Читать книгу Das Miami Syndikat - Rafael di Giorgio - Страница 13

Die Party

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In einer Ecke sehe ich Joe mit einer Flasche in der Hand und ich kann euch versichern, dass das keine Mineralwasserflasche ist. Seine Joena, auf der Terrasse kämpft (Habt ihr das Gefühl, dass die Reihenfolge der Satzkomponenten nicht stimmt? Poetisch ist es allemal.) mit einem Joint, der so gross wie der Eiffelturm ist. Ihr Blick wirkt ein bisschen glasig und ich entdecke die Wildheit in ihren Augen, die gerade gesetzte legale Grenzen überschreitet. Joe wird heute zu kämpfen haben, die Naturgewalt zu beruhigen und wir werden Kopfhörer brauchen, um das ganze nicht mitzubekommen.

Es ist vier Uhr morgens und ich trommele unsere Versammlung zusammen. Die Stimmung ist noch explosiv aber euch ist bekannt, was ich heute alles durchgemacht habe… Ich bin ausgepowert. Wir gehen durch den Vorgarten zum Parkplatz und ich frage mich wieso man Lichter auf die Bäume richtet. Es ist Nacht und es soll dunkel sein. Ich und meine Geliebte gehen ohne etwas zu sagen, Hand in Hand und nähern uns dem Van. Wir finden ihn zugeparkt aber mit einem kräftigen Gasgeben, schiebe ich die nächsten Autos weg und mache Platz, um aus der Lücke herauszufahren. Wenn sich ein bisschen Blech dabei anders verformt als vom Besitzer erwünscht ist, kein Problem. Ich habe ja harte Stossstangen. So what? (Ihr merkt, es ist supercool, wenn man Sprachen vermischt und coole Sprüche einflechtet! Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob diese Sprüche noch cool sein werden wenn das Buch publiziert ist.)

Wir fahren durch die Nacht und die Nacht in Miami ist sehr farbig. Gebäude, Brücken, Strassen sind derart beleuchtet, dass ich mir sehr viel Mühe gebe eine Farbe zu finden, die die Amis in einem 18 Pixel Farbschema vergessen haben. Die die Strasse in die Unendlichkeit begleitenden Palmen bewegen sich im Takt des Windes, der die von den Salsa Rhythmen Zuflucht suchenden Menschen auf den Strassen etwas abkühlt. Geblendet von so viel Schönheit (Farbschönheit) verpassen wir alle Ausfahrten oder Einfahrten, die wir hätten nehmen müssen, um die kleinste Chance zu haben heute Nacht noch nach Hause zu kommen. Und es ist spät! Zu spät in der Nacht, zu spät den richtigen Weg zu finden, aber nicht zu spät, um zu merken, dass ein Auto parallel zu uns fährt, der Beifahrer die Scheibe elektrisch runterkurbelt, ein Maschinengewehr so gross wie die Freiheitsstatue aus dem Fenster schwenkt und die Absicht hat uns ein Lied über den Jordan und Garten Edens zu spielen. Denn ich nehme an, wenn ich tot bin, lande ich im Paradis. Nur, wie in Amerika üblich, braucht man nicht zu blinken, die Ampel darf bei rot überquert werden (wie auch in Italien üblich) und schon befinden wir uns in einer Seitenstrasse, die genau so sicher ist wie das Schlachtfeld zweier konkurrierenden Banden.

Die PS-Zahl des Vans macht sich bemerkbar, nachdem ich etwas mehr als sonst auf die Tube drücke. Mehr als wenn mich eine Schönheit während der Fahrt verwöhnt... Aber lassen wir das. Schliesslich werden wir ja mit Waffen verfolgt und sollten uns darauf konzentrieren! Also beschleunige ich noch mehr. Mir sind die Geschwindigkeitsbegrenzungen egal. Ich beschleunige weiter soviel der Motor hergibt (und ich versichere euch, er gibt einiges!) und schon bin ich ausserhalb der Gefahrenzone. Stolz erwarte ich Beifall von meinen Passagieren aber es herrscht Stille. Na ja, sie haben Angst und sind geschockt. Klar! Ich werfe meinen heroischen Blick nach hinten. Meine grosse Liebe schläft und meine Freunde sind intensiv miteinander beschäftigt. Ich werde meine Blumen später bekommen. Vielleicht habe ich unsere Leben gerettet und sie haben keine Ahnung davon.

