Читать книгу Wichita Western Sammelband 4016 - 5 Romane um Colts, Cowboys und Banditen - R. S. Stone - Страница 13
6. Kapitel
ОглавлениеDie Sweet Travelling mochte ein betagtes Schiff gewesen sein und bereits einige Seemeilen auf dem Buckel gehabt haben. Aber die Inneneinrichtung des Salons unter Deck war mächtig nobel und gewiss erst vor nicht langer Zeit renoviert und auf Hochglanz getrimmt worden. Die Wände waren aus feinem Teakholz ausstaffiert, so wie der Tresen, hinter dem sich ein in verschnörkeltem Goldrahmen eingefasster Spiegel befand. Zahlreiche Petroleumlampen zierten die Wände. An den Decken hingen teure Kristallkronleuchter, die man sonst nur auf den großen Luxusdampfern des Missouri zu Gesicht bekam. Der Fußboden war mit Teppich ausgelegt, der gewiss ein Vermögen gekostet haben musste.
Brazos McCord war nicht der Mann, der auf solche Dinge Wert legte. Aber als er den Salon betrat, der mittlerweile mit Schiffsgästen gefüllt war, konnte er einen leisen, anerkennenden Pfiff nicht unterdrücken. Kaum einer der Anwesenden nahm Notiz von ihm. Und wenn, dann taten sie es mit verstohlenen Blicken. Brazos McCord schlängelte sich an den Tischen vorbei und steuerte den Tresen an. Der Barmann im weißen Hemd mit seiner schwarzen Fliege musterte ihn skeptisch von oben bis unten.
Was immer er aber auch über ihn denken mochte; der Barmann war klug genug, es für sich zu behalten. Ein Lächeln, das die Augen nicht erreichte, zog seinen gezwirbelten Schnurrbart nach oben. Er beugte sich leicht zu Brazos vor.
»Was kann ich für Sie tun, Monsieur?«
Höflich war der Kerl, keine Frage.
Brazos blickte sich im Saal um, bevor er sich dem Barmann, augenscheinlich französischer Abstammung, zuwandte. »Geben Sie mir ein Bier.«
»Selbstverständlich. Wünschen Sie es gezapft oder aus einer Flasche, Monsieur?«
Etwas irritiert war der Blick, den er dem Barmann zuwarf. »Was? Gezapft? Flasche? Egal, Mann. Halt ein Bier. Schmecken muss es. Der Rest ist mir schnuppe.«
Brazos erntete ein fast mitleidiges Lächeln. »Ich werde Ihnen ein Bier zapfen, und Sie werden begeistert sein, Monsieur.«
»Dann tun Sie das, mein Freund.«
Er lehnte sich an die Theke, und wieder schweiften seine Blicke über die Köpfe der Anwesenden hinweg. Das hier war eine Welt, die er nicht kannte und auch nicht verstand. Die Damen waren in teuren Abendkleidern ausstaffiert. Die Gentlemen, welche in der Minderzahl waren, trugen Anzüge, für die ein gewöhnlicher Cowboy gewiss ein Jahr lang schuften musste, wenn nicht sogar länger. Auf den Tischen prunkten silberne Kübel, deren Inhalt mit teuren Sekt- und Weinflaschen gefüllt waren. Möglich, dass sich auch Champagner darunter befand. Aber davon verstand Brazos McCord nicht viel. So sehr er sich auch anstrengte, nirgends konnte er ein Bierglas erkennen oder gar eine Whiskeyflasche.
Die besaufen sich auch, aber teuer. Das nennen die dann Stil, schoss es ihm durch seine Gedanken, und er schüttelte den Kopf. Dieser Mister du Mauret hat sich diese Kreuzfahrt für seine Tochter wahrhaftig ‘ne Menge kosten lassen. Nobel, nobel …
Es war keine reale Welt. Jedenfalls nicht für ihn. In solch einer gehobenen Gesellschaft würde ein Mann wie er sich nie und nimmer zurechtfinden können. Hier galten andere Regeln. Regeln, die er nicht verstand.
Der Barmann stellte ihm sein frisch gezapftes Bier auf den Tresen. Brazos McCord ergriff es und tat einen ordentlichen Schluck. Das Bier schmeckte vorzüglich.
Nun, wenigstens etwas.
