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Vorwort
Оглавление– Astrid Schillings –
Wenn ich morgens gegen zehn Uhr in Hongkong zu Cheung Chun Wah zum Qi-Gong-Unterricht ging, saßen dort oft Menschen auf der kleinen Plastikcouch im Wohn- und Unterrichtszimmer der Familie. Sie hatten gerade eine Übungsstunde beendet, ruhten sich aus und sprachen miteinander – chinesisch. Hin und wieder fragte mich jemand, meist eine der Frauen, mit anteilnehmendem Gesicht in freundlichem Hongkong-Englisch: »Und welche Krankheit haben Sie?« Ich hörte mich sagen: »Keine. Ich möchte es nur lernen.« Erst in diesem Moment wurde mir bewusst, dass Qi Gong eine wirksame Heilmethode ist – ohne Rezept und Medizin. Die jeweils Fragende erzählte mir von ihrem Krebs, ihren Magen- und Herzproblemen oder von dem, was immer sie in die kleine, laute Wohnung im elften Stock eines Hochhauses am Hafen geführt hatte. Aber warum ich es denn lernen wollte, wenn mir nichts fehle? Ich konnte nicht antworten. Es war die Übung, die Übung selbst, die mich gerührt hatte.
Die pragmatische Seite des Fliegenden Kranich Qi Gong ging mir nur langsam auf, später. Es ist nicht so, dass der Nutzen mir unwichtig erscheint. Die helfende Beruflerin in mir fühlt sich angesprochen: eine psychosomatische Übung, billig, praktisch, für jede und jeden, eine allgemeine »Gesundheitssorge« samt Krankheitsvor- und Nachsorge: Leib, Seele und Geist werden angesprochen – in einer Übung. Wunderbar. Und zugleich, all das trifft es noch nicht ganz, das Herz des Kranichs. Nicht das, was ihn im Grund bewegt. Als ich die Bewegungen zum ersten Mal bei Petra Hinterthür in Japan sah, wusste ich nicht, dass Zhào Jin Xiang, der Erfinder dieses Qi Gong, erst einmal stille gesessen hatte, bevor er die Übung erfand und wie krank er gewesen war, bevor er weise wurde. Mir war, als würde ich in den Bewegungen etwas wiedererkennen – in diesen stummen, meist runden, langsamen Formen. Dabei steht man nur da und bewegt – innen und außen, rechts und links, oben und unten – Arme, Beine, Kopf und Rumpf. Auch ein großer Vogel hebt und senkt nur seine weiten Schwingen im Flug. Und doch, wenn wir ihm eine Weile zuschauen, scheinen sich Raum und Zeit zu dehnen und Stille wird sichtbar. Irgendetwas tröpfelt durch, von dem Zhào Jin Xiang sagt, es sei die Weisheit des Kosmos, die sich durch den Leib widerspiegelt. Graf Dürckheim nennt das: Der Leib, der ich bin, im Unterschied zum Körper, den ich habe. Im Qi Gong entscheidet jeder Übende für sich selbst. Ich kann üben, mit dem Körper, den ich habe, um gesund, lebenstüchtig und persönlich erfolgreich zu werden. Das ist legitim. Ich kann üben, um durchlässiger zu werden im Leiblichen, Seelischen und Geistigen für die Weisheit, die mich sein lässt, wer ich bin. Auch das ist eine Möglichkeit.
Cheung Chun Wah schlug mir noch in Hongkong vor, den Fliegenden Kranich auch in Europa zu unterrichten. Er war von Anfang an überzeugt, dass der Kranich bei uns Europäern genauso wirken kann wie bei Chinesen. »Du wirst deinen eigenen Weg finden, anderen mitzuteilen, was der Fliegende Kranich ist. So habe ich es gemacht.« Für seine unermüdliche Geduld und Ermutigung kann ich mit Worten nicht danken. Der Kranich fliegt nun in vielen europäischen Ländern.
Auch der Impuls, über das Kranich Qi Gong zu schreiben, ging von Cheung Chun Wah aus. Er hat unsere Arbeit großzügig und kraftvoll getragen. Wir sind dafür besonders dankbar, weil wir uns ohne Übersetzer direkt in englischer Sprache verständigen konnten. Im Schreiben dieses Übungsbuches haben die Wege zweier Menschen Ausdruck gefunden. Wir, die Autorinnen, entdeckten Gemeinsames und Unterscheidendes bei der Auseinandersetzung mit dem, was Qi Gong ist, auch für jede von uns ist. Das »Du« erschien uns als direkte Anrede geeignet, das Lernen zu erleichtern.
Ich danke den bei mir Lernenden für die Anregungen, die sie mir so bereitwillig gegeben haben, auch Dr. med. Haumont, Hedio von Stritzky, Edith, Sebastian und Beate Schillings für ihre spontane Hilfsbereitschaft. Petra und Paul Hinterthür luden mich zu sich nach Hong Kong ein. Nur so war es mir möglich, den Fliegenden Kranich zu lernen. Ich danke ihnen ganz herzlich für ihre Gastfreundschaft und dafür, dass sie mir Zeit ließen. Im Besonderen gilt mein Dank Bill Fraser. Er war der erste, dem ich die Übung weitergeben durfte. Natürlich freut es mich, dass auch ihm daraus die Lehrautorisierung durch Meister Zhao selbst erwachsen ist. Bills aktive Teilnahme und Geduld waren mir eine große Stütze.
Astrid Schillings, 1989