«Ihr glaubt nicht was passiert ist!» sage ich voller Hoffnung auf Anerkennung.

«Oh doch!» sagt das Pärchen.

«Deine Beschleunigungen und die Art wie du die Kurven schneidest hat uns Höhepunkte der Lust verschafft, die wir in dieser Form noch nicht erlebt haben», beschreibt Joe sein Erlebnis blumig, wie eine Frau es tun würde.

«Aber die Waffe…» versuche ich.

«Oh ja, die Waffe hat immer wieder das Ziel getroffen!» sagt Joena sachlich.

Ist das etwa Dankbarkeit? Nein, ist es nicht! Man nimmt mich nicht ernst. Sie glauben, es wäre ein Spiel. Gut, dass ich so wachsam bin. Ich entschliesse mich die Augen zu öffnen (metaphorisch, versteht sich) und aufzupassen, was sich in der Gegend so abspielt. Ich sage ja zur Verantwortung, ja zur Wachsamkeit, ja zur… auf jeden Fall werde ich mehr aufpassen. Ich nehme meine Aufgabe ernst und fahre uns schnell und sicher nach Hause während ich mehrmals prüfe, ob uns jemand verfolgt. Scheinbar nicht. Endlich… Ich fahre den Van in die Garage und mache das Garagentor zu. Kein Auto fährt vorbei, nicht mit Scheinwerfern, nicht mit ohne Scheinwerfern, nicht mit Beifahrer mit Waffe, nicht mit Beifahrer ohne Waffe.

30 Minuten später bin ich mir langsam sicher, dass wir sicher sind und gehe in Richtung Schlafbereich, Liebesnest, Altar der Lüste, Kampffeld, Siegerpodest… Ich höre Töne der Lust; meine Geliebte wird sich mit kuscheln zufrieden geben müssen. Ich fühle mich so heldenhaft, dass ich mich nicht entspannen kann. Auf dem Rücken liegend, spüre ich wie mein Ego etwas wächst. Es geht mir besser. Dann immer besser. Dann gut. Schatten verschleiern meine Augen, Lichter werden blasser, Geräusche leiser. Die Dunkelheit gewinnt endlich den Kampf, meine Augen werden kleiner und müder. Ich versinke in den Schlaf und träume, dass die Welt gut ist und alle Frauen mich wollen. Mehr noch als sie James Bond in seinen Filmen wollen. Drei Schwestern schwimmen nackt im Pool und erzählen mir, dass die Preisrichter sich umgebracht haben, weil sie nicht wussten wen von ihnen sie als Miss World wählen sollten. “Du kannst uns entweder alle auf einmal lieben oder einzeln! Wir werden geduldig warten…” “Ich will euch alle, ja, alle, gleichzeitig!“ Ich nähere mich den Geschöpfen Gottes als ich ein Schulterklopfen wahrnehme. Sie sagten mir, sie hätten Geduld und jetzt wollen sie sich vordrängen. “Was? Was?”

«Aufstehen! Komm schon, steh auf!» Wie aufstehen? Was soll das? Ich will mich mit den Schnecken hinlegen und jetzt soll ich aufstehen. So kann ich nicht arbeiten. Ich habe hier einen Ruf zu verteidigen. Das geht nicht!

«Komm schon, es kann nicht so schwer sein. Du schläfst bestimmt schon 14 Stunden. Es ist schon zehn Uhr am Morgen!» sagt jemand die blond und nicht nackt ist, nicht im Pool schwimmt und keine zwei Schwestern hat. Und auch nicht das mit mir machen will, was die Schwestern mit mir vorhatten. Zumindest jetzt nicht, glaube ich. Oder es sieht nicht danach aus. Oder es sieht danach aus und ich merke es nicht. Fuck, ist das Leben hart zu mir!

