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Neues Leben

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Karrsa339009 machte sich große Sorgen. Er kam sich wie ein Außenseiter in seinem eigenen Volk vor, seit er vor einigen Wochen zum zweiten Mal ohne den Ruf seiner Königin aus der Starre erwacht war. Er hatte keine Erklärung dafür und kam sich überaus schlecht vor, da er entgegen den uralten Regeln gehandelt hatte – auch wenn es nicht von ihm beabsichtigt war. Die Welt hatte sich geändert, seit sie den Planeten erreicht hatten. Es war wärmer geworden und die Karruum wagten sich schon seit einiger Zeit an die Oberfläche des Planeten. Nach wie vor hörte er die arbeitsamen Gedanken seines Volkes und die klaren Befehle seiner Königin, jedoch nahm er sie nicht einfach so hin, wie er es früher immer getan hatte. Ohne dass er es wollte, machte er sich Gedanken über das, was er hörte. Als wenn dies nicht schlimm genug wäre, mündeten seine Gedanken häufig in Zweifeln und Unverständnis in Hinblick auf die Befehle, die er erhielt. Er bat seine Königin um Erklärungen hinsichtlich seines Zustandes, bekam aber keine Antwort die ihn zufriedenstellte. Karrsainjja0000001 teilte ihm schließlich mit, dass er eine erste Anpassung der Mitglieder seines Volkes an die neue Umwelt sein könnte, dass er abwarten müsse und sie selbst beobachten wolle, was aus ihm werde.

So lebte Karrsa die ersten Wochen für sich alleine unter tausenden von Schwarmmitgliedern. Er nahm die vertrauten Gerüche war, er sah die vertrauten Körper der verschiedenen Kasten, er spürte die Leiber seiner Brüder und Schwestern, aber er war doch isoliert, da er nicht wie gewohnt am Schwarmgedanken teilnahm. Zudem entdeckte er neue Arten der Wahrnehmung. Obwohl es im Bau sehr dunkel war, konnte er die Gänge und auch seine Artgenossen sehen. Es war eine andere Art des Sehens, als er es gewohnt war. Er bewegte sich nicht nach den überall vorhandenen Duftmarken und er sah auch nicht mit seinen Facettenaugen.

Karrsa hatte sich immer in der Nähe des Platzes aufgehalten, an dem er erwacht war. Ihm war keine Aufgabe übertragen worden, so blieb er Tag und Nacht an diesem Platz. Er wollte sich gerade wieder auf die andere Seite der Höhle begeben, als er ein „Zupfen“ in seinem Kopf spürte. Es war sofort wieder verschwunden, aber es löste weitere, unübliche Gedanken aus. „Wie sieht es eigentlich im Rest des Baus aus? Es müssen viele Zeitperioden verstrichen sein. Wir sind an der Oberfläche. Was ist passiert?“ Er blickte sich in der Höhle um und nahm die Öffnung in einen Gang, die er schon sehr oft betrachtet hatte, bewusst war. „Ich sollte ein wenig umherwandern und schauen, wie sich unser Bau verändert hat“, dachte er und ging in den Gang hinein.

Karrsa wanderte nun schon seit Tagen durch die Gänge des Baus und die Gänge kamen ihm sehr unbekannt vor. Er folgt den Gerüchen, die auf den Ausgang aus dem Bau hinwiesen, als er auf einmal von seiner Königin den Aufruf zur Verteidigung des Baus erhielt. Er zählte nach wie vor zu den Wissenschaftler-Kriegern. Anstatt wie seine Brüder und Schwestern dem Befehl unverzüglich zu folgen, suchte er im Schwarmgedanken nach Informationen, was denn passiert sei. Er spürte bei der Suche im Schwarmgedanken einen fremden Gedanken, der vollkommen verschieden von den Gedanken seines Volkes war. Er stammte von einem zweibeinigen Wesen, dass sich selbst …... Maurah nannte. Das Wesen war ängstlich und floh vor seinen Volk, als es die ersten Krieger aus dem Bau eilen sah. Eine Verteidigung schien aus seiner Sicht nicht notwendig. Er sandte Gedanken zu seiner Königin und teilte ihr mit, dass das Wesen Angst vor den Karruum hätte und nicht angegriffen werden müsse. Karrsainjja0000001 zeigte sich kompromisslos und teilte ihm mit, dass das Wesen zusammen mit seinem Begleiter getötet werden müsse. Karrsa war – ungewöhnlicher Weise – neugierig geworden, wie sich der Angriff entwickeln würde und ging zügig in Richtung Oberfläche weiter. Er beobachtete, wie Maurah und Karameen gegen die Karruum kämpften und spürte die Magie, die von den beiden eingesetzt wurde, als wenn er etwas Altbekanntes, vielleicht einen alten Freund, wiedergefunden hätte. Dieses Gefühl verstärkte sich deutlich, als der Drache … Maranda in den Kampf eingriff. Plötzlich konnte er eine gedankliche Verbindung zu Maranda spüren, die von einem glänzenden Metall an ihrer Pfote herbeigeführt wurde. Er spürte ein warmes Gefühl auf seinem Exoskelett, während Maranda genauso verblüfft über die Verbindung war wie er selbst. „Du bist wie wir“, war der wesentliche Gedanke, der ihn erreichte, bevor Maranda weitere Brüder und Schwestern zerfetzte und fraß. Maurah und das andere zweibeinige Wesen kämpften ebenfalls gegen seine Schwarmgefährten und töteten hunderte mit der Magie, mit der er sich in irgendeiner Weise verbunden fühlte.

