Читать книгу Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek - Peter Schrenk - Страница 44
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Um ein Haar wäre der Leiter der Düsseldorfer Mordkommission doch noch den Unwägbarkeiten im Wechselspiel zwischen Massebeschleunigung und Effetkräften zum Opfer gefallen. Eine dieser letzten Kugeln - Minuten später herrschte bereits wieder erschrockene Stille - war auf dem geraden Wege zu seinem Hinterkopf unterwegs, blindlings abgefeuert wie die meisten. Knappe sechzig Meter bevor sie seine Schädeldecke zertrümmert hätte, wurde sie vom Pfahl eines Parkwegweisers um Millimeter abgelenkt. Diese Millimeter wurden auf dem weiteren Weg des Geschosses zu Zentimetern, und als es dann in Höhe von Benedicts Kopf war, riss es nur noch eine lange Schramme in die Hautoberfläche seiner Schläfe. Ein breites Pflaster ist die einzig nach außen sichtbare Auswirkung der vergangenen Nacht. Nicht sichtbar ist allerdings ein überaus kräftiger Brummschädel des um 10 Uhr morgens an seinem ISAT-Schreibtisch sitzenden Hauptkommissars. Er musste durch den heftigen Schmerz der Wunde auf der linken Seite instinktiv eine heftige Bewegung gemacht haben und dabei hart an einen im Wege stehenden Baumstamm geschlagen sein. Seine Bewusstlosigkeit konnte nicht lange gedauert haben, denn als er sich wieder aus dem nassen Laub aufrappelte, waren immer noch vereinzelte Schüsse zu hören gewesen. Aber der Finne war weg.
»Legen Sie sich ein paar Tage ins Bett. Lassen Sie sich aber vorher röntgen!«, meinte der Ambulanzarzt auf dem Schlossvorplatz, nachdem er Benedict die Kopfwunde verpflastert hatte. Benedict machte sich aber zuerst auf die Suche nach seinen drei ISAT-Kollegen. O’Connell und McGrath traf er vor dem Schlossgebäude. Sie schüttelten die Köpfe und hatten einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Benedict hätte wetten können, dass sie nicht einen einzigen Schuss aus ihren Brownings abgegeben hatten. Seine Frage nach Captain Hart konnten sie nicht beantworten, und als sie gemeinsam zur Erich-Müller-Straße kamen, war das beige-braune Motorhome verschwunden. Die Iren zuckten mit den Schultern und machten sich aus dem Staub.
Heute Morgen saßen bei Benedicts Eintreffen nur Hauptmeister Herrmann, O’Connell und McGrath in dem sehr stillen ISAT-Büro im »Weißen Haus<. Jerry Hart hatte sich immer noch nicht gemeldet.
Als Benedict aus dem Fenster schaut, sieht er, dass die grün-weißen Einsatzfahrzeuge einen schwarzen Trauerflor an den Antennen tragen. Gestern Nacht, gerade als die wilde Schießerei im Schlosspark Benrath dem Ende zuging, sind in Frankfurt bei einer Demonstration an der Startbahn West zwei Polizisten erschossen worden. Da erschießen wilde Demonstranten im Schutz der Nacht zwei Polizisten, und bei uns bekriegt sich ein halbes Hundert Spezialisten mit Maschinenwaffen und erzielt eine Quote von drei leicht angeschossenen Beamten, geht es Benedict durch den Kopf. Ein weiterer Beamter hatte sich beim Laufen den Fuß verknackst, ein anderer war am Teichrand abgerutscht und wäre fast ertrunken, wenn das Wasser tiefer gewesen wäre.
Einen Behälter mit einer Rauchmine hat man am Südrand des Parks gefunden, genauso wie die ausgebrannten Reste weiterer Minen, eine Seilvorrichtung zum Überqueren des Schlossbachs und Reifenspuren im Sand auf der anderen Seite. Auch am westlichen Parkrand hat man heute Morgen Spuren eines gewaltsamen Eindringens entdeckt.
Da würde es eine Reihe von Fragen geben.
Um 11 Uhr verabschieden sich die beiden Iren dann. Verlegen reichen sie ihm die Hand. »Wir gehen packen. Tut uns leid, aber ...«
Zehn Minuten vorher war die Meldung aus dem Bundespräsidialamt in Bonn gekommen: Da insbesondere wegen der Ereignisse der vergangenen Nacht für die Sicherheit der englischen Gäste nicht garantiert werden kann, wird der Besuch der Königlichen Hoheiten geändert. Statt am Donnerstag nach Düsseldorf, werden sie unmittelbar von Köln nach München reisen!
Benedict weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll. Drüben versammeln sich die ersten Uniformierten zu einem Trauerzug in die Stadt.
Ja. Es würde eine Menge Fragen geben.