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6. Besuch einer alten Liebe.

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Wohl dem, der gelernt hat, zu ertragen, was er nicht ändern kann, und preiszugeben mit Würde, was er nicht retten kann.

Friedrich von Schiller (1759–1805) Deutscher Dichter, Philosoph, Historiker

Wieder einmal war nach dem morgendlichen Waschritual Gymnastik angesagt. Bennet fieberte dem Augenblick entgegen, wo sie ihre weiche Brust gegen seinen Kopf legte. Doch heute hatte er wieder die A-Karte gezogen. Es erschien lediglich der »Schlächter« von einem Krankenpfleger.

Der wiederum war ausnahmsweise einmal gut gelaunt und sprach sogar mit Bennet.

»Morgen, altes Haus. Waren wir gestern tanzen? Oder hast du die Nacht alleine verbracht? Hättest mich ja rufen können, dann wäre kein Auge trocken geblieben. Haha. So, nun stell dich nicht so mädchenhaft an und beweg dich.«

Dabei drehte er Bennets Kopf nach allen Seiten, dass es nur so knirschte.

»Au. Du Grobian. Ich beiß dir ins Ohr. Mach gefälligst etwas sachter.«

Der Pfleger zog die Decke weg und richtete Bennet auf. Arme und Oberkörper wurden ordentlich drangsaliert. Auch einen kleinen Hieb in den Bauch musste er hinnehmen.

»Warte. Das zahl ich dir heim.«

Einen Blick auf den nackten Unterleib werfend, sagte er: »Der wird auch nicht mehr größer. Wird ja auch nicht mehr gebraucht. So, jetzt die Beine.«

Er klemmte sich jeweils ein Bein des Patienten auf seine Schulter und bewegte Unter- und Oberschenkel, als wolle dieser Olympiateilnehmer werden.

Nach weiteren zwanzig Minuten war Marc Bennet völlig fertig.

Der Pfleger ging mit den Worten.

»So, dann bis morgen.«

Herein kam zögernd eine Frau, die Bennet von der Seite her ansah. Er konnte sie noch nicht richtig sehen.

»He. Stell dich ans Bettende, damit ich dich sehen kann.«

»Hallo Marc. Ich bin’s. Petra.«

Bennet war plötzlich wie elektrisiert. Seine Haare auf den Unterarmen standen plötzlich aufrecht.

»Oh, nein. So hilfl os solltest du mich nicht sehen. Das ist mir aber verdammt peinlich.«

Sie setzte sich auf die Bettkante und sprach weiter.

»Ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst. Aber ich muss dir was Wichtiges sagen. In der Bank glauben sie, dass du Gelder unterschlagen hast. Aber ich kenne dich besser. Das würdest du nie tun.«

Bennet hatte sie schon an der Stimme erkannt, als sie ihn begrüßte. Er sah sie nun auch deutlich. Als sie aufstand, um auf die andere Seite des Bettes zu gehen, folgten seine Augen ihrem Weg.

Bennet war plötzlich irritiert. Was war los mit ihm? Er konnte plötzlich seine Augen hin und her bewegen. Sein Herz schlug schneller. Es klopfte laut.

Als sie weiter sprach, war er wieder abgelenkt und achtete nicht mehr auf seinen Pulsschlag.

»Ach Marc, wenn du doch nur wieder ins Leben zurückkommen würdest. Ich weiß nicht, was ich tun kann. Man will dir eine Veruntreuung vorwerfen und du kannst dich nicht mal wehren. Aber alles deutet darauf hin, dass von deinem Büro aus Gelder verschoben wurden. Wer hat die Möglichkeit, das zu tun?«

»Na, mein lieber Kollege Herzog. Fühle dem doch Mal den Puls, diesem Mistkerl.«

»Dann ist da noch etwas. Deine Frau und dein lieber Kollege Herzog haben anscheinend eine Affäre miteinander. Ich habe sie gestern zusammen gesehen.«

»Ha, das weiß ich schon. Steche ihm die Reifen platt.«

»Marc … kannst … kannst du mich hören? Deine Augen bewegen sich. Aber der Arzt hat mir gesagt, du kannst im Wachkoma weder hören noch sprechen und auch keine Glieder bewegen. Lediglich der Wimpernschlag sei ein Reinigungs- und Schutzreflex. Aber du hast die Augen bewegt.«

Bennet bewegte sie weiter. Er rollte seine Augen heftig.

