Читать книгу Einführung in die Musikpädagogik - Peter W. Schatt - Страница 8
1. Wissenschaftstheoretische Orientierung 1.1 Musikpädagogisches Denken als Praxis und ‚Gegenstand‘
ОглавлениеDrei Beispiele aus drei verschiedenen Lebensbereichen mögen in unser Vorhaben einführen, indem sie aufzeigen, dass, wo und wie über das Verhältnis von Mensch und Musik sowie dessen Veränderung im Sinne einer Optimierung nachgedacht werden kann:
Meine Zahnärztin fragte mich, ob ich ihr empfehlen würde, ihre Tochter zur Musikalischen Früherziehung zu schicken. Sie sei drei Jahre alt, singe ganz allerliebst verschiedene Lieder mit recht reiner Intonation und spiele mit Begeisterung auf ihrem kleinen Glockenspiel, erfinde dabei sogar selbst die eine oder andere Melodie. Die Mutter wollte diese offenbar vorhandene Neigung oder Begabung fördern.
Wenig später dachte ich über ein Konzertprogramm nach. Ich wollte die Komposition Hypotosis von Karl Gottfried Brunotte in der Essener Musikhochschule aufführen in der Absicht, den Studierenden ein Werk zu Gehör zu bringen, in dem sich exemplarisch aktuelles musikalisches Denken zeigt. Um ein Konzertprogramm zusammenzustellen, galt es, andere Werke hinzuzufügen. Meine Wahl fiel auf Karlheinz Stockhausens Spiral und Alban Bergs Vier Stücke für Klarinette und Klavier, da diese Werke – wie das von Brunotte – Ergebnisse eines Denkens sind, das Grenzen zu überwinden sucht. Diese Grenzüberschreitungen hörend wahrzunehmen schien mir interessant und wichtig, da sie zum musikalischen Fortschritt beitrugen, dadurch wichtige Momente der Musikgeschichte markieren und insofern ihre Kenntnis zur musikalischkulturellen Bildung gehört.
Ein halbes Jahrhundert zuvor dachte meine Mutter, es wäre schön, ein musikalisches Kind zu haben, und so sang sie während ihrer Schwangerschaft ein Lied nach dem anderen in der Hoffnung, dies würde Auswirkungen auf die Eigenschaften ihres Nachwuchses haben.
In allen drei Fällen wurde zweifellos darüber nachgedacht, ob, wie und in welchen Hinsichten Menschen mit Blick auf Musik gefördert werden können oder sollen. Aber dürfen wir das Denken in allen drei Fällen als musikpädagogisch bezeichnen?