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„Es war eine verdammte Knochenarbeit, die Mustangs einzufangen und einzubrechen“, knurrte Deaderick. „Immer wenn wir drei Dutzend Tiere für den Verkauf fertig hatten, trieben wir Sie zu einem der Forts drüben im Oklahoma-Territorium und verkauften sie an die Armee. Eines Nachts – wir hatten fünfundzwanzig Tiere eingefangen und eingeritten –, wurden wir unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ein halbes Dutzend Cowboys hatte uns überrascht und ließ uns in die Mündungen ihrer Gewehre und Revolver blicken.“

„Ich vermute, dass es sich um Weidereiter der Green Belt Ranch handelte“, stieß ich hervor, als Deaderick eine Sprechpause einlegte.

Deaderick nickte. „So ist es. Sie befahlen uns, augenblicklich von den Weidegründen der Ranch zu verschwinden, da sie uns ansonsten mit der Peitsche vom Green Belt-Land jagen würden. Da wir gegen dieses Rudel chancenlos waren, gehorchten wir. Als wir unseren Pferden die Sättel auflegen wollten, erklärte der Anführer der Horde, dass er nichts davon gesagt habe, dass wir auch nur ein einziges der Pferde mitnehmen dürften. Man wollte uns unserer Pferde berauben. Mein Freund Matt wurde von der Wut übermannt und griff nach seinem Gewehr, das er neben seine Decke auf den Boden gelegt hatte. Die Weidereiter fackelte nicht. Als sich der Pulverdampf verzog, war Matt tot und ich hatte eine Kugel im Oberschenkel. Ehe sie mit unseren Pferden verschwanden, kam der Anführer noch einmal zu mir und drohte mir, mich hinter seinem Pferd her aus dem Land zu schleifen, sollte ich noch einmal auf Green Belt-Land angetroffen werden.“

„Wie ging es weiter?“

„Ich kratzte mithilfe eines Stockes eine flache Mulde in den Boden, in die ich meinen toten Freund legte und so gut es ging mit Erdreich und Steinen bedeckte. Dann humpelte ich aus dem Land, ständig die Furcht im Nacken, dass mich Reiter der Green Belt aufgriffen und ihre Drohung in die Tat umsetzten.“

„Wenn diese Geschichte stimmt, dann ist man dir von Seiten der Green Belt tatsächlich einiges schuldig“, konstatierte ich. „Allerdings dürften nicht mehr viele von den Männern, die die Ranch damals leiteten oder die dabei waren, als man deinen Freund tötete und eure Pferde stahl, auf der Ranch beschäftigt sein.“

„Das spielt für mich keine Rolle“, antwortete Deaderick. „Die Schufte damals ritten für die Green Belt Ranch, und unsere Pferde wurden der Pferdeherde der Ranch einverleibt. Darum wandte ich mich an die Green Belt und nicht an die Kerle, die damals dabei waren. – Nachdem die Schusswunde an meinem Oberschenkel verheilt war zog ich ziel- und planlos durchs Land, arbeitete mal hier und mal dort und redete mir immerzu ein, zu den Gescheiterten zu gehören, zu jenen also, die im Leben versagt hatten. Doch vor einem Jahr führte mich der Zufall auf eine Farm am Little Wichita River. Der Mann, der sie bewirtschaftet – sein Name ist Stuart Hayes - gab mir Arbeit und ich verliebte mich in seine Tochter. Wir begannen Zukunftspläne zu schmieden, und mein Plan, den ich längst aus den Augen verloren hatte, nämlich eine Pferderanch zu gründen, nahm wieder Formen an. Vor zwei Monaten heirateten Carrie und ich. Ich sprach mit meinem Schwiegervater über meine Absichten bezüglich einer Pferdezucht und er war sofort dabei. Doch es fehlte uns am Geld, um gute Zuchttiere zu kaufen, und ich erinnerte mich, dass die Green Belt nach wie vor bei mir in der Schuld stand. Den Rest kennst du, Marshal. Das ist meine Geschichte, und ich schwöre beim Leben des ungeborenen Kindes, dass meine Frau unter dem Herzen trägt, dass jedes Wort dieser Geschichte der Wahrheit entspricht.“

„Die Story macht mir einige Dinge verständlich“, erklärte ich. „Allerdings habe ich dich als einen Mann kennengelernt, der brutal und skrupellos über Leichen geht, wenn es ihm dazu dient, seine Pläne zu verwirklichen. War es der Vorfall von vor drei Jahren, der dich so unerbittlich und tödlich gefährlich gemacht hat?“

„Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich bei Stuart Hayes einen Platz fand, an dem ich bleiben konnte, war mein Leben ein einziger Daseinskampf. Das hat mich hart gemacht, doch habe ich nie Menschen, die mir neutral oder vielleicht sogar freundlich begegnet sind, irgendein Leid zugefügt. Als die Kettenhunde der Green Belt damals meinen Freund Matt niederknallten, ist etwas in mir zerbrochen, um nicht zu sagen abgestorben. Ich folgte nur noch dem Selbsterhaltungstrieb.“

„Vom Selbsterhaltungstrieb hast du bereits einmal gesprochen“, versetzte ich. „Es gibt Männer, die beißen um sich wie wilde Tiere und nennen es Selbsterhaltungstrieb, wahrscheinlich um vor sich selbst eine Rechtfertigung für ihr Handeln zu finden. Aber egal, ich maße mir nämlich nicht an, über die Richtigkeit deines Handelns zu befinden. Fakt ist, dass du drei wertvolle Pferde gestohlen hast und dass du dafür zur Rechenschaft gezogen wirst.“

„Es war nur recht und billig ...“

„Auch das ist Selbstjustiz, Deaderick“, unterbrach ich ihn mit klirrender Stimme. „Wenn du der Meinung warst, Schadensersatzansprüche gegen die Green Belt zu haben, hättest du diese auf dem Rechtsweg geltend machen müssen.“

„Diese Aussage entbehrt nicht einer gewissen Ironie, Marshal“, stieß Deaderick hervor und seufzte. „Damals gab es im ganzen Panhandle außer in Amarillo noch kein Gesetz. Was glaubst du, wie weit ich gekommen wäre, wenn ich mich zum Bezirksgericht in Amarillo begeben und Anzeige erstattet hätte?“

„Wahrscheinlich nicht sehr weit“, gab ich zu. Er hätte damals nämlich weder beweisen können, dass ihm die Reiter der Green Belt Ranch Pferde gestohlen hatten, noch dass sie seinen Freund umbrachten. Womöglich hätte man sogar eine Untersuchung eingeleitet, im Rahmen derer geprüft worden wäre, ob nicht er sogar der Mörder war. Aber das war nur eine reine Vermutung ...

„Na also. Ich hab mir nur geholt, was man mir weggenommen hat. Zumindest einen Teil davon. Dabei dachte ich nicht einmal an Rache, sondern nur an Wiedergutmachung.“

„Wenn du dir ein Pferd aneignest, das einem anderen gehört, dann ist das Pferdediebstahl“, versetzte ich mit harter Stimme. „Dein Beweggrund spielt hierbei keine Rolle. Pferdediebstahl ist nach dem Gesetz aber ein Vergehen, für das man ins Zuchthaus geht. Das ist alles, was ich dir dazu sagen kann.“

„Ich habe kein Verständnis von dir erwartet“, erklärte Deaderick. „Und weil das so ist, habe ich versucht, dich auszuschalten und zu entkommen. Ich werde am Wichita River gebraucht. In einigen Monaten wird meine Frau ein Kind gebären. Möglicherweise war es wirklich ein Fehler, die Pferde zu stehlen.“

„Versuch jetzt nur nicht, bei mir auf die Tränendrüse zu drücken, Deaderick“, knurrte ich und wappnete mich mit Härte. Wenn die Geschichte, die er mir erzählt hatte, der Wahrheit entsprach, dann berührte mich das sehr wohl, dann war Deaderick aus meiner Sicht nämlich kein gemeiner Pferdedieb, sondern eher jemand, den man landläufig als Desperado bezeichnete, also einer, der einen Grund hatte, auf die Seite der Gesetzlosigkeit zu wechseln. Es handelte sich oftmals um Verzweifelte, die keinen anderen Ausweg sahen, als zu versuchen, die Durchsetzung ihrer Rechte in die eigenen Hände zu nehmen, und zwar mit Pulverdampf und Blei.

„Keine Sorge, Marshal, ich habe noch nie um Mitleid oder Anteilnahme gebettelt, und werde es auch dieses Mal nicht machen. Ich glaube auch gar nicht, dass es dir gelingt, mich vor die Schranken des Gerichts zu bringen. Dazu müsstest du erst einmal an den Halsabschneidern von der Green Belt vorbeikommen. Wenn du nämlich denkst, dass dieser Fletcher einen Rückzieher macht, dann dürftest du gewaltig auf dem Holzweg sein.“

„Lassen wir uns überraschen, Deaderick. Und jetzt solltest du versuchen, zu schlafen. Der morgige Tag wird sicher sehr anstrengend, vor allem für dich, nachdem du heute schon über immense Schmerzen geklagt hast. Morgen früh wirst du dich wie gerädert fühlen.“

Wild West Extra Großband Sommer 2018: 9 Western

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