Die Zweibeiner und auch der Drache und seine Gefährten waren verschwunden oder geflohen und tausende seiner Brüder und Schwestern waren in Flammen gestorben oder gefressen worden. Karrsa fragte sich, ob der Angriff angesichts der großen Verluste wirklich sinnvoll gewesen war und beschloss, mit seiner Königin darüber zu sprechen. Auch dachte Karrsa über den ihm von Maranda zugesandten Gedanken nach, da er offensichtlich nicht mehr ein Teil des Schwarms war. „War sie sein neuer Schwarm? Wollte sie ihn in einen anderen Schwarm aufnehmen?“ Diese Fragen blieben unbeantwortet, setzten sich jedoch in seinem Kopf fest und ließen sich nicht mehr aus seinen Gedanken verdrängen. Auch ließ sich das Gefühl, eine enge Verbindung zu den Kräften, die der Drache und die Zweibeiner eingesetzt hatten, zu haben, nicht verleugnen.

Karrsa stand im Thronsaal und sah seiner Königin zu, wie sie von seinen Schwestern gepflegt und gefüttert wurde. Karrsainjja0000001 war um ein vielfaches größer als er selbst und aus ihrem Leib trat ein Ei nach dem anderen aus. Früher hatte er dies ohne einen Gedanken hingenommen, nun dachte er nur „Sie erfüllt ihren Zweck, wie sie es in der alten Welt nicht anders gelernt hat“ und überlegte, was er ihr sagen solle.

Königin, ich war an der Oberfläche und habe unseren Angriff auf die zweibeinigen Wesen beobachtet, die uns so schreckliche Verluste bereitet haben. Warum haben wie sie angegriffen?“ Erst hatte er den Eindruck, dass Karrsainjja0000001 nicht antworten würde, aber nach einiger Zeit sagte sie kurz angebunden „Weil es erforderlich war. Sie sind in unser Territorium eingedrungen.“ „Königin, besteht die Möglichkeit, dass es vor unserer Landung auf diesem Planeten ihr Territorium war? Sie sind stark und haben viele von uns vernichtet. Besteht aus Deiner Sicht eine Möglichkeit, dass unser Volk sich mit ihnen nicht bekriegt? Was können wir tun, damit sie nicht weiter so viele von uns vernichten? Als Wissenschaftler-Krieger habe ich versucht, die Kräfte zu verstehen, die sie einsetzten. Ich habe große Bedenken, dass wir diesen Kräften etwas entgegensetzen können ohne die Technologie, über die wir früher verfügten.“ Karrsainjja0000001 dachte lange nach und antwortete dann erneut. „Du denkst! Seit ich das Bewusstsein erlangt habe, konnte ich mit keinem meines Clans Gedanken austauschen. Deine Entwicklung ist erstaunlich. Ich freue mich sehr, dass wir mit Deiner Veränderung nun neue Möglichkeiten haben. Wir müssen dies im Sinne des Clans nutzen. Auch wenn ich gespürt habe, dass Dein Kontakt zum Schwarmbewusstsein abgenommen hat – und nun verstehen ich auch, warum – denke ich, dass Du in Zukunft sehr wertvoll für uns sein wirst. Ich werde über Deine Fragen nachdenken und auch überlegen, wie wir uns an diese Welt anpassen müssen. Bis dahin wirst Du versuchen, mehr über diese Kräfte zu erfahren, die gegen uns eingesetzt wurden. Jedes Mitglied des Clans wird Dich bei dieser Suche unterstützten, was auch immer Du verlangen magst!

