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10. Kapitel

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War vor wenigen Minuten noch der Himmel von einem grellen Sonnenlicht erfüllt, zeigten sich am Horizont plötzlich dunkle Wolken. Bedrohlich finster wurde es hinter den fernliegenden Hügelketten, und Brazos McCord wusste sofort Bescheid. Er stieß einen kräftigen Fluch aus, ungeachtet der Schönen, die hinter ihm auf dem Schecken saß und brachte seinen Pedro sofort zum Stehen.

»Was ist? Wieso halten Sie? Ich denke, wir haben es so eilig, nach Stowell zu kommen, oder wie dieses seltsame Städtchen aus heißen mag.«

Brazos McCord zeigte mit ausgestrecktem Arm nach vorn. »Planänderung.«

»Was … was bedeutet das nun schon wieder?«

Er gab nicht sofort eine Antwort, warf einen raschen Blick auf das umliegende Terrain. Es gab nichts, das geeignet wäre, um einen geeigneten Unterschlupf zu finden. Aber hatte er nicht am Weg zuvor Felsen und Büsche gesehen? Ja, er glaubte, sich sogar an eine Höhle zu erinnern, zu mindestens an ein dunkles Loch, das in den Felswänden klaffte.

Ganz sicher war er nicht. Aber es gab keine Zeit zum Überlegen, denn vor ihnen wurde der Himmel bereits schwarz. Blitze zuckten von oben herab. Ein Vorgeschmack, auf das, was in Kürze zu erwarten war.

Was immer auch die vor ihm liegenden Hügelkette als Schutz bieten konnten, sie würden es nie und nimmer bis dorthin schaffen, bis das drohende Unwetter und der Sturm sie erreicht hätte. Also blieb nur der Weg zurück. Ein heftiger Windstoß fegte heran, zerrte an ihren Kleidern.

»Halten Sie sich jetzt verdammt gut an mir fest!«, rief er der entsetzten Marylee zu. Dann warf er den Schecken herum. Er beugte sich tief über die Mähne. Das Tier setzte sich sofort in einen scharfen Galopp. Die Hufe trommelten in heftigem Stakkato über den Boden. Staub wirbelte auf und stieg ihnen scharf in die Nasen. Marylee schrie entsetzt auf und presste ihre Arme fest um Brazos McCords Bauch. Hinter ihnen ertönte ein heftiges Krachen, gefolgt von einem dumpfen Grollen. Das klang wie ein Ungeheuer auf den Tiefen der Hölle und versetzte Marylee eine mörderische Gänsehaut. Sie presste ihren Körper ganz fest an Brazos McCord und drückte ihre Arme noch stärker zusammen. Ihm war, als schnüre sie ihm die Luft ab.

Bald würde die Hölle über ihnen toben. Und da war es verdammt ratsam, schleunigst einen Unterschlupf zu finden. Der Wind nahm drastisch zu. Über den Davonpreschenden zogen tiefschwarze Wolken hinweg, verdichteten sich, stapelten sich auf und löschten jedes Sonnenlicht aus. Es war tiefschwarz und wirkte unheilvoll. Nichts erinnerte mehr an den sonnenstrahlenden Himmel, der an diesem Tag geherrscht hatte.

Dann öffnete der Himmel seine Schleusen. Es hämmerte ein gewaltiges Inferno auf sie ein. Mächtige Sturzbäche schossen von oben herab und donnerten auf die Erde. Im Nu verwandelte sich der pulvertrockene Sand zu Schlamm und Matsch. In Sekundenschnelle bildeten sich Rinnsale, die zu kleinen Seen anschwollen. Die trommelnden Hufe des Schecken sanken immer tiefer ein. Der Wind wurde zum Orkan. Mit brutaler Gewalt zerrte er an den Flüchtenden. Über ihnen, am nachtschwarzen Himmel, blitzte und krachte es, als wäre der Leibhaftige erwacht.