«Zehn Uhr am Morgen? An welchem Tag? Was sind das für mathematische Berechnungen, die du machst? Wie kommst du auf 14 Stunden?» frage ich, denn ich halte zwei Sachen für gefährlich: Halbwissen und Unwahrheiten. Ich bin verzweifelt und sie lacht.

Die Sonne scheint wieder unverschämt; die Wärme umhüllt mich wie ein Handschuh. Das Licht ist so hell und so klar, dass ich nie wieder die Augen schliessen will. Ich krieche die Treppe hinunter und sehe sie alle am Tisch sitzen, Kaffe trinkend, irgendetwas essend, redend und ohne besonders dankbare Blicke für mich. Sie bemerken meine Anwesenheit nur nebenbei. Joenas Augen sagen mir wortlos, dass sie explosiv war. Die Nacht!

Kein Problem, ich brauche keine Dankbarkeitstänze und mir gewidmete Lieder. Das ist Sache der Kommunisten. Ich erinnere mich an meiner Kindheit. Man steckte zweitausend Schüler in ein Stadion, die Polizei sperrte die Ausgänge und man tanzte thematisch: fegen, bauen, putzen, Bauchschmerzen. Nach einer Woche hatten sie die Verfilmung des Tanzes im Kasten und der Präsident freute sich über so viel Aufmerksamkeit. Dann irgendwann organisierten dunkle Mächte so genannte Revolutionen, erschossen ihn, den kommunistischen, bösen Präsidenten und fingen mit dem Kapitalismus an. Es war genau so eine verdammte Scheisse wie der Kommunismus, nur dass sich die Politiker jetzt nicht mehr verstecken mussten, wenn sie Steuergelder klauten und verpulverten oder sich kaufen liessen. Es gab keine Kriminelle mehr, wenn man die richtigen Gesetze erfand. Korruption wurde zur Norm! Und das nannte man dann Freiheit. Man gab den Menschen das Gefühl sie wären frei, nachdem man ihnen die Intelligenz geraubt und sie materiell versklavt hatte. Wie? Mit Talkshows und Fastfood von morgens bis abends. Also, keine Dankbarkeitstänze… denn das führt zu nichts Gutem. “Niemand ist hoffnungsloser versklavt, als derjenige der fälschlich glaubt, frei zu sein.” (5)

Nach meiner Zusammenfassung der Geschichte in meinem wirren Kopf, mache ich von meiner Stimme Gebrauch.

«Was haben wir heute vor?» frage ich nachdem mein Körpers heute morgen noch zu nichts Aufregendem gebraucht wurde. Und weil ich die Frage in der ersten Person Plural gestellt habe, glauben sie wir wären uns einig was die Antwort betrifft und sie könnten für uns alle reden.

«Wir wollen die Gegend erkunden, die Sonne geniessen, schwimmen, entspannen, nachdenken.» sagen sie. Ich bin nicht gut drauf. Das wird kein guter Tag! Ich habe in den letzten Stunden nicht genug körperliche Liebe erfahren und jetzt bin ich frustriert. Die Schwestern habe ich verpasst. Die Zeit vergeht und ich nehme sie nicht wahr. Plötzlich befinden wir uns im Auto und fahren davon. Ich am Lenkrad. Mit einem gläsernen Blick. Ohne die Augen oder den Hals zu bewegen. Wie ein Roboter. Meine Blicke, die genauso unbewegt wie meine Augen sind, müssten Bände sprechen, denn die drei fragen mich nichts mehr. Und so vergehen Minuten und ich lebe in einer Parallelwelt, die kalt, grausam und traurig ist. Umgeben von Frauen, die einfach nur Freunde sein wollen. Das ist wie ein Gefängnis der Gedanken. Ohne Mauern zum Wahnsinn. Dieser Tag kann nur besser werden. Denn ich bin ganz unten auf der Gefühlsskala angekommen.

