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Der Rancher stand unter dem weit nach unten gezogenen Vordach des Blockhauses und schaute den drei Reitern unter der grellen Sonne mit verkniffenem Gesicht entgegen.

Duke McLean war achtundfünfzig Jahre alt, fünfeinhalb Fuß groß und ziemlich bullig. Rotes Borstenhaar wuchs auf seinem quadratischen Schädel und wies ihn unübersehbar als Iren aus. Der Smallrancher trug einen mehrfach geflickten, verschossenen Prince-Albert-Rock, ausgebeulte, geflickte Röhrenhosen und eine Melone, die von Staub, Sonne und Schweiß gezeichnet war.

Das Anwesen passte zu dem Mann. Neben dem gedrungenen Blockhaus stand das lange Mannschaftsgebäude, ein Brettergebilde, das anstelle von Scheiben Zuckersäcke an den Fenstern besaß. Ein Schuppen erhob sich daneben. Der leere Corral wies Lücken auf, und Unkraut rankte sich daran empor.

Ein Anbau, in dem ein Pferd schnaubte, lehnte schief am Blockhaus. Löcher in der Wand waren mit Fellen geflickt.

Der alte McLean hatte aus alter Gewohnheit die aufgerollte Bullpeitsche in der rechten Hand. Sein Prince-Albert-Rock stand offen. Der Patronengurt hing unter dem massigen Bauch; den schweren Revolver trug er ziemlich weit vorn.

Jack Truman sah den Rancher erst, als der sich vorwärts bewegte und ins Sonnenlicht trat.

»Gleich gibt’s Ärger«, flüsterte Dunn. »Ich habe ganz schön Schiss, muss ich euch sagen!«

»Ich fühle mich auch nicht besonders wohl in meiner Haut«, bekannte Barn. »Und du, Jack?«

Truman gab keine Antwort. Der schlanke, hochgewachsene Vormann mit den strahlend blauen Augen im etwas kantigen Gesicht blickte scharf auf McLean. Er hatte ihn nie leiden können, aber es hatte hier unter keinen anderen Job für ihn gegeben. Deshalb war er so lange geblieben.

Sie erreichten den Hof. Dunn und Barn ritten langsamer. Jack zügelte sein Pferd, als ihn noch fünf Yards von dem etwas geduckt stehenden Smallrancher trennten.

»Ihr seid früh zurück!«, stieß der Rancher mürrisch hervor. Seine Augen waren verengt.

»Wir hatten Pech«, sagte Jack. »Ich habe dem Hilfssheriff doch geschrieben, was passierte. Hat er es dir nicht berichtet?«

»Doch, Dead Goring war mal hier. War es wirklich so schlimm, dass du die anderen allein reiten lassen musstest?«

»Er konnte das doch gar nicht mehr entscheiden«, sagte Barn. »Er war bewusstlos und hätte das Zeitliche gesegnet, wenn Bob ihn nicht sofort zu einem Doc gebracht hätte.«

McLean blickte auf den mittelgroßen, drahtigen Burschen. »Habe ich dich gefragt?«

»Was er sagt, stimmt«, wandte Jack ein. »Ich war nicht mehr fähig, mitzureiten. Ich möchte mal den sehen, der das mit einer Kugel in der Brust geschafft hätte.«

McLeans Gesicht verzerrte sich.

»Aber es ist noch schlimmer gekommen«, fuhr Jack fort. »Ben, Bob, Ves und Jed wurden von der Bande noch mal überfallen. Die Burschen hatten sich Verstärkung geholt.«

»Was?«, fragte McLean. Seine Gestalt krümmte sich noch mehr zusammen. »Was soll das heißen?«

»Sie haben uns die Herde abgejagt«, sagte Barn lahm. »Ben und Bob haben ins Gras gebissen. Jed lag unter dem umgestürzten Küchenwagen. Und mir ging der Gaul durch.«

»Die Herde ... gestohlen?«

»Ja, Boss.«

»Ihr habt euch die Herde stehlen lassen?«, brüllte der Smallrancher, der es offenbar nicht glauben konnte.

Barn nickte.

»Seid ihr des Teufels?«

Die Peitsche des Ranchers zuckte über den Sandboden. Vom bleibeschwerten Ende wurden ein paar winzige Staubwölkchen emporgestoßen. »Jack, sag’ du, dass es nicht wahr ist!«

»Ich war nicht dabei, Boss. Ich kann eigentlich gar nichts sagen. Du musst es dir schon von Jed und Ves erzählen lassen.«

»Und wozu habe ich einen Vormann, wenn er nicht zur Stelle ist, wenn er gebraucht wird?«

Jack schwieg mit zusammengepressten Lippen. McLeans Argumente waren nie sehr logisch gewesen. Doch seit er seinen Sohn und seine Frau verloren hatte, schien er nicht mehr fähig zu einem klaren Gedanken zu sein.

»Warum?«, herrschte McLean ihn an.

»Ich denke nicht daran, auf eine so dumme Frage zu antworten!«, gab Jack schroff zurück.

McLean zuckte zusammen als wäre er geschlagen worden. »Dumme Frage? Ich stelle dumme Fragen?«

»Er lag in einem kleinen Nest bei Crockett im Bett, Boss«, erinnerte Barn.