Karrsa verließ seine Königin mit sehr gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite war er glücklich, dass sie ihn offensichtlich wertschätzte, auf der anderen Seite wusste er nicht, was er nun tun solle. Unschlüssig bewegte er sich in Richtung Oberfläche. Als er den Bau verlassen hatte, blickte er sich das erste Mal auf ihrem neuen Heimatplaneten bewusst um. Es war nicht zu verkennen, dass sie sich in einer anderen Welt befanden. Überall an den Hängen der umliegenden Berge befanden sich riesige Pflanzen, die gerade in die Höhe wuchsen, und auch der Boden war überall von Pflanzen besiedelt. Es war Leben in dieser Welt, das er von seinem Heimatplaneten so nicht kannte – es war eine zauberhaft schöne Welt.

Er beschloss, in Richtung des Kampfplatzes zu wandern, an dem so viele seines Volkes gestorben waren. Er wollte dort prüfen, ob er etwas über die eingesetzten Kräfte, über die Magie erfahren könne. Der Anblick war schrecklich. Tausende Karruum lagen verkohlt vor dem Pass, der das Tor zu ihrem Tal war. Karrsa wanderte zwischen durch die Hitze zerplatzten Chitinpanzern hin und her, konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken, das auf die Kräfte hindeutete, die er gesehen hatte. Viele Stunden lang untersuchte und berührte er die Toten, ohne auch nur irgendetwas zu erfahren. Die Arbeiterinnen seines Volkes hatten bereits damit begonnen, die Toten in den Bau zurückzuholen. Sie würden ihrem Volk bis zuletzt von Nutzen sein und als Nahrung dienen. Er fasste den Entschluss, den Zweibeinern zu folgen und Kontakt zu ihnen aufzunehmen und wanderte in Richtung der Pforte zum Tal. Als er den Eingang zum Tal erreicht hatte, wunderte er sich über die Aussicht – so etwas hatte es auf seiner Heimatwelt nicht gegeben. Vor ihm lag eine beeindruckende Gebirgswelt, deren Berge weiße Kränze an ihren Spitzen aufwiesen. Überall an den Hängen der Berge, die er sehen konnte, gab es Pflanzen; die ganze Welt schien von ihnen besiedelt zu sein.

Er wollte gerade durch die Pforte treten und sich vollends in die neue Welt begeben, als er erneut das „Zupfen“ in seinem Kopf spürte. Es schien ihm zu sagen „Gehe nicht, komm zu mir.“ Karrsa zögerte und schaute sich um, woher dieser Gedanke stammen könne, entdeckte aber nichts. Er wandte sich um, um die Pforte zu passieren, da spürte er erneut den Gedanken in seinem Kopf – und gleichzeitig fühlte er wiederum die Wärme auf seinem Panzer. Das warme Gefühl auf seinem Panzer schien ihn von der Pforte zurück bewegen zu wollen. Karrsa zögerte erst, gab aber dann dem Gefühl nach. Er ging den Weg zurück, den er gekommen war und forschte nach der Quelle des Gedankens, den er gehört hatte. Das Gefühl, das er dabei hatte, erinnerte ihn auf der einen Seite an den Schwarmgedanken, auf der anderen Seite war es viel persönlicher. Der Gedanke war nur an ihn gerichtet und auch nur für ihn bestimmt. Suchend ging er weiter in Richtung Bau, als er am Rande eines sehr kleinen und engen Tales den Eingang einer schmalen Höhle entdeckte. Er ging auf den Eingang zu wunderte sich, dass es selbst so weit von den Eingängen zum Bau weitere Eingänge geben sollte. Je näher er der Höhle kam, desto klarer wurde ihm, dass dieser Höhleneingang nicht von seinem Volk geschaffen worden war.