Er lobte dies mit anerkennender Miene, und der Barmann griente zufrieden. Dem ersten Bier folgte ein zweites und, eher für Brazos McCord untypisch, sogar ein drittes. Dieses hatte er gerade zur Hälfte geleert und stand in Begriff, sich langsam aus dem Salon zu entfernen, um seine Koje zu aufzusuchen, als drüben bei den Tischen ein Mann aufstand, sich den teuren Anzug zurechtrückte und mit leicht schwankendem Schritt auf ihn zusteuerte.
Neugierig darauf, was nun kommen würde, stellte Brazos McCord das halbleere Glas auf die Theke ab. Er hatte bereits vorher bemerkt, dass an jenem Tisch lebhaft gesprochen und einige Male in seine Richtung geblickt worden war. Dort am Tisch saß auch Miss Marylee du Mauret.
Brazos McCord schwante nichts Gutes.
Und richtig.
Dicht vor ihm blieb der Mann stehen, schwankte etwas, und er hatte genug Alkohol intus, um mutig zu sein. Er war etwas über mittelgroß, hatte die Vierzig bereits überschritten. Weiche Züge in seinem augenblicklich leicht geröteten Gesicht zeigten Arroganz und zeugten von einem Leben, das nicht unbedingt von harter, schwerer Arbeit gekrönt worden war.
»Sie sind dieser Texas-Ranger.«
Noch konnte Brazos in den Worten kein alkoholtypisches Lallen feststellen. Dafür allerdings eine gehörige Portion Abfälligkeit. Brazos lehnte sich mit den Ellenbogen, besah sich sein Gegenüber und stellte fest, dass ihm dieser Kerl bereits nach dem ersten Satz tüchtig auf die Nerven ging.
»Nehmen wir mal an, es wäre so?«
»Mein Name ist Vandergroot, Rechtsanwalt Curtis Vandergroot«, erklärte der Mann und warf sich sogleich in die Brust. Anscheinend sollte so für Brazos der Eindruck von Wichtigkeit entstehen. Das tat es natürlich nicht, Brazos sah den Mann nur müde lächelnd an.
»Wie ich hörte, haben Sie Miss Marylee du Mauret äußerst rüpelhaft gegenüber dargestellt. So etwas kann und werde ich natürlich nicht hinnehmen. Ich fordere Sie unverzüglich auf, sich bei Miss du Mauret zu entschuldigen. Hier und jetzt, Sir.«
Brazos McCord staunte. Es hatte lange gedauert, bis sich dieser Bursche hatte aufraffen können. Denn Brazos war ja schon eine Weile im Salon und bei seinem dritten Glas Bier.
Nun, wahrscheinlich benötigte Mister Vandergroot Zeit und einen gewissen Pegel an Alkohol, um sich zu einem Entschluss aufraffen und sein Anliegen vortragen zu können. Brazos hatte keine Lust, sich eingehender mit diesem Mann zu befassen.
»Vandergroot, tun Sie sich selbst einen großen Gefallen und gehen zurück an den Tisch. Trinken Sie einen, und dann ist die Welt wieder in Ordnung. Aber lassen Sie mich in Frieden.«
Mit diesen Worten drehte sich Brazos McCord einfach wieder um und nahm Front zur Theke. Er verspürte nicht die geringste Lust auf Ärger, wollte einfach nur seine Ruhe haben.
Rechtsanwalt Vandergroot allerdings schien die Sache anders anzusehen. Mit einem Satz war er an Brazos McCord heran, riss ihn an der Schulter zu sich herum. Seine glasigen Augen nahmen in dieser Sekunde einen jähzornigen Ausdruck an.
»Wagen Sie nicht noch mal, mir den Rücken zuzuwenden, Sie Rüpel.«
Der Mann wollte einfach keine Ruhe geben, auch gut. Brazos verschaffte sich rasch Abhilfe des Problems. Mit einer blitzschnellen Handbewegung fegte er Vandergroots Hand von der Schulter, die sich dort festgekrallt zu haben schien. Fast synchron kam dann eine klatschende Ohrfeige, die Brazos mit der anderen Hand seinem Widersacher verabreichte. Das knallte laut, und Vandergroots Kopf flog zur Seite.
Im Saal war es plötzlich mucksmäuschenstill. Sämtliche Augenpaare richteten sich auf die Szenerie vor dem Tresen. Brazos beachtete sie nicht. Seine zusammengezogenen Augen waren auf Vandergroot fixiert, der sich die puterrot anlaufende Wange hielt und sein Gegenüber dabei fassungslos anstarrte anstarrte.
