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|45|Rekonstruktionsvorschlag

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Τιμάνθηϲ ἔγλυψε τὸν ἀϲτερόεντα ϲάπειρον

τόνδε χρυϲίτην Περϲικὸν ἡμίλιθον

Δημύλωι· ἀνθ’ ἁπαλοῦ δὲ φιλήματοϲ ἡ κυανόθριξ

δῶρον Ν[ι]καίη Κώια ἔδ[εκτ’ ἐρατόν.

Timanthes schnitt den sternenbesäten Lapislazuli,

diesen Gold enthaltenden, persischen, der nur zur Hälfte ein Stein ist,

für Demylos; und im Tausch gegen einen zarten Kuss nahm ihn die dunkelhaarige

Nikaie aus Kos als liebenswertes Geschenk an.

Im Zentrum des Epigramms steht ein Stein, den Poseidipp in Übereinstimmung mit der antiken Fachliteratur über Steine ϲάπειροϲ nennt und der gemäß moderner Klassifizierung einem Lapislazuli entspricht. Das erste Distichon geht von der Herstellung des Schmucksteins aus und beschreibt den Stein in verschiedener Hinsicht. Das zweite Verspaar erzählt offenbar von der Schenkung des Steins (das entscheidende Prädikat ist in der Lücke am Ende des vierten Verses zu vermuten). Entsprechend wird das Epigramm durch die drei involvierten Personen gegliedert: Gleich zu Beginn nennt das Gedicht Timanthes, den Urheber des Schmucksteins, im letzten Vers Nikaie, die Beschenkte. Die Zwischenstellung des Demylos als Auftraggeber und Schenker und seine Bedeutsamkeit für die beiden Vorgänge des Schneidens und Empfangens werden durch die prominente Position, an der er genannt wird, unterstrichen: Als letztes Wort des ersten Satzes wird er am Anfang des zweiten Distichons genannt.

Die Beschreibung des Steins im ersten Teil des Epigramms enthält vier Charakterisierungen, von denen eine auf die Herkunft des Steins (Περϲικὸν) zielt, die übrigen drei die typische Erscheinungsform von ϲάπειροϲ/Lapislazuli in den Blick nehmen. Zunächst wird durch das metaphorische ἀϲτερόεντα (‚sternenbesät‘) die Zweifarbigkeit des Steins herausgestellt: Der blaue Grund ist mit goldgelben Punkten gleichsam übersät. Anschließend gibt χρυϲίτην den Grund für das charakteristische Äußere an. Das folgende ἡμίλιθον benennt die Folge der Goldhaltigkeit (s. Komm.): Der ϲάπειροϲ ist nur „zur Hälfte ein Stein“. Der petrographische Terminus, den Poseidipp hier offenbar prägt, ist nach ihm nicht bezeugt. Er hat sich offenbar in der Fachliteratur nicht durchgesetzt.

Dieses Distichon greift verschiedene Topoi der ersten Gedichtgruppe der Lithika auf (vgl. die Einl. zur Sektion, S. 22): Es nennt den Steinschneider und die Arbeit des Steinschneiders; außerdem die Art, die Herkunft und den Glanz des Steins, der durch ἀϲτερόεντα und χρυϲίτην evoziert wird. Das Gold, das in mehreren Gedichten als Material des Schmuckstücks, in das der jeweilige Stein eingefasst ist, erscheint, ist hier – umgekehrt – in den Stein ‚eingefasst‘. Besonders eng ist die Verknüpfung zum vorangehenden Epigramm: In beiden Gedichten wird der Stein als „persisch“ bezeichnet (Περϲικόν und Πέρϲην, 4.5), in seiner Erscheinung mit Himmelsphänomenen verglichen (ἀϲτερόεντα und ἀντιϲέληνον sowie eventuell auch λύχνωι παννυ̣[χ̣, 4.3f.) und mit Gold in Verbindung gebracht (χρυϲίτην und χρυϲῶι ϲφιγκτόν). Am frappierendsten ist aber die Ähnlichkeit der Schlussdistichen, in denen der Stein jeweils als Geschenk an eine Frau erscheint: Der Anfang des jeweils letzten Verses, in dem auf δῶρον an gleicher Versposition der dreisilbige Name einer Frau folgt, ist exakt parallel gebaut.

Während die vorangehenden Gedichte ein erotisches Element lediglich implizieren, erwähnt das Ende des vorliegenden fünften Epigramms einen Kuss, den offenbar Demylos von der beschenkten Nikaie bekommt. Diese Explizitheit wird durch das nüchterne ἀνθ’ (‚anstelle von‘, d.h. ‚im Tausch gegen‘) konterkariert, das die Schenkung nüchtern als Teil eines geschäftlichen |46|Austausches darstellt. Der Name der Beschenkten „Nikaie“ (‚die Siegreiche‘) soll vielleicht darauf hindeuten, dass sie, und nicht Demylos, die Bedingungen dieses Tauschgeschäfts festgelegt und erfolgreich durchgesetzt hat. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das extrem seltene Epitheton κυανόθριξ. Die blauschwarze Haarfarbe der Nikaie bildet nicht nur einen deutlichen Kontrast zu der goldenen Färbung des ϲάπειροϲ, sondern betont die außergewöhnliche Schönheit der Frau und unterstreicht so den Wert dessen, was eingetauscht wird.

Der Neue Poseidipp

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