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3. Institutionelle Unterziele
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Als institutionelle Unterziele nennt der EUV die Errichtung eines Binnenmarkts (Art. 3 Abs. 3 UAbs. I S. 1 EUV) sowie einer Wirtschafts- und Währungsunion (Art. 3 Abs. 4 EUV) und er bezieht sich insgesamt ausdrücklich auf das Konzept einer „in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ (Art. 3 Abs. 3 UAbs. I S. 2 EUV). Die entsprechende Zielbestimmung in Art. 2 des ehemaligen EG-Vertrags hatte „die Errichtung des Gemeinsamen Markts und einer Wirtschafts- und Währungsunion“ ausdrücklich noch als Instrumente betrachtet, „durch“ die sowohl die wirtschaftspolitischen Zwischenziele als auch das übergeordnete allgemeine Ziel der „Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität“ erreicht werden sollten. Eine ähnlich klare funktionelle Ziel-Mittel-Hierarchie ist zwar dem Wortlaut des Art. 3 EUV nicht zu entnehmen. Es könnte vielmehr den Eindruck einer diffusen Gleichrangigkeit aller in dieser Bestimmung erwähnten Ziele entstehen. Das würde aber der unterschiedlichen Eigenart dieser Ziele widersprechen. Die einzelnen Zielbestimmungen bewegen sich nämlich zum einen – wie gezeigt – auf drei unterschiedlichen Abstraktionsebenen. Zum anderen stehen diese drei Ebenen nach wie vor in einer funktionellen Ziel-Mittel-Relation zueinander. So muss die „Errichtung eines Binnenmarkts“ (einschließlich des Systems unverfälschten Wettbewerbs) zwar als institutionelles Unterziel, aber zugleich als Mittel für die Gewährleistung der wirtschaftspolitischen Zwischenziele angesehen werden und diese wiederum als Mittel zur Förderung der Gesamtzielsetzung der Europäischen Integration, insbesondere des „Wohlergehens“ der Völker.[7] An der funktionellen Logik der Zielbestimmungen hat sich daher gegenüber dem EGV im EUV nicht grundlegend etwas geändert.
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Somit ist festzuhalten, dass der EUV das marktwirtschaftliche Ordnungsmodell – ergänzt durch eine soziale und ökologische Komponente nach Maßgabe des AEUV – in den Dienst der Unionsziele stellt. Der EUV geht ebenso wie früher der EGV davon aus, dass dieses Ordnungsmodell am besten geeignet ist, die Vertragsziele zu verwirklichen, insbesondere das „Wohlergehen“ der Völker zu gewährleisten. Die Wirtschaftsverfassung der Union besteht daher im Kern nach wie vor aus dem Binnenmarkt (Art. 3 Abs. 3 UAbs. I S. 1 EUV) sowie einem „System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“ (Art. 51 EUV iVm dem Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb[8]).[9] Dies kommt auch in dem „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ zum Ausdruck, der als Leitprinzip für die Wirtschaftsunion in Art. 119 AEUV kodifiziert ist. Dieser Grundsatz bindet die Union nicht nur hinsichtlich der Koordinierung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken nach Maßgabe der Art. 120–126 AEUV, sondern auch hinsichtlich ihrer eigenen wirtschaftspolitischen Aktivitäten. Auch das hohe Maß an (internationaler) Wettbewerbsfähigkeit, das der EUV mit dem Konzept der „sozialen Marktwirtschaft“ verbindet (Art. 3 Abs. 3 UAbs. I S. 2 EUV) kann nur erreicht werden, wenn sie sich intern an diesem Grundsatz orientiert. Das hat weit reichende Implikationen für die gesamte Vertragsauslegung.