Wir fahren die Route 1 entlang. Wollen uns Key West anschauen, im grünen, klaren Wasser baden und etwas Scharfes essen. Vielleicht in einem der vielen chinesischen oder thailändischen Strassenlokalen. Wir fahren auf einen Parkplatz und ich gebe Joe eine telepathische Liste mit unserer Bestellung. Er steigt aus dem Van und richtet seine Schritte zum Lokal. Ich schaue ihm nach und versuche herauszubekommen ob er weggeht oder kommt. Manche Menschen laufen aber auch komisch.

Da fällt mir etwas auf. In dem Land aus dem ich komme, schaut man Menschen nicht so an wie diese zwei hier uns anschauen. So, als ob wir unseren letzen Atemzug atmen. Wäre ich gut gelaunt, würde ich nicht verpassen ihnen ihre blöden Fressen zu polieren. Aber ich bin schlecht gelaunt, also schaue ich einfach weg und mache auf beleidigt. Aggression ist natürlich keine Lösung aber sie wäre ein Mittel zum Zweck, um ihnen eine Lektion zu verpassen, damit sie anfangen nachzudenken. Damit sie ihre Gesichtsausdrücke im Spiegel bewerten und üben die Menschen endlich nicht arrogant und aggressiv sondern freundlich und offen anzuschauen. Und weil wir in unserer Kindheit gelernt haben, dass manchmal auch ein gezielter Faustschlag reicht, denke ich dieses “Fresse-polieren” könnte eine tiefe, philosophische Bedeutung annehmen, die ihr Leben zum Positiven ändert. Überrascht von so viel Gedanken-Schwachsinn, schreie ich:

«Joe, was ist los? Musst du die Ente selbst umbringen und ihr die Federn rupfen? Komm schon!»

«Habt Geduld, ich bin gleich wieder da!» antwortet er ohne dass wir ihn sehen. Sekunden danach kommt er mit zwei Schachteln in der Hand. Obwohl wir aber vier Personen sind! Nur unsere Frauen, so wie jede Frau in der Welt, würden nie eine ganze Portion selbst bestellen, denn das würde dick machen. Sie haben ja auch “keinen grossen Hunger”, sie wollen nur von uns kosten. Und dieses Kosten bedeutet, wir teilen mit ihnen. Am Ende sind wir Männer schlecht gelaunt, weil wir immer noch hungrig sind. Und sie haben eigentlich indirekt erreicht, dass wir nicht zuviel essen und irgendwann mit einem riesigen Bauch und in einem befleckten Unterhemd auf der Couch landen, mit einer Flasche Bier in der einen Hand und der Fernbedienung in der anderen. Und diese Aufopferung bringt ihnen dann Zellulitis, weil wir ja darauf bestanden haben, dass sie von uns kosten. Damit sie bestätigen, welch exzellenten, feinen, exquisiten Geschmack wir haben. Was eigentlich Schwachsinn ist, denn wir haben sie als Freundinnen inmitten all der Anderen ausgewählt. Also, ist unser Geschmack exquisit! Quod erat demonstrandum! Ich sollte meine “positive Energie” nicht mehr mit Gedanken verschwenden, die den Tag nicht besser machen.

Joe steigt ins Auto und reicht uns die Schachteln. Sie riechen sehr... na ja, speziell. Wir fahren weiter und in dem geschlossenen Raum des Vans wird dieser Geruch von frittierter Ente, Kokosnuss-Sauce, gekochtem Reis, Bambus, Curry und altem Frittieröl noch intensiver. Bald erreichen wir einen Strand, der nur für die Götter gedacht ist. Wir brechen das Gesetz Gottes, indem wir ihn betreten und es ist uns egal. Das ist keinesfalls eine blasphemische Bemerkung. Wenn sie aber als solche verstanden wird, werde ich mich am Tag des jüngsten Gerichts verantworten müssen! Es sei denn ich konvertiere und werde Buddhist, weil man seiner gerechten Strafe entgehen kann, wenn man den Laden wechselt. Wenn ihr, liebe fromme Leser, Vorschläge für gute Entschuldigungen habt, neuen Ideen und Lösungen entwickelt, wie man dem Teufel mit seinem ewigen Feuer entgehen kann, bitte meldet euch. Ich muss rechtzeitig beginnen mich vorzubereiten. Denn ich habe viele Äusserungen getätigt… Und ich will auf keinen Fall auf der Seite der Dunkelheit den Allmächtigen bekämpfen, der, obwohl er allmächtig ist, zugelassen hat, dass die dunkle Seite eine Armee hat, die gegen ihn kämpfen wird. Welch ein Gedankengang, der mich aber etwas irritiert, denn ich beginne die Welt immer besser zu verstehen.

