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Es geschah jedoch nichts. Das Land um uns herum mutete wie ausgestorben an, und in mir begann schon die Hoffnung zu keimen, dass Dale Fletcher und seine Männer auf die Ranch zurückgekehrt waren, um den Dingen ihren Lauf zu lassen.

Nachdem eine halbe Stunde verstrichen war, gebot ich Deaderick, aufs Pferd zu steigen und weiterzureiten. Ein Blick voll Heimtücke und Niedertracht streifte mich über den Rücken des Pferdes hinweg, mit dem nächsten Atemzug aber schwang sich der Bandit in den Sattel und nahm das unruhig tänzelnde Pferd hart in die Kandare.

Als ich im Begriff war, auf meinen Vierbeiner zu klettern, ritt Deaderick an. Doch das war nur eine Finte, denn im nächsten Moment riss er sein Pferd herum und setzte brutal die Sporen ein, sodass das gepeinigte Tier mit einem erschreckten Satz auf mich und meinen Vierbeiner zuschnellte. Deadericks Absicht war es, mein Pferd zu rammen.

Da ich noch nicht im Sattel saß, reagierte ich ganz anders, als er es vielleicht erwartet hatte. Ich zog blitzschnell meinen linken Fuß aus dem Steigbügel und hechtete nach rechts, im gleichen Moment prallte Deadericks Pferd mit der Brust gegen die Seite meines Vierbeiners und der Anprall riss das Tier regelrecht von den Hufen. Wiehernd krachte es seitlich auf den Boden, es keilte mit den Hufen aus und warf von Panik erfüllt den Kopf hoch.

Ich war sofort wieder auf den Beinen. Denn Deaderick riss sein Pferd rücksichtslos herum und drosch ihm die Sporen unerbittlich in die Seiten. Mit weit aufgerissenen Maul stob das Tier auf mich zu. Ich zwang mich zur Ruhe, und als mich seine Nase schon fast berührte, steppte ich blitzschnell einen Schritt zur Seite, und dann schlug ich mit dem Gewehr zu. Der Hieb fegte Deaderick vom Pferderücken. Ungebremst krachte er rücklings auf den harten Boden, verdrehte die Augen und blieb benommen, wie ein Erstickender nach Luft ringend, liegen. Mit zwei Schritten war ich bei ihm, mein Schatten fiel auf sein Gesicht, die Mündung meines Gewehres deutete auf seine Brust.

Mein Pferd kaum prustend auf die Beine, der Vierbeiner des Banditen war noch einige Schritte gelaufen und dann stehengeblieben.

„Das war nicht besonders klug von dir, Deaderick!“, stieß ich grimmig hervor. Er schaute mich verständnislos an, wie ein Mann, dem ein ganzes Stück der Erinnerung verloren gegangen war. Der Bandit bekam jetzt wieder Luft, er atmete rasselnd und seine Brust hob und senkte sich unter diesen keuchenden Atemzügen. Ich lehnte mein Gewehr an einen Ast, drehte Deaderick auf den Rücken und fesselte ihm mit Handschellen die Hände. Dann packte ich ihn am Kragen seiner Weste und zerrte ihn auf die Beine. Mit hängenden Schultern und auf die Brust gesunkenem Kinn stand er da. Ich hatte mir die Winchester wieder geschnappt und bemerkte, dass sich der Blick des Pferdediebs klärte. „Du hast dir mit dieser Aktion keinen Gefallen erwiesen, mein Freund“, erklärte ich und bugsierte ihn zu seinem Pferd. „Stell deine linken Fuß in den Steigbügel!“ kommandierte ich. Er gehorchte und ich schob ihn in den Sattel. Schließlich schwang auch ich mich aufs Pferd und wir setzten unseren Weg fort.

Irgendwann begann Deaderick zu jammern: „Ich glaube, Sie haben mir einige Rippen zerschlagen, Marshal. Der Schmerz ist nahezu unerträglich und jeder Schritt des Pferdes ist für mich eine wahre Tortur.“

„Willst du dich etwa beschweren?“, versetzte ich. „Du hast es dir doch selber zuzuschreiben. Ich glaube nicht, dass du viel Federlesens mit mir gemacht hättest, wenn es dir gelungen wäre, mich zu überrumpeln. Nun erwartest du doch nicht etwa Mitleid von mir.“

Deaderick, der sein Pferd mit den Oberschenkeln lenken musste, brachte das Tier in den Stand. Ich holte auf und hielt neben ihm an. Er knirschte mit den Zähnen, sein Gesicht hatte sich verkrampft, Schweiß lief aus seinen Haaren über seine Stirn und seine Augen glitzerten fiebrig. „Ich erwarte gar nichts von dir, Marshal“, keuchte er. „Aber ich kann nicht mehr. Ich schaffe wahrscheinlich nicht mal mehr eine halbe Meile auf dem Pferderücken.“

Nun ja, ich hatte mir tatsächlich nicht die Samthandschuhe angezogen, als ich ihn mit dem Gewehr aus dem Sattel schlug. Die Situation hatte einen schnellen Entschluss gefordert, bei mir lag ein Tatbestand der Notwehr vor und ich sagte mir, dass ich mit meiner Reaktion sogar die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt hatte. Er hatte es herausgefordert.

Doch ich wollte nicht unmenschlich sein. Jeder Zug seines Gesichts verriet mir die unsäglichen Qualen, die er litt, und ich sagte nickend: „Bis zwischen die Hügel dort wirst du es noch schaffen. Wir bleiben bis zum Morgen. Aber denk nur nicht, dass es morgen besser sein wird. Im Gegenteil – du wirst morgen das Gefühl haben, unter die Räder einer Concord geraten zu sein.“

Wir verließen die gerade Route nach Südwesten und ritten zwischen die Hügel, fanden einen guten Platz in einer Gruppe von Bäumen und Büschen und ich half Deaderick beim Absteigen. Er ging sofort zu einem Baum, setzte sich stöhnend und ächzend dagegen und ließ den Kopf hängen.

