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A.1 Einleitung

A.1.1 Geschriebene Sprache im öffentlichen Raum

Gegenstand der vorgestellten Untersuchungen ist also zunächst die geschriebene Sprache im öffentlichen Raum, in erster Linie in Form zumindest teilweise standardisierter Sprachen, meist mit offiziellem Status in den jeweiligen Kontexten (konkret Deutsch, Französisch, Italienisch und Luxemburgisch). Wir beziehen uns auf die beiden Bedeutungen von ‹Schrift› zum einen als System zur grafischen und lesbaren Wiedergabe von Elementen einer bestimmten Sprache (hier durch Buchstaben) und zum anderen als konkrete Anwendung dieses Systems, die sich als grafisches Element auf einem materiellen Träger betrachten lässt. Entsprechend untersuchen wir die An- oder Abwesenheit der bestimmten Sprachen ebenso wie – in einem kleineren Teil der Untersuchungen – die vermittelten Inhalte und die Phänomene der konkreten, grafischen Anwendung der Schrift im zweiten Sinn. Berücksichtigt werden im Grundsatz sämtliche Elemente lesbarer Schrift im öffentlichen Raum, den wir in A.3.3.1 ausführlich definieren.

A.1.2 Die Städte Freiburg, Murten, Biel, Aosta, Luxemburg und Aarau

Die Untersuchungen beziehen sich auf den öffentlichen Raum (vgl. A.3.3.1) der Städte Freiburg, Murten, Biel, Aosta, Luxemburg und Aarau. Es handelt sich dabei um fünf auf unterschiedliche Art und Weise mehrsprachige Städte, die untereinander und mit der einsprachigen Stadt Aarau1 verglichen werden sollen.

Es wurden dazu bewusst fünf mehrsprachige Städte ausgewählt, deren sprachliche und allgemeine Situationen sich zuweilen äusserst deutlich unterscheiden, in einigen Punkten bis zur Gegensätzlichkeit. Die im Folgenden kurz umrissenen Punkte werden für den Vergleich der Resultate aus den fünf mehrsprachigen Städten in C.1 herangezogen.

In Bezug auf die Orte der Untersuchung liegt der Schwerpunkt mit Freiburg, Murten und Biel sowie Aarau auf der Schweiz. Dazu wurden zusätzlich zwei Städte ausgewählt, die ausserhalb der Schweiz und somit in Regionen liegen, die von anderen sprachpolitischen Situationen geprägt sind: Aosta in der Autonomen Region Aostatal in Italien und Luxemburg im gleichnamigen Grossherzogtum.

Auch zwischen den drei Schweizer Städten liegen Unterschiede und Gegensätze vor: Biel liegt im Kanton Bern, während Murten und Freiburg im Kanton Freiburg liegen; Biel anerkennt die Zweisprachigkeit auf Gemeindeebene, Freiburg und Murten nicht; Letztere liegen zwar im gleichen Kanton, nicht aber im gleichen Bezirk, wobei der Bezirk nur im Fall von Murten offiziell zweisprachig ist; In allen drei Städten stehen Deutsch und Französisch in Kontakt, in Biel und Murten überwiegt die deutschsprachige Bevölkerung (in Murten weitaus deutlicher als in Biel), in Freiburg die französischsprachige.

Luxemburg unterscheidet sich von den übrigen zweisprachigen Städten durch seine Dreisprachigkeit (wir beziehen uns auf die offiziellen Sprachen).

Für die Schweizer Städte kann von Mehrheits- und Minderheitensprachen gesprochen werden, während im Fall von Aosta die eine der beiden offiziellen Sprachen kaum über eine Sprachgemeinschaft verfügt und ihre heutige Präsenz in erster Linie politisch und symbolisch begründet ist. Im Fall von Luxemburg kommen den drei Sprachen unterschiedliche Funktionen zu, wodurch wir auch hier nicht von eigentlichen Sprachgemeinschaften sprechen können.