Zurück zum Strand - ein Bild wie aus einem Traum: weisser Sand, das Wasser badet in Farben, die sich von grün bis dunkel blau ineinander auflösen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Wahrnehmung gestört ist, denn die Welt kann unmöglich in so einer Farbpracht existieren. Ich wüsste aber nicht wovon meine Wahrnehmung getrübt sein sollte. Ich habe nichts geraucht, nichts getrunken, nichts geschnuppert seitdem ich heute die Augen öffnete. Hunderte von Vögeln besetzten den Strand ohne sich von uns gestört zu fühlen und suchen nach Futter. Vogel-sches Futter. Körner, Würmer, Insekten etc. Der Strand ist flach und man kann 20 Meter weit ins Wasser gehen, ohne dass die Tiefe tiefer wird. Und wenn das Wasser bis zur Brust eines normal gewachsenen Europäers reicht, besteht für mich keine Gefahr zu Ertrinken.

«Man kann die Fische sehr gut sehen», sagt mein blonder Engel, der inzwischen ins Wasser gesprungen ist und mir damit klarmacht, dass das Leben unwiderruflich an mir vorbeizieht in der Zeit, in der ich nachdenke. Und ich muss zugeben, ich bin zu keinen wichtigen Erkenntnissen gekommen.

«Bringt die Tauchbrillen mit! Es ist umwerfend.» Geht sie davon aus, dass ich mit ins Wasser komme, obwohl meine Körperhaltung etwas anderes andeutet. Geben meine aneinandergepressten, von meinen Armen umschlungenen Knie und mein gesenkter, hin und her schaukelnder Kopf den Anschein ich würde kommunizieren wollen? Ihre Stimme bewirkt eine deutliche Verbesserung meiner Laune. Wie ein Wunder.

Sie rennen zum Van, holen sich die Brillen und was sie sonst noch so zum Schnorcheln brauchen. Ich muss zuerst essen. Denn der Hunger macht mich schwach. Also packe ich alles aus und will loslegen. Beide Schachteln stehen geöffnet vor mir, auf zwei Sandhügeln in einem Halbkreis um mich herum angeordnet, und warten darauf, dass die Gabel, mal in eine Schachtel mal in die andere tauchen wird. Die Gabel voller Reis nimmt den Kurs 30 ° West direkt zum Essloch. Aber versehentlich werfe ich den Reis stattdessen in Richtung der Vögel. Sie kommen laufend (das Antonym dazu ist kommen gehend, oder sie gehen kommend) und beginnen zu picken. Wie versteinert schaue ich mir diese Kreaturen an und denke, wie froh sie sein müssen, Futter zu bekommen, das in dieser Form nicht in der freien Natur erhältlich. Ich werfe den neugierigen Schwimmer einen flüchtigen Blick zu, belade die Gabel wieder mit Reis und merke dabei, dass drei der Vögel sich nicht mehr bewegen. Sie liegen am Strand, unter einem Gebüsch, ein bisschen tot, ein bisschen vergiftet, ein bisschen an unserer Stelle…

«Leute kommt schnell! Ich habe eine Überraschung für euch. Schaut euch die Vögel an! Ich habe sie mit unserem Reis gefüttert!»

«Wäre schön, wenn du unser Essen nicht versaut hättest!» meldet sich Joe mit einem wilden Hunger in den Augen.

«Was sagst du da? Der Reis war vergiftet. Sei froh, dass du ihn nicht zuerst probiert hast!» schreit die Empörung aus mir heraus.

