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»Was hast du denn, Jack?« Shere beugte sich über den Tisch. »Ich kann es mir schon denken. Es missfällt dir, dass es mein Geld ist.«

Jack lehnte sich zurück. »Darüber habe ich eben gar nicht nachgedacht.«

»Was ist passiert?«

Er erzählte von der gestohlenen Herde und von McLean, der sich wie ein Verrückter aufgeführt hatte.

»Das ist ja schrecklich.« Shere stand auf.

Jack trank den lauen Rest in der Kaffeetasse und stellte sie auf den Tisch zurück.

»Und die beiden Cowboys?«

»Die sind weggeritten. Was sollten sie auch sonst tun?«

»Vergiss die Geschichte, Jack. Du warst verletzt und hast damit nichts zu tun.«

»Er wird wahrscheinlich heute oder morgen hier auftauchen und Stunk machen. Mich einen Banditen und wer weiß was noch alles heißen.«

»Die Leute hier kennen ihn doch. Das geht zu einem Ohr rein und zum anderen raus.«

Jack ging hin und her und stieß manchmal ein paar der Weideäste aus dem Weg. Die Bündel trugen noch Frachtanhänger, die auf eine weite Reise hindeuteten. »Wie gehen denn deine Geschäfte?«

»Ausgesprochen schlecht. Hier ist nichts los. Aber das Frachtwagengeschäft ist eine wahre Goldgrube. Lawrence und seine alten Fahrer haben nur keine Lust mehr zu den großen Fahrten. Sie laden in La Porte heute Waren für ganz Texas aus, für New Mexiko und für Oklahoma. Aber die wollen eben nicht mehr so weit kutschieren. Es sind alte Leute, die nachts im Bett schlafen wollen. Und zwar in ihrem eigenen.«

»Dann wäre ich viel unterwegs.« Jack blieb am Fenster stehen und schaute auf die ausgefahrene Main Street.

»Daran habe ich natürlich auch schon gedacht.« Shere kam zu ihm und legte die Hand auf seine Schulter. »Für zwei Wagen finden wir in La Porte bestimmt Leute. Wenn nicht dort, dann in Houston. Das ist ja inzwischen eine große Stadt geworden. Und einen Wagen müsstest du mit einem Begleiter eine Weile selbst fahren. Und wenn wir ein bisschen was verdient haben, übernimmst du den Bürokram, die Ladungsbeschaffung in La Porte und was alles damit zusammenhängt. Dann könntest du meistens hier sein. Wenigstens nachts. – Gib dir einen Ruck! Lass uns mit dem alten Lawrence reden.«

»Wann?«

»Am besten jetzt gleich.«

»Hast du eine Ahnung, was er tun will?«

»Er geht fort. Zu einer Schwester irgendwo im Osten. Er meint, dieses Land taugt nur für junge Menschen, die möglichst schnell alt werden wollen. Komm, gehen wir!«

Jack ließ sich aus dem Haus schieben. Unter den Vordächern gingen sie zum östlichen Stadtende.

Val Lawrences Anwesen bestand aus einem geräumigen Hof, einem hohen Lagerschuppen, einem Dach, unter dem drei Frachtwagen standen, dem Stall und einem Corral, in dem die zwölf Pferde untergebracht waren. Gras gab es darin längst nicht mehr, dafür eine Futterkrippe neben der Tränke.

Die Remise war an den hohen Lagerschuppen angebaut.

»Was habe ich dir gesagt, die Wagen stehen hier herum, anstatt unterwegs zu sein und Geld zu bringen!«

Das Wohnhaus stand an der Seite, mit einer Front an der Main Street. Die Tür befand sich jedoch im Hof.

»Mister Lawrence?« Shere schlug gegen das kleine Küchenfenster im Blockhaus. »Ich bin es, Shere Gatow!«

Drinnen schabten Stuhlbeine über den Boden. Die Tür öffnete sich knarrend. Lawrence war ein achtundsechzig Jahre alter, grauhaariger und buckliger Mann. Er war abgerissen gekleidet, trug trotz der Hitze eine schwere, viel zu große und geflickte Jacke und hustete andauernd.

»Ach so, Sie sind es, Shere.« Lawrence quälte sich ein Lächeln ab.

»Ich komme noch mal wegen des Fuhrunternehmens, Mister Lawrence.«

»Was ist denn damit?« Ein neuer Hustenanfall schüttelte den Mann, Shere musste warten. »Entschuldigen Sie, Miss. Was wollten Sie gleich?«

Shere schaute Jack an, doch als der keine Anstalten machte, etwas zu sagen, erklärte sie: »Wegen Ihres Unternehmens. Wir sprachen doch schon mal darüber. Ich würde es vielleicht kaufen.«

»Kaufen? Wir sprachen darüber, dass Sie mein Geschäft kaufen würden?« Lawrence hustete und schüttelte den Kopf. »Daran kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern, Miss.«

»Na ja, so direkt darüber gesprochen haben wir nicht«, lenkte Shere ein. »Nur andeutungsweise. Aber jetzt ist die Sache spruchreif.«

»Seid ihr zu Geld gekommen?«

»So ungefähr. Aber das darf vorerst niemand erfahren!«

»Na ja, dann kommt mal rein.« Lawrence schlurfte in die halbdunkle Hütte zurück. Sie hatte rohe, dunkle Wände, benutztes Geschirr häufte sich auf dem Tisch, Fliegen kreisten unter der Lampe, Pferdegeschirre und Kleidungsstücke lagen herum. Es roch nach Schweiß und Rauch.

