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8. Historie - Aufbauhilfe West

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Vor einigen Tagen bekam Frank-Peter einen Anruf von Woitek, seinem langjährigen Arbeitskollegen aus der Zeit, als er bei Friedrich Rübner aus Jacobstädt in Bad Elbis-Solbach und in Bad Kaiser beschäftigt war. Woitek war „der letzte Mohikaner“, der letzte aus der alten Truppe, die noch bei Friedrich Rübner angestellt waren. Bisher war Friedrich Rübner immer noch auf Woitek angewiesen, weil er bei seinen Geschäften mit Polen auf einen zuverlässigen Dolmetscher angewiesen war. Nun war ihm gekündigt worden, weil er sich geweigert hatte, an einem Freitag nach der regulären Arbeit gegen 20 : 00 Uhr auf einen Anruf hin die 70 km zu Friedrich Rübner zu fahren und Parkett zu laden. Woitek war Pole, genauer noch, er war Schlesier. Schlesier erhielten früher problemlos die deutsche Staatsbürgerschaft und so war erst sein Bruder, dann Woitek in die Bundesrepublik gekommen, um hier ihr Glück zu suchen. Friedrich Rübner war Geschäftsmann durch und durch. Nach der Wende hatte er als „Wessi“ keine Probleme, eine größere Anzahl Immobilien in Leipzig zu erwerben. Das Geld dazu, so erfuhr Frank-Peter von Woitek, hat Friedrich Rübner, der eine Fluglizenz hatte und früher auch ein kleines Flugzeug, mit Goldschmuggel aus der Türkei beschafft. Kurz vor der Landung in Frankfurt hat er das Gold über einem Waldstück abgeworfen, wo schon ein Mittelsmann wartete, um es bei Zollkontrollen nicht verzollen zu müssen. Diese Geschichte hatte Friedrich Rübner Woitek nach einigen Gläsern Bier und Schnaps prahlerisch erzählt. Auch zweifelhafte Immobiliengeschäfte in verschiedenen bundesdeutschen Orten mehrten seinen Reichtum. Außerdem hatte Friedrich Rübner in der Zeit der Ölkrise große, Sprit schluckende Autos billig aufgekauft und mit hohem Gewinn nach Ägypten weiter verkauft. Seine damalige Frau, die als „Königin Mutter“ ein Quartier in dem von Friedrich Rübners Tochter Katrin Rübner betriebenen Seniorenheim bezogen hatte, musste die Fahrten bis zum Hafen Rotterdam übernehmen und dann mit dem Stapel Bargeld in der Tasche per Zug die Heimreise antreten. „Königin Mutter“ erzählte Frank-Peter diese und andere Geschichten, als er diese bei einer seiner Heimfahrten nach Leipzig zu einer weiteren, in Leipzig wohnenden Tochter Sonja mitnahm. In Leipzig fand Friedrich Rübner eine Baufirma, die aus dem ehemaligen Baukombinat hervorgegangen war und mit dem nun problemlos beschaffbaren Material die Sanierung von Häusern auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Gustav, der Firmenchef, war früher im Baukombinat Parteisekretär. Friedrich Rübner überredete Gustav, dass dieser mit seinen Ortskenntnissen und den fachlichen Voraussetzungen und Friedrich Rübner mit dem Geld zusammen firmieren können. Damit Gustav nicht das Gefühl hat, überrannt zu werden, solle er als geschäftsführender Gesellschafter die Geschicke der Firma in der Hand behalten. Ein guter Freund von Friedrich Rübner richtete sich in einem der ersten teilsanierten Häuser in der Karl-Egner-Straße ein, welches Friedrich Rübner gehörte. Er sollte den Verkauf der sanierten Immobilien übernehmen. Dieser Freund machte angeblich aus dem 170 m2 Büro eine Art Bordell, lebte gut und teuer und wusste garantiert nicht, wie man Immobilien an den Mann bringt. Es kam, was kommen musste, die Firma von Gustav ging Pleite. Gustav haftete nun mit seinem Privatvermögen für die Verluste, während Friedrich Rübner den größten Teil seiner Häuser zum Nulltarif saniert bekommen hatte. Vielleicht deshalb haben dann vermutlich geprellte Handwerker dieses Haus in der Karl-Egner-Straße angezündet. Noch heute kündet weithin sichtbar der stehen gebliebene Giebel an der denkmalgeschützten Fassade von dem einst stolzen Gründerzeitgebäude.


