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Vorwort

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Dieses Buch trägt einen langen Anlauf in sich. Als ich zu Beginn der 1990er Jahre in der universitären Akutpsychiatrie meine psychotherapeutische und beraterische Tätigkeit aufnahm, war ich fasziniert von der Komplexität der psychiatrischen Diagnostik, dem Engagement und der Präzision, mit der meine ärztlichen Kolleginnen und Kollegen diese versuchten umzusetzen. Bereits einige Jahre zuvor hatte ich die „Integrative Therapie“ kennengelernt, in der der Mensch, die Person mit ihrer Lebensgeschichte und Transgenerationalität, ihrer kulturellen und geschlechtsspezifischen Identität im Zentrum stand. Damals erschienen mir die wissenschaftlichen Communitys zwischen querschnittlich-pathologiezentrierter und longitudinal-salutogeneseorientierter Diagnostik noch strikt getrennt, ihre inbegriffenen Theorien und Ideologien unvereinbar. Während für meine ärztlichen Kolleginnen und Kollegen über der Bestimmung von Psychopathologie Mensch, Person und Biografie in den Hintergrund traten, lehnten die Kollegen und Kolleginnen meines Verfahrens aus Gründen des ,Labeling‘ eine fest- oder zuschreibende Diagnostik weitgehend ab. Dieser Spannungsbogen, in dem ich 13 Jahre arbeitete, inspirierte mich, nach Verbindungen zwischen meinem Verfahren und der nach meinem Verständnis so notwendigen psychiatrischen Diagnostik zu suchen.

Es folgten Jahre intensiver Auseinandersetzung mit den Entwicklungswissenschaften (Osten, 2000), der Persönlichkeitspsychologie (Osten & Wörmer, 2006) und den ätiologischen Theorien (Osten, 2001), schließlich auch die Beschäftigung mit transgenerationalen Perspektiven der Persönlichkeitsentwicklung (Osten, 2009). Erste Arbeiten befassten sich mit der Anamnese, mit der Diagnostik bei Abhängigkeitserkrankungen und Trauma, auch unter Zuhilfenahme kreativer Medien, schließlich mit ersten Entwürfen zur Integrativen Psychotherapeutischen Diagnostik (Petzold & Osten, 2000; Osten, 2011). Alle trugen die Vorstellung in sich, dass eine Diagnostik in der Psychotherapie beide Perspektiven integrieren, mehr noch, die ganze Komplexität des Menschen mit seinen subjektiven Erfahrungs-, Bedeutungs- und Verarbeitungssystemen erfassen müsse. Dazu schien mir das Verfahren der Integrativen Therapie mehr als geeignet und in der Lage.

Dysfunktionalität erschien hier in einem Verständnis der Einbettung des Psychischen in seine Leiblichkeit, die Leiblichkeit in ihrer Einbettung ins Soziale, Gesellschaftliche und Kulturell-Zeitepochale, Motivation und Verhalten wurden als Enaktivierung aus der hieraus entstehenden Dynamik verstanden, das Subjekt als Mitwirkender in dem ganzen Prozess – sowohl in funktionaler als auch in dysfunktionaler Hinsicht. Diese rekursive Perspektive auf den Menschen und seine Lebenswelt sollte diagnostisch erschließbar werden. Das Ergebnis dieser hier nur kurz skizzierten Geschichte halten Leserin und Leser nun in Händen.

Das erste Kapitel gibt eine kurze Einführung in die Geschichte der internationalen Integrationsbewegungen in der Psychotherapie und führt in das Denken einer „Integrativen Psychotherapeutischen Diagnostik“ (IPD) ein. Im zweiten Kapitel werden die Hintergründe der IPD dargestellt, und zwar in zwei sehr unterschiedlichen Aspekten. Der erste handelt für die Psychotherapie wesentliche Wissensgebiete der Klinischen Philosophie ab, die den Überbau des Verfahrens bilden: Leibphilosophie und philosophische Anthropologie (Menschenbild der Integrativen Therapie), Sozial-, Gesellschafts- und Kulturphilosophie, Philosophie der Person und schließlich die Erkenntnistheorie, als Voraussetzung für die Diagnostik. Im zweiten Aspekt werden klinische Grundlagentheorien der IPD dargestellt: Gesundheitspsychologie, Evolutionäre und Motivationspsychologie, Entwicklungs- und Persönlichkeitswissenschaften, Genderforschung sowie Theorien zur narrativen Struktur von Identität.

Im dritten Kapitel werden ätiologische Konzepte vorgestellt und nach den Möglichkeiten ihrer Anschlussfähigkeit an das Menschenbild der Integrativen Therapie hin untersucht. Dies führt schließlich zum „Modell der longitudinalen Akkumulation“ als phänomenologisch-hermeneutischem Gesundheits- und Krankheitsmodell des Integrativen Verfahrens. Das vierte Kapitel stellt den methodischen Aufbau der IPD dar und im fünften Kapitel werden alle Ansätze miteinander in die Praxis des konkreten diagnostischen Prozederes überführt. Im sechsten und letzten Kapitel wird die „Integrative Diagnose“ von ihrem strukturellen Aufbau her beschrieben und anhand eines Fallbeispiels exemplarisch durchgeführt. Das Werk verfügt zudem über umfangreiches Online-Material in Form von achtzehn Checklisten für die einzelnen Phasen der Diagnostik.

Ein editorischer Hinweis zur Form der Zitation: Literaturangaben hinter Gedankengängen bedeuten wie üblich, dass hier grundlegende Gedanken der jeweiligen Autoren eingeflossen sind oder der zuvor im Text genannte Gedanke von diesem Autor inspiriert wurde. Werden hinter diesem ersten noch weitere Autoren genannt, so deutet dies an, dass die Gedanken der nachstehenden Autoren in ähnliche Richtungen gehen oder kommentierend resp. aspektierend herangezogen wurden. Letzteres gilt auch bei direkten Zitaten.

Vielen Menschen gebührt mein Dank. Zuallererst gilt dieser meinen zusammengezählt knapp dreitausend Patienten und Patientinnen, die mir ihr Vertrauen schenkten und in biografischen Anamnesen ihr Leben, ihre Freuden und Leiden mit mir teilten. Unsägliches war hier zu hören und wertvoll zu lernen. Großen Dank möchte ich meinen Lehrern aussprechen, die mir halfen, aus meinen eigenen Labyrinthen herauszufinden und dieses wertvolle Verfahren zu studieren: Lore Schreiner, Georg Wiedemann, Hannelore Voss, Dörte Amt-Euler (†), Karin Huck, Jürgen Lemke, Doris Signer-Brandau, Hildegund Heinl (†), Werner Huth, Ilse Orth und Hilarion G. Petzold. Frau Victoria Tatzreiter vom facultas-Verlag betreute das Buchprojekt vom ersten Moment an mit großem Interesse und ihrer umwerfenden Freundlichkeit, was die Motivation stets aufrechterhielt. Dank und Anerkennung möchte ich auch meiner Lektorin, Frau Verena Hauser, aussprechen, die mit Feingefühl und kernigen Anregungen den Texten ihren letzten Schliff gab. Der größte Dank gilt meiner Familie, Carmen, Kathi, Rosanna, Severin, Amaya, Baileigh und James, die mich unterstützten und freiwillig auf mich verzichteten, während ich schrieb. Ohne deren Dasein und Liebe wäre eine solche Arbeit nicht möglich.

im Mai 2019 Peter Osten, München
Integrative Psychotherapeutische Diagnostik (IPD)

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