Kurz nachdem er die Höhle betreten hatte, wurden die Felswände außergewöhnlich glatt. Auch sein Volk hatte im Laufe der Zeit gelernt, perfekte Gänge zu bauen, die jedoch als Ziel eine gewisse Zweckmäßigkeit hatten. Dieser hier war aber von einer ihm unbekannten Machart, die die Kunst des Gängebauens seines Volkes bei weitem übertraf. Er war von einer handwerklichen Art, die sein Volk nur auf die wenigen Kunstwerke verwendete, die an ausgewählten Stellen im Bau zu finden waren. Je weiter er vorwärtskam, desto häufiger sah er farbliche Muster, die aus dem Inneren des Steins nach außen zu strahlen schienen. Je mehr er sich auf die Muster konzentrierte, desto stärker wurde wieder die Wärme auf seinem Rückenpanzer. Er begann Geschichten in den Mustern zu erkennen, die von Kämpfen berichteten, die mit Hilfe magischer Energie ausgeführt worden waren. Fasziniert ging er von Muster zu Muster und immer weiter in die Höhe hinein. Plötzlich war der Gang zu Ende und er sah vor sich eine glatte Felswand, aus deren Mitte drei Symbole in verschiedenen Farben herausstrahlten. Es waren ein Baum, ein geflügeltes Lebewesen und eine Sonne. Er untersuchte die Wand und auch die Stellen, an denen er die Symbole sah. Er konnte jedoch keine Unterschiede auf der Wand entdecken; alles war ebenmäßig und glatt poliert. „Drache, Sonne, Baum“ meldete sich der Gedanke in seinem Kopf zurück. Dies waren die Symbole. Karrsa ging wieder auf die Wand zu und begann, sie mit seinen Fühlern abzutasten. Als seine Fühler in die Nähe der Symbole kamen, wurde die Wärme in seinem Rücken deutlich stärker. „Die Reihenfolge – es ist die Reihenfolge“, erkannt er. Seine Fühler berührten das geflügelte Wesen. Aus seinem Rücken bewegte sich die Wärme in seine Fühler und von dort aus in den Drachen. Die silbergrüne Farbe des Symbols schien zu erstrahlen und das Symbol trat aus der Wand heraus. Er ließ seine Fühler zu der Sonne gleiten, woraufhin deren gelbes Licht gleißend wurde und an wahres Sonnenlicht erinnerte. Auch die Sonne schien sich aus der Wand heraus auf ihn zuzubewegen. Schließlich berührten seine Fühler das Symbol des Baums und auch hier geschah wieder das gleiche. Der Baum erstrahlte in Braun- und Grüntönen und schien sich aus der Wand herauszubewegen. Das Ende des Ganges erstrahlte hell in den Farben der Symbole, die sich dann – zusammen mit der glatten Wand am Ende des Ganges – in Nichts auflösten! Er spürt „Freude“ in seinen Gedanken.

Der Gang mündete nun in einen großen, runden Raum, dessen Decke weit über ihm war. Eigentlich war es eher eine runde Kuppel, in deren Mitte sich helle, farbige Nebel um sich selbst drehten, sich untereinander verwirbelten und sich wieder trennten. Genau unter den sich windenden Nebeln am Boden des Raumes befand sich ein Podest, das von drei Statuen auf hohen Sockeln gesäumt wurde. Zwei der Statuen waren Homuae, die dritte war das Geflügelte Wesen, das er bereit als Symbol am Eingang gesehen hatte, ein Drache. Es gab auch einen vierten und einen fünften Sockel, auf denen sich jedoch keine Statuen befanden. Karrsa ging langsam auf die Mitte des Raumes und auf das Podest zu. Auf dem Podest befand sich eine mit Wasser gefüllte Schale. Das Wasser war fast schwarz, duftete aber so köstlich, dass Karrsa, dem nun bewusst wurde, wie durstig er war, nicht wiederstehen konnte und in tiefen Zügen trank. Das Wasser schien in seinen Chitinpanzer zu fließen und die Wärme in seinem Rücken verstärkte sich erneut. Als er das schwarze Wasser fast ausgetrunken hatte, bemerkte er einen goldenen Schimmer auf dem Grunde der Schale. Dort lag ein Amulett. Wieder verspürte er die „Freude“, die dieses Mal fast in seinem Kopf explodierte. Das Gefühl war überwältigend und er hatte auch nichts Ähnliches in seinem ganzen Leben erfahren. Karrsa stellte die Schale auf das Podest zurück und nahm das Amulett in seine Vorderpfoten.