»Sie … Sie haben mich geohrfeigt«, stellte er dabei fest.
In diesem Moment schaffte Brazos McCord ein breites Grinsen. »Sorry, Kumpel, aber so langsam gehst du mir mächtig auf die Nerven. Und nun setz dich brav an den Tisch. Du willst doch sicher nicht, dass ich dir ernstlich weh tue, oder?«
Vandergroot setzte zu einer Antwort an, zu der es nicht mehr kommen sollte.
Schüsse krachten, Schreie drangen vom Oberdeck in den Salon. Kurz darauf erfolgte eine heftige Detonation, die das ganze Schiff erzittern ließ. Die Kronleuchter an der Decke begannen gefährlich zu wackeln. Die Schüsse wurden heftiger, Brazos glaubte, ein Schnellfeuergewehr in Aktion zu hören. Wahrscheinlich eine Gatling. So jedenfalls klang es in seinen Ohren. Die Hölle schien an Deck loszubrechen.
Jemand schrie: »Überfall! Überfall! Das Schiff wird überfallen!«
Eine andere drang dazwischen: »Feuer! Feuer! Das Schiff brennt!«
Im Saal brach ein höllischer Tumult aus. Die Menschen fingen hysterisch an zu schreien. Gläser und Flaschen kippten von den Tischen. Stühle polterten zu Boden. Mitten in diesem Tohuwabohu stürmte Brazos McCord los. Er stieß dabei Vandergroot zur Seite, der die Balance verlor und der Länge nach auf dem Teppich landete, erreichte das Zwischendeck und hetzte die gewundene Holztreppe zum Oberdeck hinauf.
Und dort war wahrhaftig die reinste Hölle los.
Flammen fraßen sich am Vorderdeck entlang, dichter Qualm stieg ihm in die Nase. Überall blitzen Mündungslichter auf, das Knattern der Schnellfeuerkanone lärmte in seinen Ohren. Männer schrien umher, er sah einen Matrosen taumeln und auf die Planken stürzen. Gestalten enterten über die Reling und huschten in Windeseile an Bord, begleitet von den mörderischen Garben der Schnellfeuerkanone. Erst jetzt erkannte Brazos McCord das Boot, auf dem sich die Drehkanone befand, die ihre unaufhörliche Bleisaat zur Sweet Travelling herübersandte, während immer mehr Männer über die Reling stürmten und sich gegen die vollkommen unterlegene Mannschaft der Sweet Travelling stellten.
Diesen Kampf kann die Sweet Travelling nie und nimmer bestehen!, schoss es durch Brazos McCords Kopf. Die Frage nach dem Wieso und Weshalb stellte sich erst gar nicht. Jetzt war wichtig, zu retten, was zu retten war.
Vor ihm tauchte die Gestalt eines riesenhaften Kerls auf. Brazos sah das Messer in dessen Hand zu einem vernichtenden Hieb gegen ihn ausholen. Brazos McCords Remington bellte auf und schickte den Burschen mit einem Schuss auf die Planken. Er achtete nicht weiter auf den Mann, stürmte zum Achterdeck, wo sich ein einzelner Mann gegen eine Übermacht stellte, die von dort an Bord gelangen wollte. Es war der Bootsmann Goodnight, dessen Hammerfäuste immer wieder die Angreifer von der Reling schlugen.
Querschläger jaulten an Brazos vorbei und klatschten ins Holz. Beinahe wäre er von einem getroffen worden. Die Kugel schlug gegen ein Metallrohr und verfehlte ihn um Haaresbreite. Brazos stieß einen wilden Fluch aus und lief weiter. Noch im Laufen jagte er Schuss um Schuss aus seiner Remington. Einige der Enterer rissen die Arme in die Höhe und kippten von der Reling ins Wasser. Neben ihm sackte eine Gestalt getroffen zusammen, zwei weitere stürzten über Bord. Wieder schlug Goodnight einen Mann von der Reling. Dann traf den bulligen Bootsmann etwas an den Kopf. Der Mann kippte nach vorn und verlor den Halt.
Brazos war zu weit weg, um dem Bootsmann noch hätte helfen zu können. Er stieß einen wilden Fluch aus, als er sah, wie Goodnight über Bord ins Wasser stürzte.
