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Die Postkutsche rollt durch die letzten Haarnadelkurven und dann über einen flacher werdenden Hang.

Der Nachmittag geht in den frühen Abend über. Wo die schrägen Sonnenstrahlen durch das grüne Blätterdach fallen, rauchen und kochen goldene Nebel.

Das Mädchen auf dem Sitz neben Bill Murphy hat kein einziges Wort gesprochen. Sie sitzt aufrecht und anmutig da und passt sich geschmeidig den schwankenden, stoßenden Bewegungen der dahinrollenden Postkutsche an.

„Haben Sie Verwandte in der Missoula-Gulch?“, fragt Bill unvermittelt.

Sie erwidert seinen Blick, ehe sie antwortet.

„Ja, mein Vater. Warum fragen Sie?“

Bill zuckt die Achseln.

„Nach allem, was ich gehört habe, ist die Missoula-Schlucht ein ziemlich raues Camp. Aber wenn Sie einen Vater dort haben, dann ist ja alles in Ordnung.“

Sie hebt das Kinn.

„Ich kann schon auf mich aufpassen.“

Das Goldgräber-Camp liegt auf den terrassenartig abfallenden Hängen der Missoula-Gulch, über einigen ebenen Landstreifen, die sich zu beiden Seiten eines sprudelnden Baches erstrecken. Auf ihnen wimmelt es von Menschen.

Völlig durchnässte, schlammverschmierte Goldsucher arbeiten in wütender Hast. Sie springen unaufhörlich in flache Stollen und Löcher hinein und wieder heraus. Sie gleichen — aus einiger Entfernung betrachtet — einer Armee verrückt gewordener Murmeltiere.

Das Camp ist ein ziemlich wirres Durcheinander. Die einzige Straße windet sich krumm zwischen schäbigen Baracken dahin. Die Männer scheinen gebaut zu haben, wo der Zufall oder eine plötzliche Laune es wollten.

Die voranfahrende Postkutsche hat bereits vor einem der besser aussehenden Blockhäuser gehalten.

Die Passagiere klettern schon heraus, als Bill Murphy sein Gespann daneben halten lässt.

Im Nu haben sich um die Kutschen herum Gruppen von Menschen gebildet.

Zwei Kutschen auf einmal?, tuscheln sie. Fragen werden laut, und der Fahrer der ersten Kutsche gibt mit dumpfer Stimme die Erklärung.

Rasch verbreitet sich die Nachricht von dem Überfall durch das ganze Camp. Ein drohendes Murmeln geht durch die Menge.

„Ich habe eine gute Portion Gold mit der Kutsche verfrachtet!“, ruft einer der Goldgräber. „Dieses Camp braucht ein Goldgräbergericht, das einige Hälse in die Länge zieht!“

Ein anderer Mann warnt den Zornigen:

„Pass besser auf deine Worte auf, Barney Fox. Sonst bekommst du nämlich ein Messer zwischen die Rippen, genauso wie Clem Winters, als er den gleichen Vorschlag machte.“

Das Mädchen an Bill Murphys Seite hat sich vorgebeugt und die Menge mit nahezu ängstlichen Blicken abgesucht. Als sie jetzt die Worte des Miners hört, fährt sie wie unter einem Peitschenhieb zusammen.

Dann erstarrt sie, und ein wilder Schrei dringt über ihre Lippen.

Sie wäre kopfüber von der Kutsche gesprungen, wenn Bill sie nicht am Arm gepackt hätte.

„Vorsichtig!“, warnt er sie barsch. „Die Kutsche ist verdammt hoch. Ich werde Ihnen hinabhelfen.“

Ruckartig wendet sie sich ihm zu. Ihr Gesicht ist gespenstisch bleich und ihre Augen schimmern groß und dunkel.

„Lassen Sie mich los! Haben Sie gehört, was der Mann eben gesagt hat? Dad — er ist — er ist ...“

„Vorsicht“, sagt Bill wieder, diesmal in sanfterem Ton. „Wir werden das schon herausfinden.“

Bill klettert hinab und hilft dann dem Mädchen. Er hebt sie über das Rad herunter.

Den Mann inmitten der Menge hat er sich gemerkt, und jetzt bahnt er sich seinen Weg zu ihm hin.

„Einen Augenblick, Freund!“, ruft er. „Sie haben da was über einen Mann namens Clem Winters gesagt, wie?“

Der Miner blickt Murphy misstrauisch an.