Nur schemenhaft erkannte Brazos McCord, was in unmittelbarer Nähe lag. Silhouetten von Felsen zogen links und rechts vorbei.

Er konnte beim besten Willen nicht erkennen, was er suchte. Nämlich den Eingang zu einer Höhle, von der er glaubte, sie gesehen zu haben.

Ja, er hatte seine Chips darauf gesetzt, sie rechtzeitig zu erreichen, bevor das Unwetter sie übermannte. Jetzt waren sie aber schon mittendrin. Der Sturm tobte und brauste über sie hinweg, und es schüttete unaufhörlich, als befänden sie sich mitten in der Sintflut. Nur gab es keine rettende Arche, die sie schützen konnte.

Ein abgebrochener Ast wurde von einer Sturmbö erfasst. Er segelte durch die Luft und sauste wie ein Geschoss haarscharf von hinten an ihren Köpfen vorbei. Brazos McCord rief einen wilden Fluch, der sich im Getöse verlor. Noch schneller trieb er seinen Schecken an. Doch dann hatten sie Glück. Riesiges Glück sogar. Ausgerechnet ein Blitz war es, der in einen Baum schlug, diesen spaltete wie eine Axt, und die Szenerie für einen kurzen Augenblick erhellte. Wirklich nur für einen winzigen Moment. Doch der reichte aus. Brazos McCord sah links die zwei großen Felsen. Und dann den schwarzen Spalt dazwischen. Er hatte sich also nicht geirrt. Mit einem Aufschrei unbändiger Freude trieb er den Schecken darauf zu.

Ja, es war eine Höhle.

Sogar groß genug, um auch Pedro mit in den trockenen Unterschlupf zu bringen. Somit hatten sie dem wütenden Donnergott doch noch ein Schnippchen schlagen können.

***

Gemütlich war es, warm und behaglich. Es brannte sogar ein Feuer zwischen ihnen. Irgendjemand musste diese Höhle ebenfalls zuvor als Unterschlupf genutzt und fleißig Reisig und Holz gesammelt haben. Denn von dem Zeug lag eine ganze Menge verstreut herum. So brauchten sie es nur zu sammeln, aufzuschichten und dann war es Brazos mit einer Engelsgeduld gelungen, ein Feuer zu entfachen. Draußen tobte und wütete der Sturm, Wassermassen schmetterten gegen die Felswände. Sie lauschten, aber das alles erreichte sie hier drinnen nicht.

Doch es fehlte etwas ganz Entscheidendes; nämlich Essen und Trinken. Davon gab es weit und breit nichts. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als mit knurrenden Mägen und durstigen Kehlen den Sturm dort draußen abzuwarten. Brazos versuchte, sein nagendes Hungergefühl zu unterdrücken, indem er in die Brustasche griff und sein triefend nasses Päckchen Tabak zum Vorschein brachte. Er warf einen Blick in den Beutel,und seine Befürchtungen wurden zur Gewissheit. Das Rauchzeug blieb unbrauchbar. Mit grimmiger Geste warf er den Beutel in die prasselnden Flammen. Er unterdrückte einen Fluch, blickte zu Marylee herüber, die sich plötzlich vom Feuer erhob.

Dann weiteten sich seine Augen.

Marylee streifte sich ihr nasses und tüchtig in Mitleidenschaft gezogenes Kleid vom Körper. Und ehe sich Brazos McCord versah, stand sie nackt und hüllenlos am Feuer. So, als wäre es das Normalste von der Welt, sah sie in seine Richtung und lächelte, von ihren verwöhnten Launen nicht den Hauch einer Spur.

Ganz im Gegenteil.

Brazos McCord hatte sich zwar darauf eingestellt, bei dieser verwöhnten Schönes auf einiges gefasst zu sein. Aber damit hätte er im Leben nicht gerechnet.

Was war denn plötzlich in sie gefahren?

