Читать книгу Parodontologie von A bis Z - Peter Eickholz - Страница 41
Während der Schwangerschaft auftretende Gingivawucherungen
ОглавлениеIn der Schwangerschaft (überwiegend gegen Ende des ersten Trimenon) kann es – meist als Exazerbation einer schon vorher bestehenden Gingivitis oder Parodontitis – zu einer generalisierten oder gelegentlich auch lokalisierten Gingivawucherung kommen. Hohe Spiegel von Östrogen und Progesteron können bei längerfristiger Einwirkung am Schleimhautepithel zu einer Herabsetzung des Keratinisierungsgrades führen. In Verbindung mit einer gesteigerten Kapillarpermeabilität resultiert eine höhere Vulnerabilität des Gewebes. Die klinisch weiche, rötliche Gingivawucherung wird durch ein sehr gefäßreiches, überschießendes Granulationsgewebe hervorgerufen.
Lokalisierte, exophytische Wucherungen der marginalen Gingiva entstehen bevorzugt im Frontzahnbereich. Sie werden als Epulis vascularis (pyogenes Granulom)3 oder als „Schwangerschaftstumor“ (auch Epulis gravidarum) bezeichnet (Abb. 2). Zu dieser Veränderung kommt es infolge kleiner Gewebstraumen als übermäßige entzündliche Entwicklung von Granulationsgewebe. Vaskuläre Epuliden treten aber nicht nur im Rahmen einer Schwangerschaft auf und können neben einer gingivalen Lokalisation auch an der Zunge, Lippe, der Wangenschleimhaut, dem Gaumen, dem Vestibulum und an Frenula beobachtet werden.
Abb. 2 Pyogenes Granulom, das während der Schwangerschaft auftrat.
Die Epulis vascularis ist eine zumeist interdental gestielte, im Vergleich zu anderen Wucherungen streng lokalisierte Gewebevergrößerung, die innerhalb weniger Monate ihre volle Größe entwickelt (meist < 20 mm)4. Die Oberfläche des Granuloms ist rötlich und häufig ulzeriert bzw. fibrinbedeckt, und sie neigt stark zu Spontanblutungen. Die Inzidenz für eine Epulis vascularis während der Schwangerschaft wird mit 0,5 bis 5 % angegeben5. Eine operative Entfernung ist nur sinnvoll, wenn es durch das Granulom zu Störungen beim Essen oder Sprechen kommt. Ansonsten bildet sich sowohl die lokalisierte als auch die generalisierte Gingivawucherung nach der Geburt auch ohne chirurgische Intervention zumeist zurück.
Neben der Epulis vascularis existieren noch zwei weitere lokal begrenzte gingivale Gewebevergrößerungen, die Epulis fibrosa (peripheres Fibrom) und das periphere Riesenzellgranulom3. Sie werden der Vollständigkeit halber kurz beschrieben.
Die Epulis fibrosa (peripheres Fibrom) zählt zu den fibrösen Gingivawucherungen. Sie besitzt im Gegensatz zur Epulis vascularis eine derbere Konsistenz und eine blasse bis rosafarbene, nicht entzündlich veränderte Oberfläche. Das Bindegewebe zeigt eine faserreiche extrazelluläre Matrix, in der die Kollagenbündel ähnlich den dento- und alveologingivalen Fasern verlaufen.
Das periphere Riesenzellgranulom ist häufig die Manifestation eines zentralen Riesenzellgranuloms. Dieser gutartige Tumor kann sowohl in bezahnten als auch in unbezahnten Kieferabschnitten vorkommen, ist im Unterkiefer häufiger als im Oberkiefer zu beobachten und kann in den benachbarten Knochen eindringen. Die Wucherung ist schmerzlos und weist meist eine dunkelrote Farbe sowie eine entzündlich ulzerierte Oberfläche auf, die leicht blutet. Die genaue Ätiologie der Veränderungen ist nicht vollständig geklärt; als auslösender Faktor werden traumatische Gewebeschädigungen diskutiert.