Читать книгу Wild West Extra Großband Sommer 2018: 9 Western - Pete Hackett - Страница 16
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„Diese elenden Bastarde!“, schimpfte der Pferdedieb, der ziemlich malträtiert aussah. Die blutenden Schürf- und Risswunden in seinem Gesicht und an seinen Händen und sicherlich auch an seinem Körper unter der teilweise zerfetzten Kleidung bereiteten ihm wahrscheinlich quälende Schmerzen. Er hatte sich aufgesetzt, die Knie angezogen und die verschränkten Arme auf sie gelegt.
Ich registrierte, dass sein Holster leer war. Wahrscheinlich hatten ihm die Green Belt-Leute den Revolver abgenommen, oder er hatte ihn verloren, als ihn Fletcher hinter dem Pferd herschleifte.
Allzu viel Mitleid konnte ich mit Deaderick nicht empfinden. Er hatte Pferde gestohlen und Pferdediebe waren in meinen Augen Banditen. Dem verlieh ich auch Ausdruck, indem ich bemerkte: „Als Sie zur Green Belt ritten, um dort drei wertvolle Pferde zu stehlen, wussten Sie sicher, was Ihnen blüht, wenn Sie erwischt werden. Also beschweren Sie sich nicht, seien Sie lieber dankbar, dass Sie noch leben.“
Keith Deaderick spuckte zur Seite aus, in seinen Augen, in denen eben noch der Schmerz wühlte, glaubte ich jetzt einen gehässigen Ausdruck wahrzunehmen. Und schlagartig wurde mir klar, dass dieser Mann, der auf den ersten Blick sympathisch und anziehend wirkte, in Wirklichkeit ein eiskalter und skrupelloser Zeitgenosse war. Ich ging zu seinem Pferd, nahm die Wasserflasche vom Sattel, trug sie zu ihm hin, warf sie vor ihm auf den Boden und sagte: „Säubern Sie sich das Gesicht und die Hände. Wenn Sie damit fertig sind, machen wir uns auf den Weg nach Clarendon. Dort werde ich Sie dem Sheriff übergeben.“
Der gehässige Ausdruck in seinen Augen wich dem von Heimtücke und einem raubtierhaften Lauern, was meinen vor einer Minute getroffenen Eindruck bezüglich dieses Mannes untermauerte, und ich nahm mir vor, besonders wachsam und auf der Hut zu sein. Der Weg nach Clarendon betrug an die vierzig Meilen, und Deaderick hatte nicht viel zu verlieren. Auf Pferdediebstahl stand eine Reihe von Jahren im Zuchthaus. Der Pferdedieb würde sich im Hinblick darauf auf keinen Fall wie ein Hammel zur Schlachtbank führen lassen.
Ich war also darauf eingestellt, an zwei Fronten zu kämpfen. Deadericks Bestreben, nicht ins Gefängnis zu gehen, durfte nicht unterschätzt werden, die Absicht Dale Fletchers, mir den Gefangenen wieder abzujagen um ihm einen Strick um den Hals zu legen, ebenso wenig.
Ich schaute zu, wie sich Deaderick unter Zuhilfenahme seines Halstuchs das Gesicht und die Hände säuberte, zuletzt einen Schluck Wasser trank und sich dann ächzend auf die Beine kämpfte. „Wir können“, murmelte er und ging zu seinem Pferd, doch ich traute seiner Ergebenheit nicht. Im Scabbard an seinem Sattel steckte nämlich noch sein Gewehr, und so rief ich mit scharfer Stimme:
„Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen, Deaderick.“
Während ich sprach, hatte ich die Winchester, die ich noch in den Händen hielt, durchgeladen. Das metallische Knacken verlieh meinen Worten den nötigen Nachdruck. Deaderick blieb stehen, schaute über die Schulter und schürzte die Lippen: „Sie gehen wohl nicht das geringste Risiko ein, Marshal, wie?“
„Nicht bei Leuten wie Ihnen, Deaderick. Ich glaube nämlich, dass ich Sie richtig einschätzen kann. Wenn es um Ihren Vorteil geht, dann gehen Sie über Leichen. Es wäre vielleicht ein tödlicher Fehler, bei Ihnen ein Risiko einzugehen.“
Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen und er erwiderte: „Es ist der Selbsterhaltungstrieb, Marshal, nichts anderes. Irgendwo auf unserem Weg nach Clarendon werden diese vier Höllenhunde von der Green Belt Ranch auf uns lauern. Vorhin hatten Sie das Überraschungsmoment auf Ihrer Seite, Marshal. Das nächste Mal werden es wahrscheinlich diese vier lynchwütigen Bastarde sein, die Sie in die Mündungen ihrer Waffen blicken lassen.“