Die Verbindung mit Wasserwüste kam augenblicklich zustande. „Du hast mich gefunden“, spürte er den freudigen und intensiven Gedanken in seinem Kopf. „Was bist Du? Du bist anders als diejenigen, die mich früher getragen haben?“ Karrsa überlegte einen Moment. „Ich bin – oder besser ich war – ein Wissenschaftler-Krieger der Karruum. Wir kamen vor langer Zeit auf diesen Planeten, als Sol sich ausdehnte. Mein Volk beginnt gerade, sich auf Tarris auszubreiten – es ist unsere neue Heimat.“ Bilder begleiteten seine Erklärung, so dass Wasserwüste schnell verstand, was die Karruum waren und wie und warum sie nach Tarris aufgebrochen waren. „Aber Du bist anders, als Du Dein Volk eben beschrieben hast. Du bist ein Individuum und nicht nur ein Teil eines Schwarms“, erkannte Wasserwüste, „und die Magie ist stark in Dir – das würde bei einem Mitglied Deines Volkes, wie Du es beschrieben hast, nicht funktionieren!“ „Was ist Magie?“ fragte Karrsa. „Ist sie schuld, dass ich nicht mehr wirklich ein Teil meines Volkes sein kann?“ „Dies waren zwei Fragen. Ich werde sie Dir sozusagen als Anfang Deiner Ausbildung gleich beantworten. Ich werde Dir viele andere Fragen beantworten. Du wirst Einiges lernen und erkennen müssen, damit wir uns verstehen und die gleiche Sprache sprechen. Ich bin Dein neuer … Schwarm, denke ich. Und ich vermute, dass wir für das Lernen einige Monate benötigen werden. Leg bitte zuerst die Kette um Deinen Hals, an der ich befestigt bin.“, übermittelte Wasserwüste an Karrsa. Ein Karruum hatte keinen Hals im eigentlichen Sinn. Daher legte Karrsa die Kette um seine Taille, die Verengung seines Körpers zwischen Bauch- und Brustsegment. Im ersten Moment schien die Kette viel zu weit; sie begann sich aber sogleich zu verkleinern, bis sie eng, aber ohne ihn zu stören, seinen Körper umschloss. Zusätzlich verschmolz Wasserwüste mit dem Chitinpanzer auf seinem Rücken, jedoch ohne ihm zu schaden. Das Amulett war so in das Chitin eingebettet, dass es aussah, als wenn es zum Panzer gehörte. Es war fast genau die Stelle, an der in den letzten Tagen auch immer die Wärme gespürt hatte.

Magie ist auf der einen Seite eine Energieform, die das Stück Stein, das in Sol gestürzt ist, aus weiten Fernen zu uns gebracht hat. Diese Energie kann von begabten Lebewesen verwendet werden, um verschieden Dinge zu tun. Die Energie kann zerstören, sie kann heilen, sie kann Dinge schaffen und bewegen. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig. Auf der anderen Seite ist die Kraft selbst in gewisser Weise auch ein Lebewesen, das aber keine körperliche Form annehmen kann. Daher verbindet sich die Magie in einer Art Symbiose mit dem Lebewesen. Die beiden ergänzen sich, wobei immer einer der beiden die Überhand gewinnt. Ist dies die Magie, wird aus dem Lebewesen etwas Schreckliches, ist es das Lebewesen, bleibt es fast so wie es ist – abgesehen davon, dass es kaum altert und über zusätzliche Kräfte und Eigenschaften verfügt, die sehr individuell sind. Es gibt“, Wasserwüste zögerte einen Moment und fuhr dann fort, „vier Ausnahmen davon, dass die Magie sich nicht verstofflichen kann. Eine davon bin ich. Ich habe zwar keinen Körper, lebe jedoch in diesem Artefakt und kann denken und fühlen – und mich mit wenigen Geschöpfen in Einklang bringen, die bereits Magie in sich haben. Ich kann Dir helfen, die Magie in Dir viel besser zu nutzen, ich kann Dir mit Rat und Wissen und meiner über Jahrtausende gesammelten Erfahrung dienen. Und ich werde Dein Schwarm sein, da wir beide – Du wirst noch spüren – perfekt in magischem Einklang sind. Auch wenn Du glaubst, nicht mehr ein wirkliches Mitglied der Karruum zu sein, hast Du einen Schwarm. Der Schwarm sind wir beide und die Verbindung zwischen uns wird stärker und phantastischer sein, als Du es Dir je vorstellen konntest. Nicht zuletzt werde ich Dir zeigen, wie Du die Magie in Dir selbst besiegen kannst, wenn Sie versucht, Dich zu beherrschen.