Er konnte nicht anders. Er musterte sie interessiert, und das was er sah, gefiel ihm prächtig. Mit langsamen Schritten und wiegenden Hüften umrundete sie das Feuer und trat an ihn heran. Vor ihm blieb sie stehen, hüllenlos und mit einer makellosen Figur ausgestattet, die eines jeden Mannes Blut zum Kochen bringen konnte. Sie blickte lächelnd auf ihn nieder. Brazos hörte sie mit weichem, kehligem Timbre in der Stimme sagen: »Wir haben weder Proviant noch irgend etwas dabei, womit wir uns das Unwetter draußen versüßen können, nicht wahr, Mister McCord?«

Er wollte etwas sagen. Aber es kam nur ein komisches Krächzen aus ihm heraus. Sie beugte sich zu ihm herab und schlang ihre schlanken Hände um seinen Nacken.

»Nun, dafür haben wir uns. Und ich denke, dass ist genug.«

Brazos hatte nicht den Hauch einer Chance, irgendwie zu reagieren. Marylee legte ihre weichen Lippen auf seinen Mund, und er musste sich eingestehen, dass ihm das höllisch gut gefiel.

***

Der Sturm hatte sich gelegt, nur der Regen hielt noch an, dessen Geräusche sich mit mit dem Prasseln der Flammen des Lagerfeuers in der Höhle vermischten. Ansonsten war es ruhig geworden.

»Weißt du, Brazos McCord, zuerst konnte ich dich nicht ausstehen. Aber dann, als wir so mutterseelenallein durch diese schreckliche Einöde zogen, merkte ich, dass du viele gute Qualitäten hast.«

Brazos blickte stirnrunzelnd in ihr hübsches, wenngleich noch etwas verschrammtes Gesicht. Sie küsste ihn sachte auf die Nasenspitze. »Sieh mich nicht so an, ich meine es ernst.«

Er gab es auf, diese Frau verstehen zu wollen. Für ihn war sie wahrhaftig ein Buch mit sieben Siegeln. Dennoch hatte auch er seine Meinung über sie geändert. Und jetzt, als sie eng aneinander gekuschelt in der Höhle lagen, hatte auch sie eine verdammt zärtliche Seite.

»Lady, du erstaunst mich immer mehr«, raunte er ihr zu.

Ein sanfter Glanz legte sich in Marylees Augen. »Ich hoffe, du meinst das positiv.«

Brazos McCord strich als Antwort durch ihr zerzaustes Haar. Plötzlich horchte er auf. War da nicht ein Kratzen zu hören, direkt am Eingang zur Höhle?

Noch ehe er die Frage beantworten konnte, rollte er sich seitlich von Marylees nacktem Körper hinweg. Mit einem Satz federte er hoch, griff nach dem Holster und riss die Remington heraus. Marylee stieß einen erschreckten Schrei aus. Doch den beachtete er nicht. Er legte mit dem Daumen den Abzugshahn zurück, genau im Augenblick, als er die riesenhafte, triefend nasse Gestalt eines Mannes in die Höhle taumeln sah. Erst, als dieser ihm sein völlig erschöpftes Gesicht zuwandte, ließ Brazos den Hahn zurück in die Ruhestellung gleiten.

Bootsmann Eric Goodnight!

Das letzte Mal, als Brazos diesen Mann gesehen hatte, war dieser über die Reling der Sweet Travelling ins Wasser gestürzt.

Ein verzerrtes Grinsen zog sich über Goodnights Gesicht, als auch er Brazos McCord erkannte. Dann sackte er erschöpft in die Knie. Sein massiger Körper stieß gegen die Höhlenwand.

»Der Ranger! Und Miss Marylee! Gütiger Gott, ich kann‘s kaum glauben!«, kam es keuchend von seinen Lippen, und sein schwerer Körper kippte nach vorn.

