Читать книгу Einführung in die Musikpädagogik - Peter W. Schatt - Страница 10
Zwischen eigener und fremder Wirklichkeit reflektieren
ОглавлениеDabei ereignet sich etwas, das nur dem Menschen gegeben ist: Es gehört zu den Eigenarten menschlichen Denkens, dass es sich selbst beobachten und kann – Helmuth Plessner nannte dies „exzentrische Positionalität“ unterscheiden ([1928]1981). Eine solche exzentrische Position können wir durchaus im Alltag einnehmen – die Tatsache, dass meine Zahnärztin mich um Rat hinsichtlich des Musikunterrichts ihrer Tochter fragte, macht deutlich, dass sie ihrem eigenen Nachdenken skeptisch gegenüberstand. Im wissenschaftlichen Denken nehmen solche Selbstbeobachtungen in Form des Vergleichs des Eigenen mit dem Anderen sowie die abwägende Differenzierung als Grundlage für den Anschluss an andere Forschungsergebnisse und andere Positionen eine zentrale Rolle ein.
Im Rahmen ordnenden Denkens gilt es dabei zu unterscheiden: zwischen eigenen und fremden Absichten, eigenen und fremden Mitteln und damit generell zwischen eigener und fremder Wirklichkeit. Nicht nur, wenn ich über mögliche Förderung oder Unterrichtung in Musik nachdenke, sondern auch, wenn ich das diesbezügliche Nachdenken Anderer in den Blick nehme, denke ich über Musikpädagogik nach – und damit denke ich selbst bereits musikpädagogisch. Das in diesem Buch verfolgte Anliegen, Aussagen über musikpädagogisches Denken zu machen, würde demnach implizieren, auch das eigene Denken in eine Distanz zu rücken, als sei es ein anderes.
Damit leistet mein musikpädagogisches Denken einen Beitrag zu dem, was als musikpädagogisch-wissenschaftlicher Diskurs bezeichnet wird. Da die Darstellung und Erörterung u.a. von Positionen, Einsichten, Erkenntnissen, Erfahrungen und Urteilen, aus denen solche Diskurse bestehen, durch ihre Bezugsfelder – in unserem Falle der Mensch hinsichtlich seiner Kommunikation und Interaktion in Bezug auf Musik in bestimmten Situationen – gesellschaftlich verankert sind, werden in ihnen unweigerlich Sozialität, Kultur und Politik reproduziert, kritisiert oder auch revolutioniert. Die Analyse solcher Diskurse gehört zu den Aufgaben wissenschaftlicher Musikpädagogik – insbesondere, wenn diese sich als „kritische Kulturwissenschaft“ versteht (Vogt, 2014): Ein solches Selbstverständnis spiegelt sich im Namen einer wichtigen musikpädagogischen Online-Veröffentlichungsreihe, der Zeitschrift für Kritische Musikpädagogik (ZfKM).