Abgebranntes Haus in der Karl-Egner-Straße

Es hört sich abenteuerlich an, wie Frank-Peter zu Friedrich Rübner und dessen Konglomerat von Firmen kam. Frank-Peter hörte im Jahre 2004 nach langer Arbeitslosigkeit durch Vermittlung des Sohnes einer Arbeitskollegin seiner Frau, Patrik Steude, von einer Arbeitsstelle in Bad Elbis-Solbach und wagte das Abenteuer. Nur allein mit dessen Zusage, dass Elektriker gebraucht würden, packte er eine Reisetasche und sicherte sich eine Mitfahrt in der zu diesem Zeitpunkt noch existierenden Fahrgemeinschaft. Patrik Steude hatte auch eine Schlafgelegenheit organisiert. Frank-Peter wusste zu diesem Zeitpunkt weder sicher, ob es eine Einstellung geben würde, noch zu welchen Konditionen. Auch seine Arbeitskleidung entsprach nicht den heutigen Normen, eine Niethose und abgeschriebene Lederschuhe mussten fürs erste herhalten. Er hatte zwar Elektriker gelernt und mehr als einmal in den letzten Firmen in diesem Fach mitgearbeitet, aber die vielen neuen Bauteile und die teilweise neuen Technologien waren ihm noch nicht geläufig. Dass es nur kurze Zeit dauert bis man dieses Wissen aufholt, sollte sich später herausstellen. Abends im Dunklen kam man in dem Objekt an. In den spärlich beleuchteten Gängen wirkte alles gespenstig. Patrik Steude zeigte Frank-Peter seine Schlafgelegenheit. Am Morgen begann Frank-Peter wie alle anderen 7 : 00 Uhr mit seiner damals unvollkommenen Arbeitskleidung bei den „alten“ Elektrikern und meldete sich dann 9 : 00 Uhr im Büro bei Veronika, der dritten Tochter von Friedrich Rübner. Nur 8,50 Euro kann man ihm zahlen, verkündete Veronika, die ein bildhübsches Gesicht hatte. Unterkunft und Verpflegung waren kostenlos. Arbeitszeit ist von 7 : 00 Uhr bis 18 : 00 Uhr täglich zehn Stunden, weil die Pausen heraus gerechnet werden. Gern kann man auch danach noch länger arbeiten. Die Wochenenden werden durchgearbeitet, damit man in der zweiten Woche am Donnerstag nach der Arbeit die Heimreise antreten kann. Die Rückfahrt war ohnehin nicht möglich, er war auf die Fahrgemeinschaft angewiesen und so sagte Frank-Peter zu, wohl wissend, dass alle anderen vor ihm einen höheren Stundenlohn bekommen hatten. Zwei Tage später kreuzte auch der Bauleiter Werner Adler auf. Die Elektriker hatten eine Sonderstellung, sie unterstanden nicht dem Bauleiter, sondern wurden vom Elektriker Gerhard Lochmann in die Arbeiten eingeteilt, einem ortsansässigen „Wessi“. Nach kurzer Zeit bemerkte er wohl, dass Frank-Peter gewissenhaft und schnell arbeitet und zog sich selbst mehr und mehr aus der aktiven Arbeit zurück. Er verbrachte immer mehr Zeit im Hausmeisterbüro bei Kaffee und Kuchen, den er durch seine guten Kontakte mit der Küche immer in ausreichender Menge bekam. Zudem glich dieses Hausmeisterbüro eher