasso und rollte es zusammen, hängte es an seinen Sattel, stellte den linken Fuß in den Steigbügel, griff mit beiden Händen nach dem Sattelhorn und riss sich auf den Pferderücken. „Es ist nicht aller Tage Abend, Marshal!“, rief er und seine Stimme hörte sich an wie fernes Donnergrollen.
„Ich habe die Drohung verstanden, Fletcher“, erklärte ich. „Darum gebe ich Ihnen jetzt einen guten Rat: Akzeptieren Sie es, dass ich Deaderick zum Sheriff in Clarendon bringe und bei diesem Anzeige gegen ihn erstatte. Fassen Sie meine Worte zugleich auch als Warnung auf. Sollten Sie nämlich versuchen, mir den Gefangenen abzujagen, werde ich verdammt ungemütlich. Nehmen Sie es sich zu Herzen, Fletcher, reiten sie auf die Green Belt Ranch und bleiben sie friedlich.“
Wütend hämmerte Dale Fletcher seinem Pferd die Sporen in die Weichen, erschreckt stieg das gequälte Tier auf die Hinterhand, drehte sich auf der Stelle, wieherte trompetend und vollführte mit den Vorderhufen einen wahren Trommelwirbel in der Luft. Schließlich krachten die Hufe wieder auf den Boden, noch einmal bekam das Pferd die scharfen Sporenräder zu spüren, es streckte sich und die Hufe begannen zu wirbeln.
Der Cowboy, der Deadericks Pferd führte, ließ die lange Leine einfach zu Boden fallen und zischte: „Vorwärts, Leute!“
Sie trieben die Pferde an und folgten Fletcher, der schon eine Hügelflanke emporjagte.
Ich schaute ziemlich unbehaglich den Reitern nach, bis sie über dem Kamm aus meinem Blickfeld verschwanden. Mit diesen Kerlen bekommst du noch Ärger, Bill, sagte ich mir mit gemischten Gefühlen, dann ging ich zu Keith Deaderick hin und knurrte: „Sie sollten dem Himmel danken, dass ich auf mein Bauchgefühl gehört habe und wartete, dass Sie Shamrock verlassen und mich zu den gestohlenen Pferden führen. Andernfalls würden Sie wahrscheinlich schon diese Eiche schmücken.“