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Linda bemerkte, dass die meisten Angestellten im Institut Doktor Born mit Respekt, ja sogar mit einer gewissen Scheu begegneten. Offenbar schien er in ihren Augen eine viel bemerkenswertere Persönlichkeit zu sein, als der Öffentlichkeit bekannt war.

Der kleine Saal, in dem er arbeitete, war voll gestopft mit Geräten und Instrumenten, die sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte.

An seinem Arbeitsplatz – zwei etwa fünf Meter langen Holztischen – konnte sie keinen einzigen persönlichen Gegenstand entdecken.

Die großen Farbtafeln an den Wänden zeigten Genstrukturen und ihre Beziehungen zu Organen verschiedener Lebewesen. Das Bondt–Institut und die Chrysler-Bondt-Stiftung arbeiteten für verschiedene Institutionen in der Welt, darunter für die Weltgesundheitsorganisation. Ihr wichtigstes Forschungsprojekt schien die Reaktivierung von Genstrukturen aus dem ewigen Eis zu sein.

Die blauen Bildschirme auf den Tischen übten einen eigenartigen Reiz auf Linda aus. Es war, als betrete man Gottes eigenes Versuchslabor und sehe ihm bei der Erschaffung der Welt über die Schulter.

„Bisher brauchte man bestimmte Wirtstiere, um ein überlebensfähiges Genduplikat auszutragen“, erklärte Born seine Versuchsanordnungen. „Dies hier ist ein neuer Ansatz. Ich habe ihn zusammen mit Doktor Haderer entwickelt. Die Eigenschaften des Wirtstieres stellen einen viel geringeren Störfaktor bei der Duplikation dar.“

„Wer ist Doktor Haderer?“, erkundigte sich Linda.

„Ein ehemaliger Kollege. Er wurde wegen unerlaubter Genversuche entlassen.“

„Oh, Sie haben also auch schwarze Schafe im Institut?“

„Die Chrysler-Bondt-Stiftung arbeitet nach sehr strengen Regeln. Sie hat wenig mit den skrupellosen kleinen Gen-Klitschen gemein, an die der Laie sofort denkt, wenn er von Biotechnik hört.“

Professor Bensheim, der Leiter des Instituts, war ein schalkhaft dreinblickender Mann, der Linda mit seinem langen Rauschebart an Wilhelm Busch erinnerte. Er trug eine braune Cordjacke mit Fliege und schien ständig zu Witzen aufgelegt zu sein. Es waren Witze der harmlosen Sorte, die Frauen nicht in Verlegenheit brachten.

„Wissen Sie, was die Gene der Frauen von denen der Männer unterscheidet?“

„Nein.“

YXC–549. Ausschließlich Männer verfügen über dieses Gen, ebenso, wie nur Männer das Gen für Farbblindheit besitzen. Oder haben Sie schon mal eine farbenblinde Frau gesehen?“

„Nein, aber ich verstehe Ihren Witz nicht, Professor?“

„Das einzige Säugetier auf Erden, das sonst noch über Gen YXC–549 verfügt, ist der männliche Esel.“

Danach wandte er sich mit schallendem Gelächter wieder seiner Arbeit zu.

Offenbar wusste er nichts von Borns Entdeckung, sondern glaubte, Linda sei wegen seiner Nominierung im Institut. Er brachte ihr eine Hochglanzmappe, in der alle für den Nobelpreis wichtigen Arbeiten mit Farbdiagrammen erläutert wurden. Born war der Entdecker des nach ihm benannten Born-Repro-Effekts, mit dem man Erbgut reparieren und auf leichtere Weise multiplizieren konnte.