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Für die Förderung des „Wohlergehens“ der Völker als oberster wirtschaftlicher Zielsetzung der Union bedeutet dies, dass die Union die Ressourcenallokation grundsätzlich nicht von sich aus politisch gestaltet, sondern dass sie ihren Bürgern ein marktförmiges Entscheidungsverfahren zur Verfügung stellt, welches ihnen erlaubt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst über ihre Lebenshaltung zu entscheiden. Die Menschen sollen durch die Errichtung eines Binnenmarkts quantitativ und qualitativ bessere Möglichkeiten erhalten, ihre jeweils individuellen Bedürfnisse durch entsprechende Markttransaktionen zu befriedigen. Dabei versteht Art. 3 Abs. 1 EUV den Begriff des „Wohlergehens“ offensichtlich keineswegs im rein materiellen Sinne. Auch immaterielle Werte gehören dazu. Aber auch die Befriedigung immaterieller Bedürfnisse setzt häufig die Verfügung über bestimmte materielle Mittel voraus, die über marktförmige Transaktionen erworben werden müssen. Die Verknüpfung der Förderung des „Wohlergehens“ mit dem Konzept des Binnenmarkts in Art. 3 EUV zielt also insgesamt auf Effizienz im Rahmen einer Ordnung, die auf individuellen Marktfreiheiten beruht. Die Kompetenznormen der Art. 2–6 AEUV konkretisieren die Schritte, die der Errichtung einer dem Unionsrecht konformen marktwirtschaftlichen Ordnung dienen sollen.
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Für die Förderung der wirtschaftspolitischen Ziele fasst Art. 3 Abs. 4 EUV die Vergemeinschaftung der Wirtschafts- und Währungspolitik ins Auge. Art. 119 AEUV konkretisiert, was darunter zu verstehen ist. Die Währungsunion dient der Einführung einer einheitlichen Geldverfassung auf der Grundlage der Zentralisierung der Geld- und Wechselkurspolitik, die ihrerseits vorrangig an das Ziel der Preisstabilität gebunden ist. Die Preisstabilität (genauer: Preisniveaustabilität) ist eine elementare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Preismechanismus und damit des Marktes. Sie sichert die wirtschaftliche Planbarkeit für die Marktteilnehmer, deren Entscheidungen stets auf Prognosen hinsichtlich künftiger Entwicklungen und auf einer Abwägung der in Geld ausgedrückten Nutzen und Kosten bestimmter Handlungsmöglichkeiten beruhen. Die Konformität der zentralisierten Geld- und Wechselkurspolitik mit den Erfordernissen der Marktintegration wird darüber hinaus ausdrücklich dadurch gesichert, dass Art. 119 Abs. 2 AEUV rechtsverbindlich die Beachtung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verlangt.
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Die in Art. 3 Abs. 4 EUV ins Auge gefasste Wirtschaftsunion würde zwar eine Zentralisierung derjenigen wirtschaftspolitischen Kompetenzen voraussetzen, die auf die Verwirklichung der Wachstums-, Stabilitäts- und Beschäftigungsziele ausgerichtet sind. Aber dazu ist es bislang nicht gekommen. Art. 119 Abs. 1 AEUV beschränkt sich auf die Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und die Festlegung gemeinsamer Ziele. Im Übrigen bindet Art. 119 Abs. 1 AEUV auch die wirtschaftspolitischen Aktivitäten der Union und der Mitgliedstaaten an den Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb, dh an die Erfordernisse des Binnenmarkts und des Systems unverfälschten Wettbewerbs. Wachstum und Beschäftigung werden somit grundsätzlich als Folgen der Marktintegration und nicht einer wirtschaftspolitischen Steuerung betrachtet, mit der die Marktergebnisse korrigiert werden. Und das Stabilitätsziel beschränkt die Wirtschaftspolitik auf Maßnahmen, die nicht unmittelbar in die Marktprozesse eingreifen. Dies gilt allerdings unter dem Vorbehalt bestimmter Formen des Marktversagens, das staatliche Korrekturen rechtfertigen kann (siehe dazu im Einzelnen unten Rn. 54 ff.).