»Klar kann ich dich hören. Frag was. Los, frag mich was!«

Petra Meinert war nun ebenfalls wie elektrisiert. Sie ahnte, dass er sie hören konnte.

»Oh je. Du kannst mich hören! Das ist ja super. Pass auf! Jedes Nein, einmal die Augen zu. Jedes Ja, zweimal. OK?«

Bennet schloss die Lieder zweimal.

Eine Träne rann an Petras Wange herunter.

»Hast du Schmerzen? Wie fühlst du dich?«

»Du musst Fragen stellen, auf die es nur Ja oder Nein gibt!«

»Oh. Warte, ich muss dir ja Fragen stellen mit Ja oder Nein. Also, fühlst du dich gut?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Hast du Schmerzen?«

Einmaliges Augenzwinkern

»Jetzt komm schon. Stell wichtige Fragen!«

»Ich muss dir ein paar wichtige Fragen stellen.«

»Na endlich

»Hast du etwas von der Geldverschiebung gewusst?« Einmaliges Augenzwinkern.

»Wer könnte das gemacht haben? Halt. Frage anders. Könnte es dieser Thomas Herzog gewesen sein?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Will er es dir in die Schuhe schieben?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Warum? Um von sich abzulenken?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Das ist alles so klar. Herzog transferiert 68-einhalb Millionen Euro und gerät nicht einmal in den Kreis der Verdächtigen, weil er dich als Schuldigen präsentiert.«

»Was? Wie viel? 68 Millionen? Hier hat er was von 6 Millionen gelabert.«

»Marc … ich muss dir noch etwas sehr Negatives sagen.«

»Ja, dieser Mistkerl vögelt meine Frau. Weiß ich schon.«

»Herzog hat sich gestern mit deiner Frau getroffen und wie es ausschaut, haben die beiden was miteinander. Es tut mir leid, aber ich dachte, es ist besser, wenn du darüber informiert bist.«

Bennet rollte die Augen.

»Was willst du mir sagen? Du weißt es schon?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Puh … aber woher? Ah, sie hat sich hier verraten.«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Was machen wir denn jetzt? Beweisen kann man ihm nichts. Alle Aktionen sind von deinem Rechner ausgegangen. Ich kann ihn höchstens beobachten.«

»Nein. Nein. Tu das nicht. Er ist gefährlich.«

»Was ist. Das soll ich nicht tun?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Du meinst zu gefährlich?«

»He. Kannst du meine Gedanken lesen?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

Petra Meinert hielt Bennets Hand und dachte nach.

»Ja. Gut so. Komm etwas näher.«

Meinert stellte noch eine andere Frage.

»Dein Unfall. War das ein Unfall?«

Einmaliges Augenzwinkern.

»Mein Gott. Den hat jemand bewusst herbeigeführt?«

Zweimaliges Augenzwinkern.

»Dann war das ein Mordversuch! Wer? Auch Herzog?«

Bennets Augen ruhten.

»Er nicht selbst. Klar. Das heißt, er hat Freunde. Du bist hier in Gefahr!«

»Cleveres Mädchen. Aber mach dir keine Sorgen. Wenn sie kommen, trete ich ihnen in den Hintern.«

»Soll ich zur Polizei gehen?«

Einmaliges Augenzwinkern.

»Was hätte das für einen Sinn? Die glauben uns nicht. Die glauben dir nicht.«

»Ich muss gehen. Ich komme morgen wieder. Vielleicht weiß ich bis dahin mehr. Mach’s gut. Und lass die Krankenschwestern in Ruhe.«

Zehnmaliges Augenzwinkern.

Wachkoma

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