Darüber hinaus sind die gewichtigen Unterschiede in der Bevölkerungszahl (von weniger als 10 000 in Murten bis zu mehr als 100 000 in Luxemburg) und Fläche (von unter 10 km2 für Freiburg bis zu mehr als 50 km2 für Luxemburg) hervorzuheben.

Neben den erwähnten Unterschieden besteht – zusätzlich zur in unterschiedlicher Form und Ausprägung vorhandenen Mehrsprachigkeit – die Gemeinsamkeit der Präsenz der französischen Sprache. Auch diese zeigt sich allerdings in verschiedenen Kontexten: als Mehrheitssprache (Freiburg), als Minderheitensprache (Murten und Biel), als politisch gestützte Sprache mit vornehmlich symbolischer Funktion (Aosta) oder als wichtigste Amtssprache aber nicht wichtigste Hauptsprache der Bevölkerung (Luxemburg).

Eine Tabelle mit weiteren Daten zeigen wir in Anhang F.1.

A.1.3 Fragestellungen

In den folgenden Untersuchungen zu den fünf mehrsprachigen Städten Freiburg, Murten, Biel, Aosta und Luxemburg sowie zur für Vergleiche herangezogenen einsprachigen Stadt Aarau werden wir uns mit den folgenden grundlegenden Fragestellungen befassen:

1 Entspricht die Präsenz der berücksichtigten Sprachen (d.h. der offiziellen und/oder traditionellen Sprachen der jeweiligen Städte) respektive mehrsprachiger1 Einheiten in der Linguistic Landscape der tatsächlichen aktuellen Sprachsituation der jeweiligen Stadt in Bezug auf die Anteile der Sprecherinnen und Sprecher der jeweiligen Sprachen?

2 Entspricht die Präsenz der berücksichtigten Sprachen (d.h. der offiziellen und/oder traditionellen Sprachen der jeweiligen Städte) respektive mehrsprachiger Einheiten in der Linguistic Landscape allfälligen sprachpolitischen und/oder sprachplanerischen Regelungen (falls vorhanden) der jeweiligen Städte und/oder Regionen?

3 Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Zonen (‹Altstadt› vs. Gesamtgebiet) der Städte? Wo sind mehrsprachige Einheiten und Minderheitensprachen resp. weniger vertretene Sprachen mit grösserer Wahrscheinlichkeit anzutreffen?

4 Gibt es in Bezug auf Fragen 1-3 Unterschiede zwischen den Kategorien top-down und bottom-up?

5 Gibt es in Bezug auf Fragen 1-4 Unterschiede zwischen den fünf untersuchten mehrsprachigen Städten und der einsprachigen ‹Vergleichsstadt›?

6 Welche Rolle spielt die grafische Darstellung der verschiedenen Versionen in mehrsprachigen Einheiten?

7 Welche Rolle spielt die (vollständige oder partielle) Übersetzung in mehrsprachigen Einheiten? Gibt es typische Übersetzungsstrategien der mehrsprachigen Linguistic Landscape?

8 Gibt es in Bezug auf die Fragen 6-7 Unterschiede zwischen den Kategorien top-down und bottom-up?

9 Gibt es in Bezug auf die Fragen 6-8 Unterschiede zwischen den fünf untersuchten mehrsprachigen Städten und der einsprachigen Vergleichsstadt?

Die Fragen 1-5 sind Gegenstand der Untersuchungen zu sämtlichen in den jeweiligen Städten erhobenen Einheiten, während die Fragen 6-9 anhand ausgewählter einzelner Beispiele in einem rein qualitativen Ansatz behandelt werden.

Diese Behandlung der Fragestellungen soll schliesslich auch zur Beantwortung der Frage führen, ob eine Methode, die sich ausschliesslich auf eine Betrachtung der Linguistic Landscape im in A.3.3.1 definierten Sinn beschränkt, Aussagen über Sprachdemografie und Sprachpolitik eines bestimmten Territoriums zulässt.

Linguistic Landscape als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie?

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