einer Kneipe, denn zusammen mit Rudolf Hausmann, dem damaligen Lebensgefährten der Chefin qualmten beide um die Wette. War Friedrich Rübner im Haus, schloss er sich auch schon mal im Hausmeisterbüro ein, damit er beim Nichtstun nicht auch noch erwischt werden würde. Als Gerhard Lochmann wegen einer Gallenoperation und einigen Komplikationen danach für längere Zeit ausfiel, übernahm Frank-Peter den Elektropart der Baustelle. Weil Friedrich Rübner die Elektrofirma, die das ursprüngliche Objekt gewartet hatte zu teuer war und er mit eigenen billigen Fachkräften vor allem aus dem Osten weit günstiger arbeitete, hatte er die Zusammenarbeit aufgekündigt. Daraufhin beseitigte die alte Elektrofirma alle Unterlagen der vielen im Haus verteilten Schaltschränke. So war es vor allem in einem der beiden zusammenhängenden Häuser oft ein Glückspiel, Fehler zu suchen und neue Komponenten, etwa die elektrischen Türöffner einzubauen und in Betrieb zu nehmen. Werner Adler, der Bauleiter, zwei Jahre älter als Frank-Peter, machte mit goldenem Kettchen und zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren auf sich aufmerksam. Der frühere Jugendbrigadier des Baukombinates Karl-Marx-Stadt4 machte rein äußerlich nicht den Eindruck, dass er auf einer Baustelle seinen Lebensunterhalt verdient. Den Zuhälter würde man ihm indes bedenkenlos abnehmen. Aber das sind nur Äußerlichkeiten, nach denen man sich nicht richten soll, obgleich die Verhaltensweise von Werner Adler eine objektive Beurteilung schwer machte. Nach und nach sickerten erst Gerüchte, später sichere Informationen zu dessen Beziehungen mit Krankenschwestern durch, denn das Bauobjekt war bereits zum Teil mit dem Haus eins fertig und in Betrieb. Immer wenn eine Etage in diesem Haus zwei fertig wurde, bekam es kurz danach bereits Bewohner. In einem anderen Objekt von Friedrich Rübner, in Bad Kaiser, welches Frank-Peter später auch noch kennen lernte und die gesamte Elektrik einer in der Nähe befindlichen Baustelle plante und selbst installierte, hatte Werner Adler auch noch eine feste Beziehung. Immer, wenn diese Beziehungen offenkundig wurden, verloren die jeweiligen Krankenschwestern ihren Job. Als Bauleiter nahm er sich allerhand Freiheiten heraus. Während für alle anderen 18 : 00 Uhr Feierabend war, kam Werner Adler dann schon frisch geduscht aus seinem Quartier, dass er mit niemanden teilen musste. Da Werner auch ein Zimmer in Bad Kaiser hatte, kam er an den Montagen der Anreise auch nicht immer pünktlich, seine wöchentliche Abreise war in der Regel Donnerstag. Sehr viel später konnte Frank-Peter auch selbst sehen, dass Werners Stundeabrechnung all diese Fehlzeiten ausließen und selbst Wochenenden mit Stunden abgerechnet wurden, an denen Werner weit von den Baustellen entfernt war.