„Und wenn ich das getan habe?“, gibt er mürrisch zurück. „Ich habe ihm das Messer nicht zwischen die Rippen gesteckt, zum Geier!“

Die Stimme des Mädchens wird zu einem verzweifelten, dünnen Jammern.

„Clemens Winters ist mein Vater! Er kann doch nicht — kann doch nicht ...“

Die Haltung des Mannes ändert sich sofort.

„Alle Hörner und Klapperschlangen, Miss! Ihr Vater? Ihre Ankunft wird ihm bestimmt helfen, schneller gesund zu werden!“

„Dann — dann ist er nicht tot?“

„Aber nein! Clem ist ein zäher, alter Kampfhahn, und er hat sich schon wieder ganz gut herausgemacht.“

Das Mädchen seufzt erleichtert auf.

„Und wo ist er?“

„In der Hütte, in der er mit Les Jarden wohnt.“

„Well, Mister“, mischt sich Bill Murphy ein. „Würden Sie so freundlich sein, uns die Stelle zu zeigen?“

„Klar — kommen Sie!“

Sie brechen sich Bahn durch die Menge und gehen die Straße entlang.

Der Goldgräber weist auf eine Hütte, die am äußeren Rande des Terrassenlandes steht.

„Die ist es.“

Bill bedankt sich und schreitet dann schneller aus, um mit dem fast rennenden Mädchen auf gleicher Höhe zu bleiben.

Fast haben sie die Hütte erreicht, als sich die Tür öffnet, hieraus tritt ein junger Mann. Er ist gut gebaut, mit einem ziemlich hübschen Gesicht und langem, hellbraunem Haar.

Er starrt Bill und das Mädchen sehr überrascht an.

„Ich bin Mary Winters“, sagt sie schnell. „Ist mein Vater drinnen?“

Der junge Goldgräber hat sich inzwischen von seiner Überraschung erholt und nickt.

„Gehen Sie nur gleich hinein, Miss. Ich — ich bin Les Jarden. Du meine Güte, in der Hütte sieht es furchtbar aus. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie kommen, hätte ich natürlich aufgeräumt. Herrje, das wird Clem aber wirklich guttun!“

Das Mädchen hört ihn gar nicht. Sie rennt in die Hütte, und dann hört Bill Murphy sie rufen:

„O Dad! Dad, hier ist Mary ...“

Bill starrt einen Moment auf die Hüttentür. Dann wendet er sich Les Jarden zu.

„Sind Sie Winters' Partner?“

„Nicht gerade sein Partner — aber ich habe die Hütte mit ihm geteilt. Ich könnte mich einen guten Freund von ihm nennen. Warum fragen Sie?“

In Ton und Haltung des jungen Mannes ist ein leiser Trotz zu spüren.

„Für ein Mädel wie Miss Mary Winters ist das hier ein ziemlich raues Camp“, meint Bill Murphy. „Und sie ist wirklich eine Lady. Daran sollte jeder denken.“

Bill wendet sich um und schlendert zur Mitte des Camps zurück.

Immer noch drängt sich die Menge um die Tür der Poststation.

Bill bahnt sich seinen Weg hindurch und betritt das Office. In einer Ecke des Raumes liegen die beiden reglosen Gestalten. Ein kleiner, muskulöser Mann mit breitem, kräftigem Kinn deckt sie eben mit einer Plane zu.

Die blauen Augen des Mannes sind hell vor Zorn, als er sich an einen schlaksigen, hageren Mann wendet, der einen seltsamen, achtzackigen Stern auf seinem Hemd trägt.

„Ich will einfach keine weiteren Entschuldigungen hören, Cooley. Ich möchte Erfolge sehen. Sie sagen, Richter Ormond in Timber Lodge hat Sie als Hüter des Gesetzes hierher in die Missoula-Gulch gesandt. Well, dann lassen Sie was von Recht und Gesetz sehen — und zwar so, dass auch einige andere außer Tom Crocket Nutzen davon haben. Wer den Überfall verübt hat, muss Spuren hinterlassen haben. Mit anderen Worten: Reiten Sie hinaus, und unternehmen Sie etwas!“

Tim Cooley, der Mann mit dem seltsamen Stern, lächelt vage.