Brazos McCord war schnell genug bei ihm, um ihn rechtzeitig abzufangen, bevor Goodnight mit dem Gesicht auf den harten Boden schlagen konnte.

***

Eine ganze Weile hatte er ein wohltuendes Nickerchen gemacht, was dringend für ihn nötig war, denn er war völlig am Ende seiner Kräfte gewesen. Jetzt öffnete er die Augen und fand sich sitzend an der Felswand wieder. Ein Lagerfeuer brannte. Er spürte die wohlige Wärme der prasselnden Flammen. Bootsmann Goodnight sah sich um. Er entdeckte Brazos und Marylee und blinzelte ihnen zu. Vorhin waren die beiden noch nackt gewesen. Nun steckten sie in ihren Kleidern und blickten erwartungsvoll zu ihm rüber. Eric Goodnight atmete erleichtert auf. Es war also kein Traum, sondern alles Realität gewesen.

Brazos McCords Stimme drang zu ihm heran: »Alles in Ordnung, Bootsmann?«

Goodnight richtete sich etwas auf, streckte seine Glieder und schüttelte ein paarmal mit dem Kopf, um seine restliche Benommenheit loszuwerden.

»Mann, das war ‘ne Tortour, kann ich Ihnen sagen. Ohne Gaul durch die Plains zu marschieren, nichts zu essen, nichts zu trinken. Und als das verdammte Unwetter losbrach, dachte ich schon, ich schaff‘s niemals bis hierher.«

Brazos zog fragend die Stirn zusammen. »Sie wussten von dieser Höhle?«

»Na, klar, Mann. Bin ja schließlich in dieser Gegend aufgewachsen. Kenne hier so ziemlich jeden Strauch. Was ist, haben Sie vielleicht ‘nen Schluck Whiskey für einen mächtig zerschundenen Seebären übrig?«

Brazos hob entschuldigend die Schultern. »Bedaure. Nicht mal Kaffee. Nur Wasser, das ich mir von draußen in den Hut schöpfen musste. Woll‘n Sie welches?«

Goodnight lachte kehlig und winkte ab. »Wasser hatte ich vorhin in Hülle und Fülle, Freund. Davon ist mein Bedarf gedeckt. Gründlich, kann ich Ihnen sagen.« Er wurde ernst. »Wir können von Glück sagen, dass wir diesen verdammten Überfall auf das Schiff überlebt haben. Käpt‘n Biggelow und der Rest der Crew hatten dieses nicht. Diese Bastarde tauchten auf wie aus dem Nebel, fingen sofort an zu feuern. Diese verfluchten Hunde.«

»Irgendeine Vermutung, Bootsmann?«

Goodnight zuckte mit den Schultern. »Hab mir mächtig meinen Kopf darüber zermartert, Ranger. Nun, ich denke, dass man hauptsächlich auf die Mädchen scharf gewesen ist, die an Bord waren. In der Gegend treiben sich öfter Banden ‘rum, die Jagd auf hübsche Mädchen machen, um sie dann irgendwo an irgendwelche Bordellbesitzer zu verschachern. Gibt welche, die ‘nen Haufen Kohle dafür springen lassen. Deshalb bin ich überrascht, Sie hier in der Höhle zu sehen, Miss du Mauret. Zusammen mit unserem Texas-Ranger hier.«

Als Marylee berichtete, wie es dazu kam, weshalb sie sich ausgerechnet hier und nicht bei ihren offensichtlich verschleppten Freunden und Freundinnen aufhielt, staunte Goodnight nicht schlecht. Er blickte zum Schecken herüber, so, als würde er eine Bestätigung bei dem Tier suchen. Doch der Rappe warf nur kurz den Kopf zur Seite, schnaubte und tat, als würde ihn die Gesellschaft am Feuer nicht die Bohne interessieren.