Das Objekt in Bad Elbis-Solbach hatte schon beachtliche Dimensionen. Eines Tages sollten an den Enden der Korridore die Heizungen neben den schmalen Türen an die Seite versetzt werden, damit ausreichend breite Fluchttüren eingebaut werden konnten. Zuerst wurden die Heizungen an die Seite verlegt, aber aus einem unerklärlichen Grund blieben jedoch die schmalen Türen. Werner erzählte unter dem Mantel der Verschwiegenheit, dass der Gutachter auf Friedrich Rübners Kosten drei Wochen Urlaub auf Mallorca verleben durfte, wo ihm alle Unkosten beglichen wurden. Im Gegenzug hat er alle Gutachten blanko unterschrieben. Das Gleiche traf auch für das gesamte Haus zu. Werner erzählte, dass am Anfang der Baumaßnahmen des als Kurhotel geplanten, aber nie in Betrieb gegangenen Hauses eine Entkernung erfolgte, wo auch jede Menge tragende Wände entfernt wurden. Bei eine kräftigen Sturm hätte alles wie ein Kartenhaus zusammenfallen können. Nun sind aber wieder ausreichend Wände eingebaut, die das Haus stabilisieren. Als Friedrich Rübners Tochter Katrin eine 14-tägige Urlaubsreise in die USA antreten wollte, holten sie Gerhard Lochmann und Frank-Peter, um die Elektroarbeiten in ihrem Wohnbereich abzusprechen. Katja hatte eine etwa 300 m2 Wohnung auf den Dach des Hauses, die weder über einen eigenen Stromzähler noch über eine Wasseruhr verfügte. Katrin äußerte ihre Wünsche – und – dass nach dem Urlaub alles fertig sein sollte. Aus diesem Wunsch nach vierzehn Tagen Arbeit wurden Monate, die gesamte Wohnung wurde total umgebaut. Es war Frank-Peters erste Bewährungsprobe, denn alle elektrischen Arbeiten hatte er allein zu machen. In notwendigen Arbeitspausen im elektrischen Bereich half er bei der Parkettverlegung oder auch beim Trockenbau. Am Ende waren es mehr als 120 Lichtschalter und Steckdosen und mehrere tausend Meter Elektrokabel, die die edel sanierte Wohnung verschlang. Hinzu kam noch, dass die Brandmeldeanlage auch diesen Bereich des Hauses sichern musste. Die Brandmeldeanlage hatte Frank-Peter von Anbeginn als Einziger verlegt und installiert. Nur für die Inbetriebnahme und Programmierung erschien eine Spezialfirma. Selbst die Berechnung der erforderlichen Menge an Brandmeldern im großen Speiseraum überließ man Frank-Peter, der zu Hause mithilfe eines Computerprogramms ein Maßbild für die Standorte der Brandmelder erstellte. An manchen Tagen arbeitet Frank-Peter die vollen zehn Stunden auf der Leiter stehend in den Korridoren, um Komponenten der Brandmeldeanlage zu installieren oder auch den Schwesternruf zu installieren. Heftige Krämpfe in den Beinen und den Armen meldeten sich hier in den Nächten zum ersten Mal und brachten endlose schlaflose Stunden. Außerdem war er einer der wenigen, die zum Feierabend am Abend nicht sagen konnten, ob es draußen geregnet oder bereits geschneit hat. Ein anderer Elektriker, auch aus der Nähe von Leipzig, hatte Friedrich Rübner vorgerechnet, dass sich für ihn Überstunden nicht rechnen. Mit den Überstunden komme er in eine neue Steuerklasse und hat von 100 Euro Bruttolohnerhöhung aufgrund der Überstunden weniger als 20 Euro Netto für sich. Nach vierzehn Tagen war dieser Elektriker entlassen worden. Peter, der einzige „Wessi“, der eigenartigerweise mit der Ex vom Elektriker Gerhard Lochmann liiert war, rief eines Tages Friedrich Rübner an und erklärte ihm, dass er einige der geplanten Arbeiten nicht machen kann, ihm fehle das Fachwissen dafür. Peter war kein gelernter Elektriker, hatte sich aber gut eingearbeitet. Solange ihm jemand sagte, was zu machen sei, ging auch alles gut. Als Gerhard Lochmann dann krankheitsbedingt ausfiel, gab es niemand mehr, der ihm die Aufgaben zuwies. Auch Peter hatte noch vierzehn Tage, die er wegen anteiligen Urlaubs aber komplett der Firma fern blieb. Immer wenn Arbeiten abgeschlossen waren, wurden die jeweiligen Fachleute entlassen. Damit keine Ansprüche auf Abfindung entstehen können, wurden die Leute von Friedrich Rübner alle drei Jahre in eine andere seiner vielen Firmen umgesetzt. Einmal kam sogar das Gerücht auf, dass die „neue“ Firma dem Vernehmen nach eine Baufirma sei und damit die Anstellung nicht mehr im Baunebengewerke, sondern im Bauhauptgewerke mit den dort verbindlichen Tarifstrukturen erfolge. Ein Irrtum, denn die neue Firma war ebenso wieder eine Immobilien- und Gartenfirma, am Verdienst änderte sich nichts. Zu Gute halten muss man aber, dass es den Lohn immer pünktlich gab. Auch das soll heute in Deutschland nicht mehr durchweg passieren.

