Читать книгу Linguistic Landscape als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie? - Philippe Moser - Страница 17
A.2.5.2 Aktuelle Sprachsituation
ОглавлениеBereits die Herausgeber von Hoffmann 1979 umreissen die Besonderheit der luxemburgischen Sprachsituation in einer zu einem grossen Teil noch heute gültigen Beschreibung:
Zum einen ist Luxemburg, abgesehen von Malta, das einzige Land Europas, in dem einer «exoglossischen», einer mehr oder minder nur schulisch erworbenen und nicht auf der Primärsprache des Kindes aufbauenden Standardsprache, nämlich dem Französischen, neben der primären Muttersprache ein bestimmter fester Platz im kulturellen Leben des Landes eingeräumt ist und deren fortdauernde intensive Pflege als konstitutiver Teil der nationalen Kulturtradition betrachtet wird.
Zum anderen ist Luxemburg die einzige Region im deutschen Sprachraum, in der die einheimische Mundart, das Letzeburgische […] bzw. ein Gemeinletzeburgisch als Koine der verschiedenen Orts- und Gebietsmundarten, eine solche Ausweitung des Gebrauchs und des Ausbaus erreicht hat, dass sie in wichtigen «Domänen» des Sprachgebrauchs […] die deutsche Standardsprache vielfach ersetzt hat1. (Auburger/Kloss/Kolde 1979: VII)
Zumindest zwei Merkmale gelten noch immer: die Verwendung des «exoglossischen» Französisch und die starke Präsenz des Luxemburgischen, das einige Jahre nach dem Erscheinen von Hoffmanns Übersicht einen offiziellen Status in der Luxemburgischen Verfassung erhalten sollte, durch den es sogar über das Deutsche und das Französische gestellt wird. Die offizielle Sprachpolitik wird seit 1984 durch die Loi sur les langues geregelt:
Nous JEAN, par la grâce de Dieu, Grand-Duc de Luxembourg, Duc de Nassau;
Notre Conseil d’Etat entendu;
De l’assentiment de la Chambre des Députés;
Vu la décision de la Chambre des Députés du 25 janvier 1984 et celle du Conseil d’Etat du 7 février 1984 portant qu’il n’y a pas lieu à second vote;
Avons ordonné et ordonnons:
Art. 1er.
Langue nationale
La langue nationale des Luxembourgeois est le luxembourgeois.
Art. 2.
Langue de la législation
Les actes législatifs et leurs règlements d’exécution sont rédigés en français. Lorsque les actes législatifs et réglementaires sont accompagnés d’une traduction, seul le texte français fait foi.
Au cas où des règlements non visés à l’alinéa qui précède sont édictés par un organe de l’Etat, des communes ou des établissements publics dans une langue autre que la française, seul le texte dans la langue employée par cet organe fait foi.
Le présent article ne déroge pas aux dispositions applicables en matière de conventions internationales.
Art. 3.
Langues administratives et judiciaires
En matière administrative, contentieuse ou non contentieuse, et en matière judiciaire, il peut être fait usage des langues française, allemande ou luxembourgeoise, sans préjudice des dispositions spéciales concernant certaines matières.
Art. 4.
Requêtes administratives
Lorsqu’une requête est rédigée en luxembourgeois, en français ou en allemand, l’administration doit se servir, dans la mesure du possible, pour sa réponse de la langue choisie par le requérant.
Art. 5.
Abrogation
Sont abrogées toutes les dispositions incompatibles avec la présente loi, notamment les dispositions suivantes:
Arrêté royal grand-ducal du 4 juin 1830 contenant des modifications aux dispositions existantes au sujet des diverses langues en usage dans le royaume;
Dépêche du 24 avril 1832 à la commission du gouvernement, par le référ. intime, relative à l’emploi de la langue allemande dans les relations avec la diète;
Arrêté royal grand-ducal du 22 février 1834 concernant l’usage des langues allemande et française dans les actes publics.
Mandons et ordonnons que la présente loi soit insérée au Mémorial pour être exécutée et observée par tous ceux que la chose concerne.