»Entschuldigen Sie die Unordnung«, sagte Lawrence.

»Stört uns nicht«, meinte Shere. »Was soll denn der ganze Laden kosten, einschließlich der Gebäude, der Wagen, der Pferde und der bestehenden Frachtverträge?«

Lawrence stützte die knochigen Hände auf den Tisch. »Wie viel Geld habt ihr denn?«

Shere schaute hilflos auf Jack. Der grinste den alten Mann an.

»Wollen Sie den Preis danach festsetzen, was wir haben?«

Lawrence setzte sich. »Ich habe nie darüber nachgedacht, was das Geschäft wert sein könnte. War ja auch nie ein Käufer in Sicht. Nicht in diesem Nest.«

Jack setzte sich. »Die schweren Wagenpferde werden mit ungefähr vierzig Dollar gehandelt. Das wären vierhundertachtzig für alle zwölf. Ein gebrauchter Frachtwagen dürfte für dreihundert zu haben sein. Also drei Wagen und zwölf Pferde kommen auf ungefähr dreizehnhundert Dollar.«

»Sie runden verdammt ab!«

»Viertausend für alles.«

Lawrence stand auf und stemmte die Hände auf den Tisch. »Viertausend Dollar? Ist das Ihr Ernst?«

Jack erhob sich ebenfalls. »Überlegen Sie es sich. Wenn Sie nicht wollen, bauen wir uns selbst ein Geschäft auf, wahrscheinlich kämen wir dann sogar mit weniger Geld aus.«

»Das würde Sie eine Menge Arbeit kosten.«

»Das würden wir auf uns nehmen.« Jack schob Shere vor sich her aus der Blockhütte. Im Hof atmete er auf. Das Halbdunkel in dem Haus war bedrückend gewesen.

»Wir könnten doch noch etwas zulegen«, flüsterte das Mädchen.

»Ausgeschlossen. Du brauchst noch Geld, um die Bude zu renovieren, größere Fenster müssten rein, vielleicht das eine oder andere an den Nebengebäuden und Wagen repariert werden, und Leute willst du auch einstellen. Und für die Ladungen, die du übernehmen willst, brauchst du eine Anzahlung. Ich habe nichts mehr. McLean hat keinen Dollar gezahlt.«

Lawrence kam ihnen nach.

Jack schaute über die Schulter. »Überlegen Sie es sich, Mister Lawrence. Und bitte, das mit dem Geld soll auf jeden Fall unter uns bleiben.«

Sie verließen den Hof und kehrten zu Sheres kleiner Adobelehmhütte zurück.

»Er verkauft«, sagte das Mädchen. »Da bin ich ganz sicher. Bliebe noch die Frage, wann wir heiraten.«

»Wenn es ohne großen Aufwand geht, von mir aus gleich. Dann hat alles die Form, die die Leute erwarten.« Jack blieb an der Tür stehen. »Der Friedensrichter sitzt beim Sheriff drüben. Soll ich ihn holen?«

Shere küsste ihn. »Nein, ich komme mit.«

Sie überquerten die Main Street, erreichten das Office. Der Friedensrichter saß dem Hilfssheriff am Schreibtisch gegenüber und pokerte mit ihm um Patronen, den Schlüssel zum Jail, einen Trinknapf und um ein paar Kupfermünzen.

Der weißhaarige Mann schaute auf und lächelte Shere an. »Sie werden von Tag zu Tag hübscher, mein Kind.«

»Und Sie von Tag zu Tag ein größerer Schmeichler, Friedensrichter.«

Hilfssheriff Goring schob seine Karten zusammen und legte sie auf den Tisch. »Ihr kommt im falschen Augenblick. Gerade war ich dabei, ihm alles abzunehmen.«

Friedensrichter Douglas warf die Karten hin. »Du musst dich nicht damit brüsten, dass du besser mogeln kannst als ich.« Der Mann schaute wieder auf Shere und Jack. »Wollt ihr zu mir oder zum Sheriff?«

»Eigentlich zu Ihnen«, erwiderte Shere. »Würden Sie uns trauen?«

Gorings Mund klappte auf. »Was denn, ihr wollt heiraten? «

Shere nickte.

»Wann?« fragte der Richter.

»Jetzt gleich«, erwiderte Jack. »Und bevor es alle Leute erfahren.«

»Hast du einen Sonntagsanzug?«, fragte der Richter streng.

»Nein.«

»Macht nichts, es geht auch so. Wartet hier, ich hole nur die Bibel und das Stadtbuch.« Richter Douglas verließ das Office.

»Das wird dich ein Fässchen Whisky kosten, Freundchen!«, mahnte der Hilfssheriff mit erhobenem Zeigefinger. »Eine Minute, nachdem es passiert ist, erfahren es die Leute. Mein Wort darauf!«

Western Sammelband 4 Romane: Lady in Blei und andere Western

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