„Sie scheinen zu vergessen, Mister Cox, dass ich nur sogenannter Schiedsmann in diesem Camp bin. Ich bin da, um Entscheidungen herbeizuführen, wenn es um strittige Ansprüche auf irgendwelche Claims geht. Ich bin da, um Besitztitel zu beglaubigen oder sonstige Anweisungen zu erfüllen, die Richter Ormond mir geben mag. Aber ich bin weder Sheriff noch Marshal, ich ...“

„Hä!“, schnaubt Ben Cox, der Postagent, stampft wild heran und tippt auf Cooleys Stern, der die Gravierung trägt „Camp Guardian“ — „Camp-Hüter“. „Und was ist das, he? Für diesen Job haben Sie verdammt merkwürdige Ansichten, wie?“

Tim Cooleys blasse Augen werden schmal.

„Ich befolge nur Richter Ormonds Anweisungen.“

„Well! Dann werde ich mich mal mit Ormond in Verbindung setzen. Überhaupt erscheint mir da manches sonderbar ...“

„Also gut!“, sagt da Cooley rasch. „Ich werde selbst mit dem Richter reden. Und bis dahin spiele ich eben 'n bisschen den Banditenjäger. Bin selbst daran interessiert, dass endlich Ruhe in unser Camp einzieht.“

Ben Cox ist überrascht über Cooleys plötzliche Entschlossenheit. Aber Jake Howe, der Fahrer, unterbricht seinen Gedankengang:

„Haben die Kutsche im Winkel der vierten Haarnadelkurve diesseits des Passes gefunden, Cooley.“

Der Schiedsmann erwidert mit flacher, kühl klingender Stimme:

„Ich werde mich umsehen. Aber wie weit ich den Spuren folgen kann, ist eine andere Frage. Sie vergessen alle, dass das hier ein verdammt weites und raues Land ist. Es handelt sich um kein Kornfeld von zehn Acres. Und ich bin schließlich kein Zauberer.“

Er dreht sich um und stapft hinaus. Bill sieht noch einmal sein dunkles Gesicht und die blassen Augen, in denen ein heißer Zorn brennt.

„Das ist der Mann, der Tom Sarbers Postwagen hergebracht hat“, erklärt Jake Howe. „Vielleicht kannst du geschäftlich mit ihm reden, Ben.“

Der stämmige Mann betrachtet Bill und nickt dann.

„Wenn Sie wollen, können Sie den Posten des toten Fahrers haben, mein Freund.“

Bill schüttelt den Kopf.

„Danke, bin nicht daran interessiert.“ Er wendet sich wieder an Jake Howe. „Die junge Lady muss doch Gepäck gehabt haben? Wo ist es?“

Im Gepäckabteil der Postkutsche stehen zwei wohl gefüllte Reisetaschen, die Jake Plowe jetzt Bill übergibt. Dieser bringt sie zu der Hütte am Rande des Terrassenlandes.

Als er anklopft, erscheint Les Jarden an der Tür.

„Miss Winters' Gepäck“, erklärt Bill.

Er will sich schon abwenden, als das Mädchen an Jarden vorbeischlüpft.

„Warten Sie doch!“, ruft sie. „Sie sind wirklich sehr freundlich und hilfsbereit zu mir gewesen. Ich möchte Ihnen danken, Mister ...“

„Murphy, Bill Murphy. Aber Dank ist nicht nötig, Miss Winters. Ich möchte hoffen, dass es Ihrem Vater schon wieder besser geht.“

Sie lächelt.

„Zuerst war er brummig wie ein Bär und hat gesagt, ich hätte nicht in ein so raues Camp kommen dürfen. Aber in Wirklichkeit ist er froh, dass ich da bin.“

Der grimmige Zug um Bills Mund wird ein wenig sanfter.

„Davon bin ich überzeugt.“

Er greift flüchtig an seinen Hut und kehrt dann wieder in die Stadt zurück.

Das wäre erledigt, denkt er. Jetzt hat er genug mit sich selber zu tun. Zuerst muss er Tom Crocket aufsuchen, wenn er Essen und ein Bett für die Nacht haben will. Der lange Tag hat ihn viel Kraft gekostet. Die verwundete Hüfte schmerzt. Er empfindet darüber den ungeduldigen Zorn eines starken Mannes, der gewöhnlich über jede körperliche Schwäche erhaben ist.

Bill tritt durch die Tür eines langen Holzgebäudes, in dem jemand misstönend auf einem Klavier herumhämmert. Ein Schild über dem Eingang verkündet, dass sich der Saloon „Big Nugget“ nennt.

Die lange Bar und die zahlreichen Pokertische sind gut besetzt. Der rückwärtige Teil des Raumes ist als Tanzfläche freigelassen; jetzt aber ist er leer — bis auf den Mann am Klavier.