„Mit Multiplizieren ist Klonen gemeint?“

„Wir verwenden das Wort Klon nur ungern“, sagte Born. „Es ist zu stark belastet.“

„Wäre es mit Ihrer Methode auch möglich, Menschen zu klonen?“

„Das Verfahren ist nicht an eine bestimmte Spezies gebunden.“

„Und Flugsaurier?“

„1993 entsprang das Klonen, wie es in Jurassic Park beschrieben wurde, noch mehr der Fantasie der Drehbuchschreiber.“

„Sie wollen sagen, es sei Unsinn?“

„Lange Zeit stritt sich die Fachwelt darüber, ob Klonen aus toten Zellen überhaupt möglich ist. Dann reproduzierten texanische Wissenschaftler einen Ochsen aus der Haut eines anderen Ochsen, der ein Jahr zuvor verendet war.“

„Was ist mit tiefgefrorenem Material, sagen wir aus Sibirien oder Grönland?“

„Die Chancen, dass die DNS vollständig erhalten geblieben ist, sind äußerst gering. Selbst wenn man einen ganzen Flugsaurier finden würde, wäre es unwahrscheinlich, eine komplette DNS-Kette zu isolieren. DNS übersteht auch in gefrorenem Zustand nicht mehrere tausend Jahre ohne Zerfallsprozesse. Temperaturen von minus 23 Grad, in denen ein Saurier viele Millionen Jahre gelegen hat, können den Zerstörungsprozess wohl verzögern, reichen aber nicht aus, um ihn aufzuhalten.

Außerdem führt schon das Fehlen geringster Bruchstücke der DNS zu tief greifenden Veränderungen. Um ein komplettes Lebewesen zu klonen, wird die gesamte Erbinformation benötigt. Es ist aber praktisch ausgeschlossen, dass alle DNS–Teile erhalten sind.“

„Heißt es in Ihrer Infomappe nicht, mit dem Born-Repro-Effekt sei es nun endlich gelungen, Erbgut zu reparieren?“

„In gewissen Grenzen, ja.“

„Und wenn es doch komplett gelänge?“

„Beim Klonen würde das Erbmaterial des Sauriers in das Ei eines Wirtstieres eingepflanzt, das ihm genetisch nahe steht, und dem zuvor alle eigenen Gene entfernt wurden. Das bedeutet, dass der Klon dann ein reinblütige Saurier wäre und kein Mischling.“

„Ein Flugsaurier?“

„Am besten geeignet ist dafür Blut. Das findet man nur sehr selten.“

„Sie weichen meiner Frage aus, Alex …“

„Seit meiner ersten Begegnung mit dem fliegenden Ungeheuer denke ich über nichts Anderes nach.“

„Was käme als Wirtstier in Frage? Eine große Art von Vögeln vielleicht?“

„Wenn ich mich recht erinnere, sind Sie die Expertin?“

„Auch wenn Paläontologie nicht Ihr Fachgebiet ist, Doktor – nach Ihrer ersten Begegnung mit dem Flugsaurier dürften Sie doch sofort in die Bibliothek gegangen sein, um sich alle verfügbaren Informationen zu beschaffen?“

„Manche Experten glaubten, Vögel seien Nachfahren der Dinosaurier. Es gab geradezu euphorische Kommentare in der Presse, wonach mit neuen Dinosaurierfunden der Übergang vom Saurier zum Vogel bewiesen sei.

Da jedoch Sinosauropteryx, und vielleicht alle Dinosaurier, in der Anatomie der Atemorgane hochgradige Übereinstimmungen mit den Krokodilen zeigen, ist es undenkbar, dass sich Vögel aus Dinosauriern entwickelt haben. Die Vogellunge ist nämlich völlig anders konstruiert.“

„Vögel wären also als Wirtstiere ungeeignet?“

„Inzwischen kann man wohl davon ausgehen, dass das beste momentan auf der Erde lebende Wirtstier für Flugsaurier das Krokodil wäre, nicht nur wegen ihrer gemeinsamen Herkunft vom Eosuchier, sondern auch wegen anderer genetischer Ähnlichkeiten.“

„Na, das ist doch mal eine klare Antwort …“

„Ich möchte keine Spekulationen in die Welt setzen, Linda. Das kann ich mir schon wegen meines wissenschaftlichen Rufs nicht erlauben.“

„Krokodile also“, sagte sie nachdenklich.

Endzeit

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