«Komm hauen wir ab! Ich habe langsam Angst.» flennt Joena. «Wir sollten die Polizei einschalten! Etwas läuft hier schief. Scheisse!» Sie beendet die Äusserung ihrer Sorgen mit dem Wort, das mehr als tausend Gefühle darstellen kann. Positive sowohl als auch negative. Und im Laufe der Zeit, wenn man die Sprachentwicklung verfolgt, kann man die Theorie aufstellen, dass nach 500 Jahren alle Menschen nur noch “Scheisse” sagen werden. Und je nach Tonfall, Intonation, im phonetischen Sinne, und Akzent wird man 300 Bedeutungen des Worten unterscheiden. Und mehr als 300 Worte benutzt man täglich in unserer gebildeten, zivilisierten Welt seit langem nicht mehr.

Ich renne zum Van und rufe die Polizei an. Doch wegen der Aufregung kann ich mich nicht richtig konzentrieren und ohne Konzentration klingt mein Englisch eher Chinesisch. Es fehlt mir schwer zu erklären wo wir uns befinden, aber ich schaffe es. Die Jungs kommen ziemlich schnell und wir schildern ihnen was passiert ist. Sie nehmen unsere Fingerabdrücke und zwingen uns breitbeinig zu stehen, um uns zu kontrollieren. Wir könnten ja so einiges in unseren Badehosen und String--Tangas versteckt haben. Obwohl diese Leibesvisitation doch etwas an sich hat… die Gummihandschuhe, der strenge Ton, die Uniformen… Zum Glück nehmen sie ihre Arbeit nicht besonders ernst, denn ich kann nicht erkennen, dass sie Vaseline dabei hätten. Ist das der Preis, den man zu zahlen hat, wenn man so hungrig ist, dass man als erster essen will? Wir brauchen einen mexikanischen Vorkoster! Wenn er 20 Minuten nach dem Vorkosten immer noch OK ist, können wir unbesorgt selber essen. Und so könnte sein Leben einen Sinn bekommen. Denn Gärtnern und Pizzaboys gibt es genug. Man wird versuchen ihn zu retten, falls einmal mit dem Essen etwas nicht stimmen sollte, damit er weiter vorkosten kann.

Wisst ihr wie die Polizisten in Amerika aussehen? Sie sind nicht in grün angezogen und haben Clownsgesichter. Man weiss nie, ob sie Grimassen ziehen oder einfach nur ernst schauen. Du muss Angst vor ihnen haben, denn sie massieren dich schneller mit dem Schlagstock als du die Bestellung für die Massage aufgeben kannst. Und das, weil sie Gedanken lesen können. Sie werden speziell dafür geschult. Sie geben dir nicht nur einfach einen auf die Fresse. Das wäre ja primitiv. Sie sind auch nicht die freiwillige Feuerwehr, die Katzen von Bäumen runterholt, ohne sie vorher zu erschiessen. Vor unseren Bullen hier muss man Respekt haben und daran glauben, dass man unschuldig ist. (Erinnert ihr euch? Gedanken lesen…) Die Jungs haben alles zur Kenntnis genommen, die Essensreste fürs Labor eingepackt und schon sind sie weg.

Nachdem sie meine Proteste mit Verständnis und einem Elektroschock erwidert haben. Die Nadeln haben sie aus einer Pistole auf mich geschossen. Nadeln, die sich tief in meine Haut gebohrt haben. Durch die dünnen Verbindungskabeln, die die Pistole und mich verbanden, flossen 20.000 Volt, die mich nicht nur zum Tänzer und Akrobat gemacht haben, sondern auch viel klüger. Wenn ich das nächste Mal meine Meinung wieder frei äussern möchte, werde ich erst sicherstellen, dass sich zwischen dem Polizist und mir ein Auto befindet, das mich von diesen Reanimierungsmethoden beschützt. Nachdem sie den Strom abgeschaltet haben, und das nach zehn Minuten, nur um sicherzugehen, dass mein Herz auch wirklich ohne fremde Hilfe weiterschlägt, steigen sie in ihr Auto. Sie würden sich melden und uns genau sagen, was los ist. Vielleicht war es ihnen am Strand zu heiss, um sich noch mehr körperlich zu betätigen und mich auch noch zu verprügeln. Und meine Befürchtung, dass sie die Untersuchung nicht erst genommen haben, weil sie keine Vaseline dabei hatten, war falsch. Sie benutzten keine Vaseline, weil sie Spezialisten waren. Zumindest wissen wir jetzt, Joe und ich, dass unsere Prostatae in Ordnung sind, denn sonst hätten sie uns, nach der manuellen, internen Prüfung, sicherlich für eine CT ins Krankenhaus geschickt.