„Das werden wir sehen. Nun nehmen Sie vorsichtig ihr Gewehr aus dem Scabbard und legen Sie es auf den Boden. Und dann führen Sie Ihr Pferd zehn Schritte nach rechts. Machen Sie schon, Deaderick!“
In seinem Gesicht arbeitete es krampfhaft, er schien abzuwägen, wie groß seine Chance war, wenn er nach dem Gewehr griff. Ich konnte in seinen Zügen lesen wie in einem Buch, und als ich das Gefühl hatte, dass er zu einer Entscheidung gelangt war, stieß ich hervor: „Ich würde mir das gut überlegen, Deaderick. Sie werden nicht schnell genug sein. Die Zuchthausstrafe geht vorüber, tot aber sind Sie bis ans Ende aller Tage.“
Deaderick kämpfte noch einen Augenblick mit sich, plötzlich aber verlor sich die Anspannung aus seinen Zügen und seine Schultern sackten nach unten. Er griff mit der linken Hand nach seinem Gewehr, packte es am Kolbenhals, zog es aus dem Sattelholster und warf es auf den Boden. Sodann nahm er das Tier am Zaumzeug und führte es nach rechts weg.
Ich holte mir sein Gewehr, schob es in meine Deckenrolle und saß auf. „In den Sattel, Deaderick!“, kommandierte ich. „Und dann reiten Sie vor mir her in diese Richtung.“ Mit der linken Hand wies ich nach Südwesten. Das Blickfeld in diese Richtung wurde von zum Teil bewaldeten Höhenzügen begrenzt. In den Ebenen und Senken dazwischen wuchsen hohes Gras, Büsche und Bäume. Aus dem einen oder anderen Abhang erhoben sich bis zu zwanzig Fuß hohe Felsen. Und hinter jedem Hügel und jedem dieser Felsen konnte Gefahr lauern. Ich spürte die Anwesenheit des Todes geradezu körperlich.
Gleich darauf waren wir unterwegs. Ich ritt zwei Pferdelängen hinter dem Pferdedieb, die Winchester hatte ich mit der Kolbenplatte auf meinem Oberschenkel abgestellt, meine Rechte umklammerte den Kolbenhals. Die Anspannung brachte meine Nerven zum Schwingen, meine Augen waren unablässig in Bewegung und erforschten das Gebiet vor uns und zu unseren beiden Seiten. Mir war klar, dass wir an diesem Tag Clarendon nicht mehr erreichen konnten und irgendwo im Freien übernachten mussten. So wenig mir das gefiel – ich konnte es nicht ändern, und darum fand ich mich damit ab.
Da wir nur Schritttempo ritten, kamen wir nicht besonders schnell vorwärts. Keith Deaderick ritt schweigend und drehte sich nicht ein einziges Mal nach mir um. Ich hielt seine Friedfertigkeit für trügerisch und war mir sicher, dass er jede noch so winzige Gelegenheit, mir zu entkommen, wahrnehmen und sicherlich auch nicht vor roher Gewalt zurückschrecken würde.
Irgendwann im Laufe des Nachmittags gelangten wir an einen schmalen Fluss, der weiter südlich wahrscheinlich in den Salt Fork Red River mündete. Wir saßen auf dem Ufersaum ab und die beiden Pferde trotteten zum Wasser, um ihren Durst zu löschen. Keith Deaderick ging am Flussufer in die Hocke, schöpfte mit den zusammengelegten Händen Wasser, spülte sich den Mund aus, dann trank er ein paar Schlucke und schließlich wusch er sich das Gesicht.
Ich ging auf das linke Knie nieder und schöpfte ebenfalls mit den Händen Wasser. Der Pferdedieb war etwa fünf Schritte von mir entfernt. Mein Gewehr hatte ich in Griffweite auf den Boden gelegt. Ich ließ Deaderick nicht einen Augenblick lang aus den Augen.
Nachdem wir etwas Pemmikan gegessen hatten, rollte ich mir eine Zigarette, warf das Rauchzeug dem Pferdedieb zu und riss an meinem Stiefelabsatz ein Streichholz an, mit dem ich meine Zigarette anzündete.
Bei all diesen Verrichtungen fühlte ich mich beobachtet. Ich hatte das Gefühl, mich auf einem Präsentierteller zu bewegen.