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Nahaufnahme eines Gorgonienfächers (Hornkoralle) aus der Milne-Bucht vor der Südostküste von Papua-Neuguinea. Gut sind die Einzelpolypen mit acht gefiederten Tentakeln zu erkennen.

Korallenriffe waren einst die Schrecken der Seefahrt. Als wissenschaftliche Untersuchungsobjekte oder gar als Paradiese unter Wasser wurden sie erst viel später entdeckt. Es waren die verwegenen Tauchpioniere, die mit selbst gebastelter Ausrüstung das Tor in eine neue Welt aufstießen und mit Berichten und ersten Bildern von geheimnisvollen Unterwasserlandschaften die sagenhafte Aura irgendwo zwischen Jules Verne und Cousteau begründeten. Bis heute haben die Korallenriffe nichts von ihrer magischen Anziehungskraft verloren.

Die Zugänglichkeit der Unterwasserwelt ist heute dank moderner Tauchtechnik für praktisch jedermann gegeben, die Präsenz der Riffe in den Medien tut ein Übriges. Kaum jemand, der einmal ein Riff unter Wasser gesehen hat, kann sich der Faszination entziehen und dem Staunen.

“Yet these low, insignificant coral islets stand and are victorious: for here another power, as an antagonist, takes part in the contest. The organic forces separate the atoms of carbonate of lime, one by one, from the foaming breakers, and unite them into a symmetrical structure. Let the hurricane tear up its thousand huge fragments; yet what will that tell against the accumulated labour of myriads of architects work night and day, month after month? Thus do we see the soft and gelatinous body of a polypus, through the agency of the vital laws, conquering the great mechanical power of the waves of an ocean which neither the art of man nor the inanimate works of nature could successfully resist.”

(Charles Darwin, April 1836, Voyage of the Beagle)

Freie Übersetzung des Autors:

Bis heute halten diese niedrigen, kaum aufragenden Koralleninseln siegreich stand. Denn hier tritt eine neue Kraft als Gegenspieler in den Wettstreit [mit den Wellen] ein. Die organischen Kräfte trennen Atom für Atom den Kalk aus den schäumenden Brechern und fügen ihn zu einer symmetrischen Struktur zusammen. Mag der Hurrikan Tausende von Bruchstücken auftürmen, was kann das ausrichten gegen das gemeinsame Werk der Myriaden von Architekten, die Tag und Nacht, Monat für Monat zusammenarbeiten? Dabei sehen wir, wie der weiche, gelatinöse Körper eines Polypen nach den Regeln der vitalen Gesetze die mechanische Kraft der Ozeanwellen überwindet, einer Kraft, der weder die Kunstfertigkeit des Menschen noch die unbelebte Natur erfolgreich widerstehen können.

Darwin war fasziniert von den Koralleninseln und Riffen. Mit welchen Worten hätte er die Unterwasserwelt beschrieben, wenn er sie, wie ich und viele Sporttaucher, mit eigenen Augen hätte sehen und beobachten können? Ich habe diese Zeilen erst Jahre nach meinem ersten Tauchgang in einem Korallenriff gelesen, der tiefe Eindruck war mir jedoch unmittelbar vertraut. Staunende Ehrfurcht angesichts der unglaublichen Vielfalt und der Fülle des Lebens (der prallen Vitalität) in einem Korallenriff beschreibt das Gefühl recht treffend, und hat mich seitdem bei vielen Tauchgängen begleitet und bis heute nicht losgelassen.

Tropische Korallenriffe mit all ihren Formen, Farben und der geradezu sprichwörtlichen Artenvielfalt gelten als Sinnbilder üppigen Lebens. Hier zeigen Natur und Evolution in beeindruckender Art und Weise, was sie zu leisten in der Lage sind, wenn man sie lässt. Obwohl weniger als 1 % der Ozeane von Korallenriffen bedeckt sind, beherbergen die Riffe ein Viertel aller bekannten Arten und weisen damit mit Abstand die höchste Biodiversität aller marinen Lebensräume auf. Schätzungen gehen von bis zu 1 Mio. Arten aus, bislang sind lediglich etwa 65.000 bekannt. Auch wenn Regenwälder anhand von absoluten Zahlen unschlagbar sind (allein etwa 1 Mio. Insektenarten), sind in Korallenriffen deutlich mehr unterschiedliche Klassen und Tierstämme (auch Wirbeltiere) an der Artenvielfalt beteiligt.


Lebendiges Korallenriff: Mondsichel-Lippfische (Thalassoma lunare) und Riffbarsche schwimmen im Takt der Brandung über den Korallen eines Riffhanges.

Ich war viele hundert Stunden unter Wasser zu Gast in diesem einzigartigen Lebensraum, denn ich hatte das Glück, für fast 15 Jahre in den Korallenriffen vornehmlich des Roten Meeres arbeiten zu dürfen. Dabei wandelte sich der Fokus der Arbeiten von ursprünglich klassischer Grundlagenforschung hin zu angewandten Aspekten der Riffrehabilitation. Seit den 80er-Jahren machen Wissenschaftler immer wieder in unterschiedlichen Foren auf die dramatische Verschlechterung des Zustandes der Korallenriffe aufmerksam, mit sehr unterschiedlicher Resonanz. Die mit Abstand erfolgreichsten Kampagnen waren immer die, bei denen interessierte Laien die Hauptrolle spielten und die Erkenntnisse in eine breite Bevölkerungsschicht trugen, und genau für diese Menschen ist dieses Buch gedacht.

Zahllose Dokumentationen seit Hass und Cousteau haben die Korallenriffe ins Wohnzimmer gebracht, und auch diejenigen, die sie nie betreten können oder konnten, sind fasziniert von der Schönheit dieses einzigartigen Lebensraums.

„Man schützt nur, was man liebt – man liebt nur, was man kennt“ (Konrad Lorenz). Dieser Satz gilt auch für die Korallenriffe.

Dieses Buch kann ein komplexes Thema selbstverständlich nicht annähernd erschöpfend behandeln. Es stellt jedoch die Bedingungen für die Bildung und Existenz der heutigen Korallenriffe vor und versucht vor diesem Hintergrund zu erklären, wodurch und warum diese großartigen Lebensräume heute akut bedroht sind. Information ist die Voraussetzung für Teilhabe und Übernahme von Verantwortung für das, was wir lieben. Ich würde mich freuen, wenn dieses Buch hierzu einen Beitrag leisten könnte, denn auch unser (Konsum-)Verhalten, weit abseits der Korallenregion, entscheidet maßgeblich mit über die Zukunft der Riffe.

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