Dieser Mann sieht eigenartig aus. Er ist klein, fast zwergenhaft. Er beugt sich dicht über die Tasten, während seine plumpen, aber erstaunlich beweglichen Finger eine Dissonanz nach der anderen erklingen lassen. Ein bitterer Ausdruck liegt auf seinem bleichen Gesicht.

Gleich nachdem Bill Murphy eingetreten ist, verstummt das Klavier mit einem letzten, schrillen Missklang, denn im selben Moment ertönt die Stimme eines Mannes schroff und wütend.

„Und ich sage Ihnen, ich werde jetzt hineingehen und mit Tom Crocket sprechen! Niemand wird mich daran hindern. Aus dem Weg, Sanders!“

Die Menge weicht zurück, und jetzt kann Bill die beiden Männer sehen, die einander gegenüberstehen. Einer der beiden ist ein stämmiger Goldgräber; sein Gegenüber jedoch ist ein schlanker, fast zierlicher Mann, über dessen Gesicht in diesem Augenblick ein spöttisches Lächeln huscht.

„Tom darf jetzt nicht gestört werden, Dorgan. Sie haben gestern mit ihm gesprochen. Der Streitfall ist erledigt, klar? Gehen Sie wieder an Ihre Arbeit!“

„Das will ich ja“, gibt der Goldgräber fauchend zurück. „In diesem Nebenraum steckt eine dreckige, diebische Ratte, und der Name dieser Ratte ist Tom Crocket. Weder er noch sonst jemand kann mir meinen Claim stehlen und damit durchkommen. Ich werde jetzt hineingehen und mir die Ratte vornehmen!“

Der Mann setzt sich in Bewegung, und der andere wippt lässig auf den Zehen.

„Das ist weit genug, Dorgan“, warnt er lächelnd.

Der Goldgräber beginnt zu fluchen und zerrt wütend einen alten Bulldog-Revolver aus seiner Tasche.

Seine Absicht ist deutlich, aber er ist langsam und ungeschickt. Er hat den Revolver erst halb aus der Tasche gezogen, als der zierliche Mann einen Colt aus einem Schulterholster reißt und Dorgan niederschießt.

Langsam einknickend, stürzt der Goldgräber, als ihm der andere eine zweite Kugel durch die Brust jagt.

Das Krachen der Schüsse verklingt.

Eine lange, atemlose Stille tritt ein.

Erst das Aufschlagen einer Tür am anderen Ende der Bar unterbricht das lastende Schweigen. Tom Crocket tritt heraus. Er wirkt vollkommen ruhig.

„Was ist hier los, Kit?“, fragt er.

Der zierliche Mann weicht zurück und hält dabei die Menge wachsam im Auge.

„Dorgan“, sagt er über die Schulter zurück. „Er wollte dich über den Haufen knallen, Tom. Ich hab ihn gewarnt und fortgeschickt, aber er hat gezogen — das war alles.“

Mitten in der schweigenden Menge sagt plötzlich jemand:

„Ich kann euch noch andere nennen, die an einem dieser Tage ihr Glück versuchen werden. Jack Dorgan war ein guter, ehrenwerter Mann.“

Kit Sanders wippt wieder auf den Zehenballen und starrt den Mann an, der eben gesprochen hat.

„Du wirst dich auch noch in dein Grab hineinreden, Barney Fox.“

„Ich trage keinen Revolver bei mir, Kit Sanders“, antwortet Fox ruhig. „Ich bezweifle also, dass ihr es wagen werdet, mich am hellen Tag zu ermorden. Und bei Nacht werde ich verdammt scharf aufpassen, Kit Sanders!“

Eine Bewegung und ein drohendes Grollen läuft durch die Menge. Dann sagt eine andere Stimme:

„Du hast dem schmutzigen Killer richtig Bescheid gesagt, Barney. Es gibt eine Grenze für alles — auch hier in der Missoula-Gulch. Wer hilft mir jetzt, Jack Dorgan wegzutragen?“

Mehrere Männer treten heran, heben den Toten auf und tragen ihn hinaus.

Der zierliche Killer beobachtet sie kühl, und das dünne, spöttische Lächeln spielt noch immer um seine Lippen.

Bill Murphys Augen sind undurchschaubar, als er die Vorgänge beobachtet. Für ihn ist gewaltsamer, plötzlicher Tod nichts Neues. Seit Männer zum ersten Mal über die Erde schritten, haben sie gegeneinander gekämpft und einander getötet. Und sie werden es wohl immer weiter so tun bis an das Ende aller Zeiten, überlegt er skeptisch.