Goodnight wandte sich an Marylee. Sein Kommentar hätte ebenso gut aus Brazos McCords Munde stammen können, als er sagte: »Teufel, Teufel, Ma‘am. Das hätte ich Ihnen so ja gar nicht zugetraut. Meinen größten Respekt. Alle Achtung.«

Marylee lächelte ihm etwas gequält entgegen. »Ich nehme an, dass Ihre Worte ein Kompliment darstellen sollten, Bootsmann Goodnight?«

»Darauf können Sie einen …«, rechtzeitig bemerkte er den Ansatz seiner vulgären Ausdrucksweise, räusperte sich kräftig und fügte schnell hinzu: »Selbstverständlich, Miss Marylee. Auf jeden Fall.«

Brazos konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dieser Bootsmann war ganz nach seinem Geschmack. Marylee hingegen warf Brazos einen scharfen Blick zu, der Goodnight natürlich nicht entging, und den der Bootsmann folgerichtig auffasste. Genauso wie das, was vor seinem Erscheinen in der Höhle passiert sein musste. Aber über das schwieg er sich natürlich beharrlich aus. Brazos‘ Stimme riss ihn aus seinen Gedanken heraus: »Wie kommt es, dass Sie sich retten konnten? Das letzte, was ich von Ihnen zu sehen bekommen hatte, war, dass Sie in dem Handgemenge über die Reling ins Wasser geflogen sind.«

Goodnight nickte grimmig. »Ja, ich hatte Glück. Mächtiges Glück. Ich weiß nur, dass ich irgendwie im Wasser aufgewacht bin, zwischen ein paar verdammten Wrackteilen. Irgendeine dieser Schmeißfliegen muss mich von der Reling gehievt haben. Konnte nur noch das Boot dieser Dreckskerle von hinten sehen, während die Sweet Travelling langsam auf Grund ging. Dann habe ich mich auf einem dieser Wrackteile ans Ufer treiben lassen. Für die Sweet Travelling konnte ich nichts mehr tun. Und für meine Kameraden …« Goodnight schüttelte bitter den Kopf und hob drohend die Faust. »Aber so ein Boot hinterlässt Spuren, Mister. Und ich werde nicht eher ruh‘n, bis ich die Kerle in die Finger kriege. Und dann Gnade ihnen Gott. Keiner schießt mir ein Schiff ungestraft unterm Hintern weg, auf dem ich Bootsmann bin! Und was den Käpt‘n betrifft; ‘nen besseren gibt’s nicht mehr. Jawohl, Sir, ich werde mir jeden einzelnen Skalp dieser dreckigen Mörder holen! So wahr ich Eric Goodnight heiße.«

Brazos warf ein Stück Holz ins Feuer und grinste in Goodnights Richtung. »Damit wären wir schon zwei, Goodnight. Ich bin mächtig froh, dass Ihnen nichts weiter passiert ist, als die paar Striemen, die ich in Ihrem Gesicht erkennen kann.«

»Na, den Spruch gebe ich Ihnen gern zurück, Ranger. Gilt natürlich auch für Sie, Miss Marylee. Schon eine Idee, wie‘s weitergehen soll, McCord? Das war doch Ihr Name, wenn ich mich recht erinnere, oder?«

Brazos McCord nickte. »Ganz Recht, Bootsmann. Nun, sobald der Regen da draußen etwas nachgelassen hat, sollten wir uns schnellstmöglich auf den Weg nach Stowell machen, Miss du Mauret in ein Hotel einquartieren und schleunigst die Behörden informieren. Und dann will ich mich auf die Fährte der Mörderbande heften. Schließlich ist mir der gute Cole Ketchum unter der Nase weggeklaut worden. So was kann ich schlecht verdauen. Den Kerl will ich wiederhaben und dabei versuchen, an Marylees Freunde heranzukommen. Wenn Sie mitkommen wollen, Bootsmann, besorgen Sie sich in Stowell ein Pferd, Waffen und genügend Munition. Hoffe nur, Sie können reiten und mit ‘nem Schießprügel umgehen.«