«Was machen wir jetzt?» stell jemand die Frage. Ich kann nicht mehr unterscheiden wessen Stimme das war nachdem mein Körper gerade erfahren hat wie es ist Leiter von 20.000 Watt, Volt und Ohm zu sein, direkt nach der trockenen Prostata Untersuchung. Und reanimiert zu werden, obwohl man schon animiert war. Also, kann ich euch nicht sagen, wer die Frage gestellt hat. Aber, sie war eine berechtigte Frage. Was jetzt? Joe und ich tun so, als ob nichts passiert wäre, obwohl die Tränen in meinen Augen keine Freudentränen sind. Bei Joe bin ich mir nicht so sicher. Ich habe das Gefühl, ihm ist diese Art von Untersuchung nicht fremd…

«Ich schlage vor, wir bleiben hier und entspannen uns! Das ist das beste Rezept, Angst und Panik zu überwinden. Sie nicht zu beachten. Die Kontrolle über uns darf nicht der Panik überlassen werden. Also, lasst uns schwimmen und wisst ihr was? Wir holen uns etwas anderes zu essen!» Sie schauen mich ein bisschen skeptisch an, da die Schweisströpfchen, die aus meinen Haaren perlen, von Funken begleitet werden.

«Wir würden an deiner Stelle nicht schwimmen wollen…»

«Ihr wisst, ich bin der Stärkste von uns. Also zwingt mich nicht, euch dazu zu zwingen! Alles klar?» Meine Stimme klingt so bedrohlich und energiegeladen, dass sie nicht den Mut haben mir zu widersprechen. Ich muss meine Entjungferung durch Aggressivität runterspielen, um davon abzulenken. «Sonst legen wir uns an den Strand und weinen uns so richtig aus, bis die Haie es nicht mehr ertragen und aufs Trockene springen, um uns zu fressen. Habe ich recht?»

«Ja!»

«Ich kann euch nicht hören!» brülle ich.

«Jaaaaaaaa…»

«Ihr müsst nicht brüllen, ich kann euch ganz gut hören!»

«Fuck you!» antworten sie, wieder mal mit der Redewendung, die in letzter Zeit eine so starke, negative Bedeutung bekommen hat, obwohl der eigentliche Sinn dieser zwei Worte, etwas Wunderbares beschreibt!

«Es ist nicht schön, wie ihr mich behandelt. Ich bin Rico, niemand kann mich so behandeln!» sagt der weich gewordene Despot, der jetzt mit zitternden Knien ein Konfliktmanagement betreibt, das mehr auf offener Kommunikation basiert als auf körperlichem Schmerz.

Manchmal muss man Menschen aus der Reserve locken, muss sie zwingen aus sich herauszukommen. Wir, ich und Joena, steigen in den Van und fahren in Richtung der nächsten Key West Insel. Nach zehn Minuten finden wir den Italiener unserer Träume, der uns zwei Pizzas verkauft, wieder mal zwei, die noch besser als in der Werbung aussehen. Zurück angekommen, legen wir uns am Strand hin und beginnen die versalzene Pizza zu kauen. Meine Freunde tun sich aber schwer die Pizza mit dem entsprechenden Enthusiasmus zu schlucken und Dankbarkeit zu zeigen endlich etwas zu Essen bekommen zu haben.

«Hey, was ist los? Ich erwarte mehr Enthusiasmus. Das ist die beste Pizza, die ich jemals gegessen habe! Knusprig, saftig, heiss, würzig, mit so vielen genetisch veränderten Beilagen, dass man 3 Tage brauchen würde, um sie alle aufzuzählen. Aber lassen wir das! Kaut und lächelt dabei!»