Er richtet den Blick auf Tom Crocket, der ihn im gleichen Augenblick entdeckt hat.

Einen Moment lang starrt Tom Crocket ihn an, als sei er seiner Sache nicht ganz sicher, dann ruft er:

„Murphy — Bill Murphy!“

Bill stakst herüber, um ihn zu begrüßen. Crocket hat seine Hand schon ausgestreckt und strahlt ihn mit seiner alten Herzlichkeit an.

„Mann!“, ruft er. „Bin ich froh, dich wiederzusehen! Ich hatte schon die Hoffnung aufgegeben, dass mein Brief dich je erreichen würde. Bill, du hättest dir für dein Erscheinen keinen günstigeren Augenblick aussuchen können.“

Bill Murphy zuckt mit den Schultern, während er Crocket die Hand schüttelt.

„Mir scheint, einen ziemlich rauen Augenblick habe ich mir ausgesucht, Tom.“

Sie sitzen allein im Nebenzimmer des Big Nugget, und Bill hört zu, während Tom Crocket spricht.

„Erinnere mich noch genau an die Zeit, als wir Seite an Seite in dem verdammten Weidekrieg geritten sind. Da hat es auf beiden Seiten harte Männer gegeben, aber keiner war härter als du. Und gescheit warst du auch. Das war der Grund, warum ich mich an dich erinnerte. Ich brauche nicht nur harte, sondern auch gescheite Männer.“

„Vielleicht überschätzt du mich ein bisschen, Tom“, meint Bill gedehnt. „Ich komme bankrott und schwach wie eine kranke Katze hierher, weil ich mich in Timber Lodge einmal von einem Kartenhai habe überrumpeln lassen. Solche Sachen sollten einem harten und gescheiten Mann eigentlich nicht passieren.“

Crocket lacht schallend.

„Bankrott hast du gesagt? Well, das könnten wir schnell ändern.“

Ein solider Eisensafe steht in einer Ecke des Raumes. Crocket arbeitet kurze Zeit an dem Schloss.

Als er wieder zurückkommt, wirft er Bill einen dicken, kleinen Hirschlederbeutel hin, der mit einem dumpfen Schlag auf die Tischplatte prallt.

„Das gehört dir“, meint er lässig. „Etwa anderthalb Kilo. Damit kannst du dir kaufen, was du brauchst. Wenn du mit mir zusammengehst, ist dir jeden Monat ein ebenso schwerer Beutel sicher. Na, alter Junge, was sagst du jetzt?“

Bill wiegt den Goldbeutel in der Hand und überlegt. Crocket hat also in seinem Brief nicht gelogen. Hier ist wirklich viel Geld zu verdienen — sehr viel Geld.

Er lehnt sich zurück.

„Also gut, schieß los — aber vergiss nicht, Tom: Ich habe mir noch ein Stück Gewissen bewahrt.“

Wieder lacht Crocket herzlich.

„Ich war ein einziges Mal ein Narr, und zwar damals, als ich für vierzig Dollar und Verpflegung für Gar Parden meine Haut zu Markte getragen habe. Mach dir keine Sorgen: Das Gesetz steht voll und ganz auf unserer Seite. Und hier ist die ganze Geschichte — kurz und bündig!“

Crocket macht eine kleine Pause und zündet sich eine schwarze Zigarre an. Er saugt eine Lunge voll Rauch ein und beginnt:

„Ein Goldsucher namens Carr hat hier den ersten Fund gemacht und damit das Camp zum Leben erweckt. Ich hatte etwas Geld — gerade genug, um dieses Gebäude auf die Beine zu stellen und ins Geschäft zu kommen. Im vergangenen Winter ist dann Andy Carr wieder von der ewigen Unruhe des echten Goldsuchers gepackt worden. Er konnte es hier mit einem Mal nicht mehr aushalten und bot mir seinen Entdeckungsclaim an. Der Claim war geradezu geschenkt, und ich habe schnell zugegriffen.

Ich habe mich darangemacht, den Entdeckungsclaim auszubeuten. Das ist aber nicht alles. Bei einem Fundort wie der Missoula-Gulch richtet sich die Lage der meisten Claims nach dem Entdeckungsclaim. Wenn ein Mann also seinen Claim eintragen lässt, meldet er ihn als so und so viele Yards ober oder unterhalb des Entdeckungsclaims befindlich an.“

Bill nickt.