»Davon war eben die Rede.« Jed grinste.

Das dicke Peitschenende zuckte durch den Sand, schwang in die Höhe und Jed Dunn entgegen. Der Cowboy konnte sich zwar noch auf den Hals seines Pferdes werfen, wurde aber am Rücken getroffen. Der Schlag zerfetzte den brüchigen Stoff des karierten Hemds, Jed brüllte wie ein verletzter Stier. Auch das Pferd war getroffen worden und sprang wie eine Katze mit krummem Buckel in die Luft. Dunn wurde abgeworfen.

Bevor sich der Cowboy erheben konnte, traf ihn der zweite Hieb. Erneut schrie er auf.

Die Pferde tänzelten und schnaubten. Barns Tier wich soweit zurück, dass es von der Peitsche nicht getroffen werden konnte. Auch Dunn rannte rückwärts.

Jack Truman beruhigte seinen Fuchshengst.

»Meine Herde stehlen lassen!«, schimpfte der Smallrancher. »Euch werde ich helfen!«

Die Peitsche schwang empor. Der flammende Blick des wütenden Mannes traf Jack. Es gab keinen Zweifel, dass der nächste Schlag ihn treffen sollte. Doch da hielt Truman plötzlich den Colt in der Hand und feuerte.

Zwei Zoll über McLeans Faust durchtrennte die Kugel die Peitsche. Das lange Ende fiel auf den Boden. Die Kugel traf das kleine Hüttenfenster und warf einen Hagel Scherben ins Innere.

Der Fuchshengst wurde wieder unruhig, aber mit der linken Hand zog Jack scharf die Zügel an.

McLean starrte ihn durch den sich ausbreitenden Schwarzpulverrauch an, blickte auf seine Hand und ließ fallen, was von der Peitsche übriggeblieben war.

»Ich bin kein Stück Vieh, dem man die Peitsche gibt«, sagte Jack schleppend.

»Ihr habt mich ruiniert!«, stieß McLean hervor. »Ihr Schweine habt meine Existenz vernichtet!«

Dunn schleppte sich zu seinem Pferd.

»Ihr seid entlassen!«, brüllte der Smallrancher noch immer außer sich vor Wut. »Lasst euch nie wieder bei mir blicken!«

Dunn stieg auf. »Los, wir hauen ab. Der Alte hat sie nicht mehr alle beisammen!«

Die beiden Cowboys rissen die Pferde herum und stoben nach Norden davon.

»Du auch!« McLean griff nach dem Revolver, zerrte ihn aus dem Holster und schlug ihn auf den Vormann an.

Truman lief es kalt über den Rücken. Der Hengst schnaubte und schlug mit einem Huf hart auf den Boden.

Aufgewirbelter Staub trieb vorbei.

»Geh zur Hölle!« McLean feuerte.

Die Kugel pfiff an Jack vorbei. Er hielt den Colt noch immer in der Hand, konnte sich aber nicht entschließen, noch einmal zu schießen. Denn bei dem Versuch, dem wütenden Mann die Waffe aus den Fingern zu schießen, würde er ihn vermutlich verletzen.

»Hör auf oder ich mache mit!«, rief er deshalb.

McLean war so nicht zu beeindrucken, da er außer sich vor Zorn war. Abermals entlud sich sein Revolver. Die Kugel riss Jacks Hemdsärmel auf und streifte heiß über die Haut.

Da schoss er. Der Knall ließ den Fuchshengst auf die Hinterhand steigen.

McLean wurde die Waffe aus der Hand gerissen; sein Zeigefinger blutete. Er wurde aschgrau, trat zurück und stieß gegen die Wand. »Das könnte euch so passen! Zuerst vernichtet ihr meine Existenz, und dann wollt ihr mich auch noch umbringen!«

»Rede doch keinen Unsinn. Wir waren von Anfang an zwar genug Leute, um achthundert Rinder zu treiben, aber nicht, um sie verteidigen zu können. Das hast du so gut wie jeder von uns gewusst. Und warum bist du denn nicht selbst mitgeritten?«

McLean hörte gar nicht zu. Fluchend stürzte er in die Hütte.

Jack konnte sich gut vorstellen, was das zu bedeuten hatte. Er riss den Fuchshengst herum und gab ihm die Sporen.

Weit im Norden, für einen Schuss unerreichbar, galoppierten Jed und Ves über das karge Prärieland, auf dem hier und da ein paar verstaubte Kakteen standen und vulkanisches Felsgestein

emporragte.

Jack hatte den Schuppen und das verlassene Mannschaftshaus hinter sich, als in der Hütte der erste Gewehrschuss dröhnte.

Das Projektil pfiff vorbei und traf klatschend eine Saguarokaktee, von der Staub rieselte.

»Lauf!«, rief er dem Pferd zu.

Noch zweimal entlud sich das Gewehr im Blockhaus; einmal wurde ein Felsen getroffen, und ein Querschläger stieg quarrend in den dunstigen Himmel. Dann schien McLean zu begreifen, dass er den vom Staub eingehüllten Reiter nicht mehr treffen konnte.

Western Sammelband 4 Romane: Lady in Blei und andere Western

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