»Mann, wollen Sie mich auf die Rolle nehmen? Ich sagte doch bereits, ich bin hier aufgewachsen. Aber sagen Sie mal … Ihr Sprüchlein klingt in meinen Ohren, als wüssten Sie schon jetzt, wohin Sie auf Kriegspfad gehen wollen, eh?«

»Nicht genau, mein Lieber. Aber ich habe nachgedacht und ein paar Vermutungen.«

»Na, die wären?«

»Nun, Goodnight, der Weg führt zurück nach Brashear City, so, wie‘s für mich aussieht aussieht. Es ist seltsam, habe lange gebraucht, doch dann ging mir ein Licht auf. Der feine Marshal Hardesty dort ist nicht ganz sauber, hängt in der Sache mit drin. Anders kann‘s für mich nicht sein.«

Goodnight stutzte. »Der Marshal? Dieser Hardesty? Mann, wie kommen Sie denn da drauf? Mir schien, dass der Bursche heilfroh war, seinen Gefangenen an Sie übergeben zu haben. So, wie der aussah.«

Brazos schüttelte den Kopf. »Alles nur Gehabe, mein Freund. Es war Hardestys Idee gewesen, die Reise mit der Sweet Travelling anzutreten, Goodnight. Und als der Kapitän sein Einverständnis gab, war für den Marshal die Sache geritzt.« Brazos McCord hieb mit der Faust in die rechte Handfläche. »Ich verwette meinen ganzen Rangersold, dass sich in der Stadt einer dieser Banditen die ganze Zeit über aufhielt, um auf Hardestys Informationen zu lauern. Und als er sie dann bekommen hatte, ist dieser Bursche zu seinen Kumpanen gelaufen, die sofort ihr verdammtes Killerboot startklar gemacht haben, um der Sweet Travelling an einer passenden Stelle aufzulauern.«

Goodnight rieb sich über sein massiges, unrasiertes Kinn. »Meine Güte, das hieße ja …«

»Dass Cole Ketchum viele Freunde in der Nähe hatte, die nur auf einen günstigen Moment warteten, ihn zu befreien. Und da kam ihnen die Sache mit der Sweet Travelling nur recht.«

»Aber meine Freundinnen, meine Freunde! Was ist mit denen? Die hatten ja nichts mit dieser Sache zu tun, oder? Brazos, für mich ergibt das überhaupt keinen Sinn.«

Brazos McCord wandte sich Marylee zu. »Und ob, meine Liebe. Denn darüber wird Marshal Hardesty gewiss auch großzügig geplaudert haben. Schließlich wusste der über euch und eure Kreuzfahrt ins Blaue recht gut Bescheid. Oh, ich möchte nicht wissen, wie viel dieser Fettsack für seine Informationen bekommen hat.«

»Aha, ich verstehe«, schaltete sich Goodnight nickend ein. »Und je mehr ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher wird diese Theorie. Denke, Sie haben da vollkommen Recht, McCord.«

»Es ist nur komisch, dass mir das alles erst später eingefallen ist. Verdammt, hätte schon viel früher darauf kommen müssen.«

»Wenn deine Vermutungen wirklich stimmen, glaubst du denn allen Ernstes, dass dieser Marshal das alles zugeben würde, Brazos?«

Brazos McCord erlaubte sich ein hartes Grinsen. »Natürlich, meine Liebe. Das wird er ganz gewiss tun. Zur Hölle, und wie er das tun wird!«

Marylee sah ihn an wie das Kaninchen einen Wolf. Brazos McCords Gesichtsausdruck unterstrich seine Worte, und sie glaubte ihm jede einzelne Silbe. Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken, und der komische Marshal in Brashear City begann, ihr tatsächlich ein kleines bisschen Leid zu tun.

Wichita Western Sammelband 4016 - 5 Romane um Colts, Cowboys und Banditen

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