«Das ist zu viel, ich kann nicht mehr», sagt Joe, denn seine Joena hat nicht so viel “gekostet” wie sonst und er ist sichtlich von der Grösse der Pizza überfordert.

«Nimm einen Schluck Bier und dann geht es wieder.» gebe ich ihm einen gut gemeinten Rat.

«Nein danke, aber die Pizza war cool!» versucht er zu lächeln, was erbärmlich aussieht. Vor allem da er den Daumen hochhält, um die Aussage glaubwürdiger zu gestalten. Weil er seinen Kopf seitlich hält und lächelt, scheint die Sonne direkt auf seine Zähne, die das Licht reflektieren, und es sieht so aus als ob ihm die Sonne aus dem Mund scheinen würde. Immer noch besser als aus seinem frisch untersuchten Arsch.

Und was macht er? Keine Idee? Er macht das, was Menschen machen, die noch nicht gehört haben, dass man Essen auch für später einpacken kann. Er wirf es den restlichen, dem ersten Massaker entkommenden, Vögeln vor. Sie picken an den Pizzaresten und nach einer Weile bewegen sie sich auch nicht mehr.

«Ha, ha, ha, ha! Ich habe ja gesagt, dass du das Essen versaut hast! Hast du je was von ”Siesta ”gehört? Nein? Schade!» sagt Joe.

«Wieso muss ich mir dein Gelaber anhören, wieso? Ich bin ein bisschen durcheinander, weil ich auf euch aufpassen muss! Wer soll schon den Durchblick behalten, wenn nicht ich? Sag! Sag!» “Rico, du bist schlecht drauf. Deine Überreaktion war etwas heftig. (6) Deine Freunde haben gestern die Waffen nicht gesehen. Und genau deswegen muss ich mich nicht entschuldigen!” denke ich und sage laut in der dritten Person:

«Alles klar, Leute, Rico geht ein bisschen schlaffen.» Satt sind wir sicher auch also mache es nichts wenn ich mich zurückziehe und weiter von meinen Schwestern träume. Da kommt mein blonder Engel und wünscht mir: «Schlaf gut Baby, ich verstehe dich! Ich werde dich immer verstehen!» So ist sie. Falls ihr Leser jetzt Fragen zum Leben, zur Liebe und zur philosophischen Betrachtung des Daseins habt, steckt sie euch in den Arsch.

Schatten fallen über meine Augen, das Licht verblasst und ich gleite in das Reich der Gerechten. “Wo seid ihr meine Geliebten? Kommt, spielen wir ein wenig! Ich bin wieder da! Ich war gar nicht weg, ich hab mich nur versteckt!” (Um jemanden zu zitieren, der glaubt der grösste Sänger zu sein.) Aber es kommt keine der mystischen Traumkreaturen zu mir. Ich nehme noch den Blick meines blonden Engels wahr, der meinen Schlaff bewacht und die Liebe in ihre Augen scheint so intensiv, dass ich mich entschliesse die ganze Sache mit den Schwestern zu vergessen. Auf einmal schlafe ich ganz tief und ganz ruhig. Ganz entspannt. Der Wind streichelt meine Haut und ich frage mich, wie kann mich der Wind mit einer Wärme streicheln, die so angenehm ist, dass ich mich plötzlich von allen Gedanken und Sorgen befreit fühle.

Nach einiger Zeit wache ich auf und sehe das blonde Geschöpf neben mir. Sie schaut mich immer noch an. Bei so viel Liebe tut es mir seelisch weh noch nicht alle schönen Frauen der Welt gebumst zu haben, damit ich mich ausschliesslich nur noch um sie kümmern kann. Wir Männer müssen so viele Opfer bringen! So viele Opfer… Und die meisten Frauen verstehen das nicht. Sie glauben wir sind nur geil. Aber die tiefere, philosophische Bedeutung des Aktes als solches, mit vielen, unbekannten Schönheiten, hat nichts mit Geilheit zu tun. Es geht mehr um die Transzendenz über sich hinaus wachsen zu können! Manche nennen es Erektion, zu unrecht. Wir sind die Opfer der Transzendenz.

Das Miami Syndikat

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