Le Président du Gouvernement, Ministre d’Etat, Pierre Werner Le Ministre de la Justice, Colette Flesch Le Ministre de la Fonction Publique, René Konen | Château de Berg, le 24 février 1984. Jean |
(Loi sur les langues)
Luxemburgisch gilt also als Nationalsprache «des luxembourgeois» (Art. 1), Französisch ist einzig gültige Sprache der Gesetzgebung (Art. 2) und Deutsch hat – zusammen mit Französisch und Luxemburgisch – den Status einer Amts- und Gerichtssprache (Art. 3). Alle drei Sprachen sind für die Kommunikation mit den Behörden zulässig, die in der jeweiligen Sprache antworten sollten (was in etwa der in A.2.0 beschriebenen Situation in der schweizerischen Verwaltung auf Bundesebene entspricht). Die drei Sprachen sind in der luxemburgischen Gesetzgebung also nicht gleichberechtigt, wie das – offiziell – beispielsweise für Französisch («parificata alla lingua italiana»2 (Art. 38 Statuto VdA), vgl. A.2.4.2) und Italienisch im Aostatal oder für Deutsch und Französisch («gleichberechtige Amtssprachen» (Art. 3 Stadtordnung), vgl. A.2.3.2) in der Stadt Biel gilt, sondern erhalten unterschiedliche, durchaus hierarchisch erscheinende Funktionen: Luxemburgisch als ‹Nationalsprache› steht auf der höchsten Stufe und wird kaum zufällig bereits im ersten Artikel erwähnt, Französisch steht zwar in Bezug auf das Prestige eine Stufe tiefer als Luxemburgisch, ist aber als Sprache der Gesetzgebung wichtiger als Deutsch, dem – zumindest im Sprachengesetz – keine distinktive Funktion zukommt. Diese erhält es allerdings durch den Gebrauch in der Schule (vgl. Loi du 6 février 2009 portant organisation de l’enseignement fondamental), wo es vor dem Französischen erlernt wird und somit die Sprache der Alphabetisierung der Schulkinder in Luxemburg darstellt, was eine nicht unerhebliche Bedeutung ausmacht. Zum Luxemburgischen gilt es weiter anzumerken, dass es im ersten Artikel des Sprachengesetzes explizit nicht als Nationalsprache «Luxemburgs», sondern «der Luxemburger» bezeichnet wird, wobei unklar bleibt, wer damit gemeint ist: die Wohnbevölkerung oder die Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.
Das Sprachengesetz sieht keine Unterschiede zwischen einzelnen Landesteilen vor und seit dem Verlust der klar französischsprachigen Gebiete im Jahr 1839 ist dazu auch kaum ein Anlass gegeben. Die offizielle Dreisprachigkeit gilt gleichermassen im gesamten Staatsgebiet, wenn auch der tatsächliche Gebrauch des Französischen in der Hauptstadt und im Süden am deutlichsten ausgeprägt ist (vgl. Timm 2014: 15). Luxemburg kennt im Gegensatz zur Schweiz kein Territorialitätsprinzip, sondern ein System (das wir als ‹Funktionalitätsprinzip› bezeichnen können), in welchem den drei offiziellen Sprachen gemäss dem Sprachengesetz unterschiedliche Zuständigkeiten zufallen. Es gibt also keine offiziell luxemburgisch-, deutsch- oder französischsprachigen Gebiete Luxemburgs.
Die Erhebungen zur Hauptsprache (gemäss Fragestellung «die am besten beherrschte Sprache», Mehrfachnennungen sind nicht möglich) geben Aufschluss über die genannten Hauptsprachen der Bevölkerung. Gemäss den aktuellsten Zahlen aus der Volkszählung von 20113 nennen 265 731 oder 55,8% der Einwohnerinnen und Einwohner des Grossherzogtums Luxemburgisch als Hauptsprache, gefolgt von der Migrationssprache Portugiesisch mit 74 636 (15,7%), von Französisch mit 57 633 (12,1%) und von Deutsch mit 14 658 (3,1%). Werden ausschliesslich die Einwohnerinnen und Einwohner mit Luxemburger Nationalität berücksichtigt, erreicht Luxemburgisch als Hauptsprache einen Anteil von 88,8%, in grossem Abstand gefolgt von Französisch (4,2%), Portugiesisch (2,3%) und Deutsch (1,1%). Beschränkt sich die Auswertung auf die Einwohnerinnen und Einwohner, welche die Luxemburger Staatszugehörigkeit seit ihrer Geburt besitzen, beträgt der Anteil von Luxemburgisch 95,5%, Französisch 2,0%, Portugiesisch 0,9% und Deutsch 0,5%. Es wird also klar, dass Luxemburgisch als Hauptsprache der gebürtigen – und der meisten im Land aufgewachsenen – Luxemburgerinnen und Luxemburger die Regel ist. Die verhältnismässig hohen Anteile anderer Sprachen ergeben sich also aus der zahlreichen eingewanderten Wohnbevölkerung. Da deren Anteil in der Stadt Luxemburg besonders hoch ist, stellt sich hier auch die Sprachdemografie der Wohnbevölkerung anders dar und Luxemburgisch als genannte Hauptsprache erreicht einen Anteil von lediglich 35,2%, Französisch von 20,6%, Portugiesisch von 14,7% und Deutsch von 4,5%. Räumliche Unterschiede nach Hauptsprachen sind also auch in Bezug auf die offiziellen Amtssprachen durchaus vorhanden, jedoch nicht durch «herkömmliche sprachliche Zusammensetzung» (Art. 70 BV), sondern durch die unterschiedlichen Anteile an gebürtigen Luxemburgerinnen und Luxemburgern.