Ich nahm den Pferden die Sättel ab, band die Tiere an einem Strauch an und breitete am Boden die Decken aus. Dann trat ich vor Deaderick hin und sagte: „Ich muss dich leider noch einmal bemühen, Deaderick. Steh auf und leg dich dort neben dem Strauch auf deine Decke. Da ich dir nicht mehr vertrauen kann, werde ich deinen rechten Arm an einen der Äste fesseln.“

„Du bist ein verdammter Schinder, Marshal!“

„Ich bin vorsichtig, mein Freund, nur vorsichtig. Also hoch jetzt mit dir, und jammere nicht.“

Mit meiner Hilfe kam er auf die Beine und wenig später hatte ich ihn am unterarmdicken Ast eines Strauches angekettet. Wahrscheinlich verwünschte er mich, doch das berührte mich nicht im Geringsten. Nachdem ich ihm seinen Sattel unter den Kopf geschoben hatte, machte ich mich daran, Feuerholz zu sammeln. Die Nächte waren nämlich schon verdammt kalt und ohne ein wärmendes Feuer hätten wir unter unserer dünnen Decke wahrscheinlich erbärmlich gefroren.

Es war aber auch nicht ungefährlich, ein Feuer zu schüren, denn der Feuerschein würde hunderte von Yard weit zu sehen sein und konnte unliebsamen Besuch – ich dachte in diesem Zusammenhang an Dale Fletcher und seine Leute –, anlocken. Aber wenn wir nicht erbärmlich frieren wollten, dann war ein Feuer vonnöten. Also ging ich das Risiko ein.

Bis zur Dunkelheit mussten wir noch einige Stunden totschlagen. Ich lief von Zeit zu Zeit auf einen der Hügel ringsum und hielt Ausschau. Es gab nicht ein einziges Anzeichen einer Gefahr. Doch ich glaubte nicht einen Augenblick daran, dass Fletcher einfach so aufgab. Es ging ihm ums Prinzip, er wollte ein Exempel statuieren und die Führungsrolle der Green Belt Ranch in diesem Landstrich mit aller Härte und Entschiedenheit dokumentieren. Die Menschen hier lebten im Schatten der großen Ranch, die zur PCC gehörte, und ihnen musste immer wieder vor Augen geführt werden, wer den Ton angab.

Auf unserem Weg nach Clarendon mussten wir über die Weidegründe der Green Belt Ranch ziehen. Ich an Stelle des Vormannes würde am Salt Fork Red River einige Leute postieren, die ihm unsere Ankunft mitteilen würden.

Ich dachte daran, einen Umweg zu reiten und so ungesehen über den Fluss zu gelangen, verwarf diesen Gedanken aber wieder, weil gar nicht sicher war, dass die Leute der Green Belt Ranch am Salt Fork Red River auf uns warteten. Ich hatte Fletcher gegenüber erwähnt, dass ich Deaderick nach Clarendon bringen wollte und es war nicht auszuschließen, dass er mit einer Mannschaft vor oder in der Stadt auf uns wartete.

Ich kam zu dem Schluss, dass in dieser Sache wahrscheinlich die Waffen das letzte Wort haben würden. Denn ich war nicht bereit, den Gefangenen freiwillig seinen Lynchern zu übergeben.

Als der Abend dämmerte, hielt ich noch einmal nach allen Richtungen Ausschau, dann kehrte ich zu unserem Lagerplatz zurück und entfachte ein kleines Feuer. Deaderick lag regungslos auf seiner Decke und starrte mit leerem Blick zum bleigrauen Abendhimmel in die Höhe.

„Welcher Teufel hat dich eigentlich geritten, Deaderick, als du dich auf die Green Belt Ranch geschlichen hast und denen drei wertvolle Zuchtstuten stahlst?“

„Warum interessiert dich das, Marshal?“

„Einfach so. Du musst es mir aber nicht sagen.“

Einige Zeit verstrich, in der die Dunkelheit zunahm. Die Flammen des Feuers flackerten, über den Boden ringsum zuckten Licht- und Schattenreflexe, ich spürte die Wärme in meinem Gesicht und auf meinen Händen. Die Vögel waren verstummt und die Natur hatte ihre Farben verloren. Alles war nur noch schwarz und grau.

Als ich mich schon damit abzufinden begann, von Deaderick keine Antwort auf meine Frage zu erhalten, sagte er plötzlich: „Ich hatte eine alte Rechnung mit der Green Belt zu begleichen.“

„Wenn das stimmt“, versetzte ich, „dann muss das eine ziemlich gravierende Sache gewesen sein, weil du dafür dein Leben in die Waagschale geworfen hast.“

Sowohl ich als auch Keith Deaderick ließen zwischenzeitlich sämtliche Förmlichkeiten beiseite. Seine Augen glitzerten im Feuerschein wie Glasstücke, das Wechselspiel von Licht und Schatten schien die Linien und Kerben in seinem Gesicht zu vertiefen.

„Es ist über drei Jahre her“, murmelte Deaderick. „Mein Partner Matt Hanson und ich haben am Elm Fork Wildpferde gejagt. Wir haben die Tiere zugeritten und dann an die Armee verkauft. Es war kein schlechtes Geschäft, mit dem verdienten Geld wollten Matt und ich eine Pferderanch gründen und eine Pferdezucht aufbauen.“

Ich ahnte schon, was gleich kommen würde. „Sprich weiter, Deaderick, es interessiert mich.“

Wild West Extra Großband Sommer 2018: 9 Western

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