Die neue Bindung beruhigte Karrsa sehr. Er hatte sich seit der Ankunft auf Tarris nicht mehr so gut und geborgen gefühlt. Was Wasserwüste ihm „gesagt“ hatte, war absolut richtig. Er hatte sich noch nie mit jemandem so gut in Einklang befunden, wie mit der Magie in dem Medaillon. Selbst die Verbindung zu seiner Königin und zu seinen Brüdern und Schwestern war nie so intensiv gewesen. Auch war die Bindung viel persönlicher und passte zu dem, zu dem er geworden war. Er freute sich darauf, zu lernen und mit einem neuen Leben zu beginnen. „Können wir mit der Ausbildung beginnen?“ Seine Antwort war ein neugieriges, gedankliches Nicken. Die Wärme in seinem Rücken nahm zu und auch Wasserwüste erwärmte sich, während es die Magie in ihm anfachte.

Die letzten Monate waren wie im Flug vergangen. Der Austausch der Gedanken zwischen Wasserwüste und Karrsa ging mittlerweile so schnell, als wenn sie ein Wesen mit einem Gehirn wären. Dadurch konnte Wasserwüste eine unglaubliche Fülle von Wissen und Fähigkeiten vermitteln. Karrsa lernte alle Bereiche und Einsatzmöglichkeiten der Magie kennen, wenn auch seine Stärken in der Beeinflussung und Nutzbarmachung von Gegenständen und Elementen lagen. Er verstand nun sehr gut, wie das Wesen, das wohl den Namen Karameen trug, Feuer und Blitze auf seine Artgenossen hatte einwirken lassen. Er beherrschte diese Dinge vermutlich ebenso gut wie Karameen. Ein anderer Aspekt, den er gelernt hatte, war der, mit seiner neuen Persönlichkeit, mit seinem Ich umzugehen. Er begann verstärkt, sich über alles Mögliche Gedanken zu machen und zu überlegen, was geschehen könnte. Früher hatte er seine Gedanken nur auf das Lösen vorgegebener Probleme oder Rätsel beschränkt. Seine neue Art zu denken hatte keine Grenzen. Und auch seine Wahrnehmung hatte sich weiter verändert. Konnte er, als er den Bau verlassen hatte, mit Hilfe der Magie die dunklen Gänge sehen und auch magische Strömungen als Farben erkennen, so setzte er diese Fähigkeiten nun weit ausgeprägter und wie einen weiteren Sinn ein. Durch seine Fühler hatte er Möglichkeiten, diese Seite der Magie zu nutzen, die kein anderes magisches Geschöpf auf Tarris hatte. Wasserwüste hatte ihm gezeigt, wie er einen Teil seines Bewusstseins von seinem Insektenkörper lösen konnte und andere Orte und in eingeschränktem Maß auch Zukunft und Vergangenheit betrachten konnte. Wasserwüste war von den neuen Möglichkeiten, die sich auch ihm durch die Verbindung mit dem Insektenkörper boten, begeistert.

Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir diese Höhle verlassen und prüfen, wie wir zu zweit in der Welt wirken und arbeiten können. Was meinst Du, sollen wir die Höhle verlassen?“ meinte Wasserwüste zu Karrsa. „Das ist eine gute Idee“ dachte Karrsa und wollte bereits die Höhle verlassen, als das Amulett ihn noch einmal aufhielt. „Diese Höhle hat eine wichtige Funktion. Wir werden uns hier mit den anderen Trägern der Artefakte treffen können, wenn wir erst einmal mit ihnen in Gedanken verbunden sind. Wie Du siehst, sind drei der Sockel mit Statuen von Wesen besetzt und der vierte und fünfte Platz sind frei! Der vierte ist unser Platz und wir müssen ihn füllen, bevor wie die Höhe verlassen und sie magisch versiegeln. Schau Dir die anderen drei Träger gut an, damit Du sie erkennst, wenn Du sie triffst. Und dann schaffe Deine eigene Statue.“ Karrsa musste nicht überlegen, wie er die Figur schaffen sollte. Er stellte ein magisches Abbild von sich selbst her, das aus einem Leuchten bestand. Dann erhitzte er den Fels der Höhlendecke über dem Podest. Gewaltige Energieströme flossen aus seinen Fühlern in den Stein und verwandelten diesen in flüssige Lava, die in die magische Form tropfte und dort genau in den Grenzen des Leuchtens erhärtete. Das Abbild von Karrsa sah ihm täuschend ähnlich und glühte noch rot, als er die Höhle verließ. Er aktivierte die drei magischen Symbole und fügte als viertes ein Insekt hinzu, das blau im Stein des Tores glühte. Als die Wand zu dem Raum sich verfestigte, erkannte er am anderen Ende der Höhle ein großes dreieckiges Kunstwerk. Danach stand er wieder vor der undurchdringlichen Wand aus Fels.


Tarris

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