Das feindliche Boot war bereits ganz dicht seitlich am Achterdeck der Sweet Travelling angelangt. Die Zwillingsläufe der Drehkanone richteten sich auf und nahmen Ziel auf das Steuerhaus. Kaum war sich Brazos dieser Aktion bewusst, als er hilflos mitansehen musste, wie zwei volle Garben aus der Drehkanone ins Steuerhaus schmetterten und es buchstäblich in Fetzen schossen. Dabei erwischte es auch Kapitän Biggelow, der von mehreren Schüssen gleichzeitig getroffen, wie eine zappelnde Puppe hin und her geschleudert wurde und in grotesker Haltung über dem Ruder zusammenbrach. Wahrscheinlich hatte er noch versucht, die Sweet Travelling aus der Gefahr zu manövrieren.
Gallige Wut keimte in Brazos auf. Er schoss noch einen Angreifer von der Reling. Dann stieß der Hammer auf eine leere Patrone. Aber auch die Männer an der Drehkanone mussten nachladen.
Brazos schlug die Trommel auf, stieß die verschossenen Hülsen aus den Kammern. In Windeseile munitionierte er wieder auf. Die Patronen aus den Gurtschlaufen flogen förmlich in die Kammern. Mit dem Handballen schlug er die Trommel zu, während er den Luftzug einer vorbeipfeifenden Kugel an seiner Wange spürte. Wieder war das verdammt nah gewesen. Er schnellte herum, erkannte einen Mann, der bereits ein Bein über die Reling geschwungen hatte und mit dem Colt in seine Richtung zielte. Brazos kam ihm zuvor. Der Remington ruckte in der Faust, und der Mann kippte mit schrillem Schrei nach hinten, überschlug sich und landete kopfüber im Wasser.
Wieder schnellte Brazos herum in Richtung des feindlichen Bootes. Auch hier hatten sich die beiden Kerle an der Gatling tüchtig ins Zeug gelegt, um sie neu aufzumunitionieren, damit weitere todbringende Garben zur Sweet Travelling fliegen konnten. Brazos jagte sein heißes Blei in ihre Richtung und holte das Duo nacheinander vom Boot. Doch kaum waren sie im Wasser gelandet, als schon zwei weitere Gestalten auf dem Boot auftauchten, die sich der Gatling bedienten.
Verdammte Kerle! Der Spaß soll euch noch vergehen!, jagte es es voller Wut durch Brazos‘ Kopf. Sofort nahm er die beiden Männer aufs Korn. Ein Schuss krachte hinter ihm. Das Geschoss donnerte nicht mal einen Zollbreit neben ihm neben ihm ins Holz. Noch während die Splitter zu ihm aufflogen, warf er sich herum. Zwei Gestalten tauchten von der Treppe zum Maschinenraum her auf. Der eine war Cole Ketchum. Den anderen kannte er nicht. Das war auch im Augenblick nicht wichtig. Denn beide hatten Revolver in den Fäusten und es auf ihn abgesehen. Brazos feuerte in schneller Folge. Er erwischte den Burschen neben Ketchum. Mit einem Schrei brach der Mann auf der letzten Stufe zusammen und knallte mit dem Kopf aufs Deck. Ketchum zog den Kopf ein, erwiderte das Feuer. Er nahm die letzte Stufe, sprang über den Gefallenen hinweg und schoss nochmals auf Brazos. Aber er zielte zu hastig. Sowohl die erste, als auch die zweite Kugel aus seiner Waffe flogen weit am Ziel vorbei. Brazos drückte ab. Aber auch er fehlte, wenngleich ziemlich knapp. Das Geschoss des Remingtons pflügte haarscharf über Coles Kopf hinweg und zog ihm einen Scheitel.
Plötzlich traf ihn ein mörderischer Schlag seitlich am Kopf, und Brazos schwanden die Sinne. Alles schien sich schlagartig zu drehen. Wie ein Karussell, das immer schneller wurde. Sämtliche Kampfgeräusche drangen nur noch wie in Watte gehüllt an ihn heran. Nebelschleier zogen vor seinen Augen auf. Er taumelte nach hinten und stieß gegen die Reling. Das letzte, was er sah, waren Coles hassverzerrtes Gesicht und der Revolver, den der Bandit auf ihn richtete. Dann wurde es finstere Nacht um ihn. Er spürte nicht mehr wie er rückwärts über die Reling kippte und ins Wasser fiel.