Читать книгу Linguistic Landscape als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie? - Philippe Moser - Страница 13

A.2.3.2 Aktuelle Sprachsituation

Оглавление

Biel ist heute Hauptort des Verwaltungskreises Biel/Bienne, der zusammen mit dem Verwaltungskreis Seeland zur gleichnamigen Verwaltungsregion Seeland gehört. Sowohl der Kanton Bern als auch der Verwaltungskreis Biel/Bienne sind offiziell zweisprachig, unter grundsätzlicher Einhaltung des Territorialitätsprinzips. Die gesetzliche Grundlage dafür regelt Artikel 6 der Verfassung des Kantons Bern (während Artikel 15 die Sprachfreiheit gewährleistet):

Art. 6 Sprachen

1 1 Das Deutsche und das Französische sind die bernischen Landes- und Amtssprachen.2 Die Amtssprachen sinda das Französische in der Verwaltungsregion Berner Jura,b das Deutsche und das Französische in der Verwaltungsregion Seeland sowie im Verwaltungskreis Biel/Bienne,c das Deutsche in den übrigen Verwaltungsregionen sowie im Verwaltungskreis Seeland.3 Die Amtssprachen der Gemeinden in den Verwaltungskreisen der Verwaltungsregion Seeland sinda das Deutsche und das Französische für die Gemeinden Biel/Bienne und Leubringen,b das Deutsche für die übrigen Gemeinden.4 Kanton und Gemeinden können besonderen Verhältnissen, die sich aus der Zweisprachigkeit des Kantons ergeben, Rechnung tragen.5 An die für den ganzen Kanton zuständigen Behörden können sich alle in der Amtssprache ihrer Wahl wenden.

(Verfassung BE, Art. 6)

Die Verfassung des Kantons Bern regelt in diesem Artikel auch die offizielle Anerkennung der französischen und deutschen Sprache in der Gemeinde Biel. Diese bildet also – zusammen mit der Gemeinde Leubringen – eine der wenigen Ausnahmen zum Territorialitätsprinzip (sofern dieses als territoriale Aufteilung einsprachiger Gebiete verstanden wird) und ist die einzige Schweizer Stadtgemeinde, die eine solche Ausnahme darstellt. Diese offizielle Anerkennung zweier Sprachen bedeutet einen Unterschied zu den Situationen in Freiburg und Murten (vgl. A.2.1.2 und A.2.2.2). In Artikel 3 der Stadtordnung (Stadt Biel, SGR 101.1) wird die offizielle Zweisprachigkeit Biels auf Gemeindeebene wiederholt1:

Art. 3 – Amtssprachen

1 1 Deutsch und Französisch sind gleichberechtigte Amtssprachen im Verkehr mit städtischen Behörden und mit der Stadtverwaltung.

2 2 Städtische Erlasse und amtliche Mitteilungen an die Bevölkerung sind in deutscher und französischer Sprache abzufassen.

(Stadtordnung Biel, Art. 3)

Auch im Bereich der Schule2 oder des kulturellen Angebots wird die Zweisprachigkeit Biels hervorgehoben und soll gefördert werden. Die Stadt betont die Anerkennung und Förderung der Zweisprachigkeit regelmässig in ihrer Kommunikation nach aussen, beispielsweise auf ihrer Website (vgl. auch Brohy 2011: 114)3, durch Slogans wie «Biel/Bienne – la bilingue» (vgl. B.3.6) oder «Willkommen in Biel/Bienne – grösste zweisprachige Stadt der Schweiz und Uhrenweltmetropole»4, und die Zweisprachigkeit wird gerne als prägendes Merkmal dargestellt, oder wie es Werlen (2010: 9) ausdrückt: «Neben Biel gelten verschiedene andere Schweizer Gemeinden als zweisprachig, aber keine ist es so offensichtlich und so programmatisch.» Die Gemeinde untersucht und überwacht den Zustand ihrer Zweisprachigkeit durch Einrichtungen wie das Forum für die Zweisprachigkeit mit dem ‹Barometer der Zweisprachigkeit›5, der beispielsweise für 2008 zu einem äusserst positiven Schluss kommt, zusammengefasst in Conrad/Elmiger 2010:

Die Zweisprachigkeit wird in Biel gelebt und sie ist breit akzeptiert. Sie ist ein Bestandteil der Identität der BewohnerInnen. Diese realisieren auch, dass die Stadt bestrebt ist, diese Besonderheit zu fördern. Die Anstrengungen hierzu werden von der gesamten Bevölkerung vorteilhaft aufgenommen und sie wirken sich positiv auf das Zusammenleben in Biel aus. (Conrad/Elmiger 2010: 106)

Auch die Ausgabe von 2016 kommt weitgehend zu den erhofften Resultaten, wie die Zusammenfassung auf der entsprechenden Website zeigt:

Die Ergebnisse der breit angelegten, von Juni bis Februar 2016 durchgeführten Umfrage unter der Bieler Bevölkerung zeigen, dass die Zweisprachigkeit in der Seelandstadt acht Jahre nach dem letzten «Barometer» weiterhin positiv bewertet wird. Obwohl die Zweisprachigkeit ein fester Bestandteil der Identität der Bieler‑innen ist und in den Augen der Bevölkerung mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt, sind die Französischsprachigen in diesem Jahr unzufriedener als 2008.6

Es gilt jedoch auch festzuhalten, dass die Einwohnerinnen und Einwohner trotz der Anerkennung der institutionellen Zweisprachigkeit auf Gemeindeebene durch die Stadtverwaltung als jeweils einsprachig verstanden werden.

[Die] Ausgestaltung der amtlichen Zweisprachigkeit enthält einen inneren Widerspruch. Die Stadt selbst versteht sich als zweisprachig – aber sie betrachtet die Bewohnerinnen und Bewohner nur als einsprachig deutsch oder französisch. Zweisprachige Personen werden von der Stadt immer einer der beiden Sprachgruppen zugeteilt. Individuelle Zweisprachigkeit ist gewissermassen nicht vorgesehen – ausser bei den Angestellten der Stadt, von denen verlangt wird, dass sie mit den Bürgerinnen und Bürgern in beiden Sprachen umgehen können. (Werlen 2010: 13)

Dies wiederum entspricht der Fragestellung nach der Hauptsprache in den Schweizer Volkszählungen bis 2000 (vgl. A.2.0). Gemäss den Ergebnissen dieser Volkszählung von 2000 gelten in Biel denn auch 55,4% als deutschsprachig und 28,1% als französischsprachig, als Hauptsprache von 16,4% gelten weder Deutsch noch Französisch (vgl. Werlen 2010: 12). Die Kompetenzen in der jeweils anderen Sprache (Deutsch oder Französisch) scheinen jedoch gemäss den Untersuchungen des ‹Barometers der Zweisprachigkeit› bei einem grossen Teil der Stadtbevölkerung sehr hoch zu sein7.

Die Strukturerhebungen des Bundesamtes für Statistik lassen seit 2010 Mehrfachnennungen zu (und stehen für Biel als «grosse Stadt» auch nach Jahr zur Verfügung). Im Jahr unserer hauptsächlichen Datenerhebung in Biel, 2015, nennen 23 792 Deutsch und 15 385 Französisch als Hauptsprache8.

Für den Verwaltungskreis Biel/Bienne sind es 2014-2016 (kumuliert) 62 417 für Deutsch und 26 370 für Französisch, welches in der Stadt also im Verhältnis zu Deutsch häufiger als Hauptsprache genannt wird als im umliegenden Gebiet des Verwaltungskreises.

Linguistic Landscape als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie?

Подняться наверх