„Davon habe ich schon gehört. — Erzähl weiter!“

Crocket dreht die Zigarre zwischen seinen Lippen.

„Schön. Wenn nun ein Mann einen größeren Fehler in seinen Abmessungen macht, ist sein Besitztitel ungültig. Der Grund steht dann jedem Mann offen, der sich darauf eintragen lässt, und zwar richtig eintragen lässt.

Nachdem ich also den Claim gekauft hatte, überprüfte ich die Abmessungen und Grenzen anderer Claims. Dabei habe ich festgestellt, dass die ersten Claims oberhalb und unterhalb des Entdeckungsclaims falsch abgesteckt waren. Der unterhalb liegende Claim reicht um etwa dreißig Yards in den Entdeckungsclaim hinein, während der oberhalb liegende Claim um etwa die gleiche Strecke von meinem Claim getrennt ist. Dadurch wurde die Eintragung beider Claims ungültig, und ich bin in diese Claims eingerückt.“

Crocket zuckt mit den Schultern.

„Und jetzt ist die Hölle los. Die früheren Claim-Inhaber stoßen alle Arten von Drohungen aus und beschuldigen mich jedes Verbrechens, vom Babyraub bis zur Bigamie.“

„An ihrer Stelle würde ich wahrscheinlich ebenso reagieren.“

Tom Crocket lacht wieder dröhnend.

„Natürlich, das würde ich auch! Wie die Dinge aber liegen, bin ich vollkommen im Recht, und ich wäre ein Narr, wenn ich das nicht ausnützen würde. Sobald mir das Gesetz Unrecht gibt, werde ich abrücken.“

„Die Art von Rechtsprechung, die solche Fragen regeln können, ist aber noch recht weit von der Missoula-Schlucht entfernt, wie?“, fragt Bill trocken.

Crocket zuckt die Achseln.

„Das ist das Pech der anderen.“ Er lehnt sich mit gespreizten Ellbogen über den Tisch. „Wir beide haben doch diesen Weidekrieg mitgemacht. Worum ging es da? Um Gras und Wasser! Grenzen wurden umkämpft. Wer hatte alles in der Gewalt, als ich weggeritten bin? Gar Parden. Und wie hat er die Dinge in die Hand bekommen? Indem er einfach vorgerückt ist und das Land besetzt hat. Wer hat ihm aber geholfen, in das Land zu rücken? Leute wie du und ich. Und hast du wegen deines Anteils an diesem Kampf irgendwann nicht schlafen können?“

„Ich habe überhaupt nicht darüber nachgedacht“, gibt Bill Murphy zu. „Auf jeder Weide war das die Ordnung der Dinge, die man hingenommen hat. Du bist für die eine oder die andere Mannschaft geritten, und du hast auf jeden Fall kämpfen müssen.“

Crocket lässt die geballte Faust auf die Tischplatte sausen.

„Genau das ist es auch hier! Aber einen großen Unterschied hat die Sache doch: Dort hast du vierzig Dollar im Monat und freie Verpflegung gehabt, und hier bekommst du drei Pfund Gold im Monat. Und wenn der Ertrag es ermöglicht — ich bin dessen ziemlich sicher — werde ich den Sold noch erhöhen.

Ich baue in jedem meiner drei Claims Schlemmkästen ein — solche schrägen, hölzernen Wasserbahnen mit einem Goldsieb am Ende. Außerdem werde ich richtige Arbeitsmannschaften in die Claims schicken, die den Kies gründlich durcharbeiten sollen. Bei jeder Entleerung wird für Tausende von Dollars Gold in den Siebkästen sein. Diese Art von Schatz verlangt aber eine Bewachung — eine Bewachung durch Männer, die hart und zugleich clever sind und denen ich völlig vertrauen kann.“

Bill Murphy wischt sich über den Mund.

„Und du glaubst, dass ich dafür geeignet bin?“

„Wenn ich es nicht glauben würde, dann hätte ich mir nicht die Mühe gegeben, dich aufzuspüren. So, jetzt kennst du die allgemeine Lage; wie gefällt sie dir?“

Bill steht auf und verstaut den schweren Goldbeutel in seiner Tasche.

„Wo kann man in diesem Camp schlafen und essen?“

„In meiner Hütte ist ein Bett frei. Komm!“

Gesetz der Banditen: Western Bibliothek 15 Romane

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