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§ 1 Wirtschaftliche Integration
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Die Europäische Union (EU) hat gem. Art. 1 Abs. 3 EUV ihre Rechtsgrundlage im Vertrag über die Europäische Union (EUV)[1] sowie im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der seinerseits auf dem ehemaligen EG-Vertrag [ursprünglich EWG-Vertrag][2] beruht. Bisher stützte sich die EU gem. Art. 1 Abs. 3 EUV aF auf „drei Säulen“. Die „erste Säule“ bildeten die drei Gemeinschaften, nämlich die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS),[3] die Europäische Gemeinschaft (EG)[4] und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG);[5] die „zweite Säule“ beinhaltete die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gem. Art. 11–28 EUV aF; die „dritte Säule“ hatte gem. Art. 29–42 EUV aF die politische und justizielle Zusammenarbeit zum Gegenstand. Die EGKS ist inzwischen wegen Zeitablaufs beendet.[6] Im Übrigen sind die „drei Säulen“ durch den Vertrag von Lissabon[7] miteinander verschmolzen worden, bis auf die EAG, die neben der EU auf eigener Vertragsgrundlage fortbesteht.
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Die Europäische Gemeinschaft (EG) war 1957 als Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit dem Ziel der Integration der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten in einen Gemeinsamen Markt gegründet worden (Art. 2 EWGV). Die „Einheitliche Europäische Akte“ (EEA) von 1986[8] sowie die anschließende Gründung der Europäischen Union im Jahre 1992 durch den Vertrag von Maastricht[9] haben diese wirtschaftliche Ausrichtung der EG durch das Binnenmarktkonzept[10] und durch die Entwicklung einer Währungsunion[11] noch bekräftigt. Die zentrale Bedeutung der EG als Wirtschaftsgemeinschaft für die Europäische Integration hat der Vertrag von Amsterdam[12] aus dem Jahre 1997 ebensowenig in Frage gestellt wie der im Jahre 2003 in Kraft getretene Vertrag von Nizza.[13] Mit dem Vertrag von Lissabon geht die Europäische Gemeinschaft nunmehr im größeren Rahmen der Europäischen Union auf. Sie ist jetzt auch normativ eingebettet in den Gesamtzusammenhang des Unionsrechts. Binnenmarkt und Währungsunion bleiben aber weiterhin die Kernbestandteile der Europäischen Integration.
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Mit der Betonung der wirtschaftlichen Integration durch Zusammenschluss der Volkswirtschaften zu einem Gemeinsamen Markt bzw. Binnenmarkt ist die politische Motivation, die der Europäischen Einigung von Beginn an zugrunde gelegen hat, von vornherein nie in Frage gestellt worden. Es ging stets darum, Frieden zu schaffen und die alten Gegensätze zwischen den Staaten durch einen Zusammenschluss der europäischen Völker zu überwinden. Aber schon der Schuman-Plan von 1950, der den entscheidenden Anstoß für den Integrationsprozess gegeben hat, ist von der befriedenden Wirkung des wirtschaftlichen Austauschs zwischen den Völkern ausgegangen. Er hat die wirtschaftliche Integration zum Angelpunkt des Einigungsprozesses gemacht. Wenn die Völker Europas ihr wirtschaftliches Potential durch den Zusammenschluss ihrer bisher nationalen Volkswirtschaften gemeinsam nutzen würden, dann – so die grundlegende Idee – würden auch politische Konflikte in friedlichen Bahnen ausgetragen werden können und sogar eine politische Einigung möglich werden. Menschen, die zum gemeinsamen Vorteil im Austausch miteinander wirtschaften, sind naturgemäß an friedlichen Verhältnissen interessiert.
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Die Entwicklung, die dann im Laufe der Zeit zur Gründung, Intensivierung und Erweiterung der EU geführt hat, besteht im Kern darin, dass der wirtschaftlichen Integration zunehmend die Dimension der politischen Integration an die Seite gestellt worden ist. Die politische Integration hat sich zum Teil außerhalb des engeren Rahmens der EG vollzogen; zu einem nicht unwesentlichen Teil aber auch innerhalb dieses Rahmens. Das zeigte sich an den zunehmenden Erweiterungen des Katalogs der Gemeinschaftspolitiken im EG-Vertrag (Art. 3 EG), die mit den mehrfachen Vertragsänderungen von Maastricht, Amsterdam und Nizza eingeführt worden sind. Diese Entwicklung hat sich im Änderungsvertrag von Lissabon fortgesetzt und im jetzigen Katalog der Unionspolitiken (Art. 2–6 AEUV) seinen bisherigen Abschluss gefunden. In dem Maße wie sich die der Union zugewiesenen Kompetenzen zur politischen Gestaltung auf die Errichtung eines Binnenmarkts beziehen, ist dadurch ein Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlicher und politischer Integration entstanden. Es stellt sich daher die Frage nach dem ordnungspolitischen Ansatz, welcher der wirtschaftlichen Integration in der EU heute zugrunde liegt.