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Wahl der FDJ-Leitung

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Unter der Führung des „Partei-Dödels“ fanden auch die jährlichen Wahlen der FDJ-Leitung [Freie Deutsche Jugend] der Schule statt. Wir durften uns nach dem Unterricht im Kulturhaus der Stadt Thale in der Walpurgisstraße treffen. In blauen Pflichthemden und -blusen der FDJ verteilten wir uns auf den Klappsitzen im Saal. Auf der Bühne stand ein langer Tisch. An ihm saßen bereits die Verantwortlichen: Die alte FDJ-Leitung, der „Partei-Dödel“ und einige Lehrer, die als brauchbare Staffage der Zeremonie dazu aufgefordert waren. Die künftigen FDJler der Leitung standen bereits fest. Sie waren eine Kompromisslösung zwischen den Vorschlägen der Parteileitung der Schule und den politischen Wichtigtuern, die sich wie der Spatz in die „Pferdescheiße“ gestürzt hatten, um auch einen abgefallenen Brösel des bescheidenen Machtkuchens zu erhaschen. Diese angeblich von den Mitschülern vorgeschlagenen Stützen der Organisation platzierte man an dem mit einer blauen Fahne der FDJ überzogenen Tisch. Dann kam der spannende Moment. Wir wurden aufgefordert, unsere Hand zu heben und auf diese Weise unsere Zustimmung zur Wahl der neuen FDJ-Leitung abzugeben. Langsam gingen die vielen Arme nach oben - bis außer Armen nichts Wichtiges mehr zu sehen war. Dann kam das Kommando: „Arme runter!“ Flopp, und alle Arme waren plötzlich wieder unten. Nun erfolgte die viel spannendere Frage: „Gegenstimmen?“. Es wurde im Saal ganz leise, es knisterte förmlich. Nichts tat sich. Ja, bis plötzlich mein rechter Arm in die Höhe flog. Heute kann ich es nicht mehr richtig begründen, warum ich das in dieser Situation tat. Vielleicht nur aus einem gesunden inneren Trieb heraus? Alle Köpfe vor mir drehten sich neugierig um und schauten mit entsetzten Augen voller Fragen zu mir. Plötzlich sah sich der Verantwortliche dieser Wahlfarce genötigt, mich vor allen Schülern laut zu fragen: „Was soll das, warum stimmst Du nicht dafür“? Er konnte nur so fragen, weil es ein Dagegen eigentlich gar nicht geben durfte. Also rief ich zurück ins weite Rund: „Ich kenne die Neuen ja gar nicht, warum soll ich sie dann wählen?“

Alles brummelte und grummelte im Saal. Soviel „lebensmüden“ Mut am falschen Platze hatte niemand erwartet.

Spätestens jetzt kannte mich jeder, der in der FDJ war. Alle, die ich am Folgetag traf, schmunzelten mir zu. Das Schmunzeln ging fast immer in ein sympathisches, offenes Lachen über. Ich wusste, Du hast nicht nur Blödsinn gemacht, es war richtig und ist prächtig angekommen. Unsere Gehirnwäscher sollten wissen, dass jeder Grad von organisierter Einflussnahme seine Grenze hat und irgendwann - provozierend, trotzig und etwas spleenig angestoßen - in eine andere Qualität umschlägt.

In der Schule wurde mir allerdings bewusst, dass ich eine kleine Lawine losgetreten hatte. Ich wurde von verschiedenen Lehrern und der [bereits verstorbenen] Heimleiterin, die wir die „Düse“ nannten, verbal zusammengefaltet und zugleich genötigt einzusehen, dass ich mir und der wichtigen Sache keinen Gefallen getan hätte. Umdenken und Asche aufs Haupt streuen war angesagt. Also spielte ich mit. Ich wollte ja damit mein Abiturziel nicht verscherzen. Nach der Devise „gute Miene zum bösen Spiel“ sprachen die Verantwortlichen nicht mehr darüber. Es war eine sich durch die gesamte „DDR“-Erziehung hindurchziehende Methode: Erst mit üblen Drohungen und verbaler Peitsche den „Angeklagten“ an den Rand der Verzweiflung treiben, um ihm später in sozialistischer Größe und väterlicher Güte ein Zuckerbrot entgegenzustrecken und ihn dabei mit den „vertrauensvollen“ Armen der „allwissenden“ Partei wieder einzufangen. Das gelang meistens prima. Man musste sie nur glauben lassen, dass es ihnen gelungen sei! Ich hatte immer mehr Erfolg damit. Meine schon sehr frühen Erkenntnisse bekam ich erst viel später bestätigt. In dem sehenswerten Film „Die Frau vom Check-Point-Charly“ aus dem Jahre 2002 redete der gut befreundete hohe Stasioffizier der Hauptdarstellerin energisch zu, sie möge doch einfach sagen, dass sie einen Fehler gemacht habe, den sie wiedergutmachen wolle. Einsicht eines verfehlten Bürgers und sichtbare Unterwürfigkeit waren die Kriterien, die die Staatsoberen sehen wollten. Ließ man sie das spüren, hatte man in der Regel gute Karten in der Hand. Leider gelang das den meisten aus verständlichen Gründen nicht.

Die STASI nannte ihn

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