Überhaupt mutete am Anfang die Baustelle in Bad Elbis-Solbach wie aus dem vorigen Jahrhundert an. Es schien nicht nur so, als wären die Quartiere mitten auf der Baustelle, sie waren es! Nur in manchen amerikanischen Filmen hatte Frank-Peter ähnliche Kulissen gesehen.


Ein Leben auf der Baustelle, provisorische Türen zu den Schlafgelegenheiten

Erstaunlicherweise hatte Friedrich Rübner immer rechtzeitig Hinweise erhalten, wenn ihm vermutlich von gekündigten Mitarbeitern der Zoll auf die Baustelle geschickt wurde. Er ließ dann die Polen, die seit Jahren als Schwarzarbeiter bei ihm malochten, „verschwinden“. Die Vorwarnzeiten wurden immer kürzer und Friedrich Rübner drohte dem Rest der Mannschaft, die Baustelle zu schließen. Wenn abends noch Einkäufe getätigt werden mussten, gab es immer welche, die für die Polen, die die Spitznahmen Lolek und Bolek erhielten, vor allem Bier mitbrachten. Diese wollten die preiswerteste Sorte, der Kasten solcherart Bier kostete 5,95 Euro. Frank-Peter hat es auch probiert. Ab dem zehnten Bier war es halbwegs genießbar.

Der Geschäftssinn von Friedrich Rübner war ungebrochen. Durch Kontakte seiner polnischen Schwarzarbeiter erhielt Friedrich Rübner Zugang zu einer polnischen Firma nahe der ukrainischen Grenze, die Parkett herstellt. Bei den Fahrten dahin war stets Woitek als Dolmetscher mit dabei. Die Lebensgefährtin von Friedrich Rübner, eine ehemalige Busunternehmerin, verfügte mit den Busgaragen noch über immensen Lagerraum und Friedrich Rübner kaufte Parkett. Wenn er den kompletten Sattelzug mit Parkett für 30.000 Euro abnimmt, kostet der Quadratmeter Friedrich Rübner nur etwa sieben Euro. In zwei Monaten luden in der Regel drei Sattelzüge Parkett ab, wusste Woitek zu berichten. Über ebay wurde das Parkett zu Preisen von 17 Euro bis 24 Euro angeboten, die preiswerteste Art der Anzeige, wie Friedrich Rübner bekannte. Im Gegensatz zu den lokal erscheinenden Presseerzeugnissen konnte er so europaweit für seine Waren werben, das auch noch zeitlich unbefristet. Da er ganz akkurat bei ebay auch angab, dass er als Firma tätig ist, Telefonnummer und Adresse angab, braucht es nicht zu wundern, dass nach 3 Jahren nur etwa 100 Bewertungen auf seinem ebay-Konto registriert waren. Jeder ernsthafte Kunde wird bei seiner Kaufentscheidung nicht die anonyme Bestellung bei ebay nutzen, sondern erst einmal eine telefonische Anfrage, eventuell eine Musterbegutachtung vornehmen. Ist hier eine Gesetzeslücke oder ist Friedrich Rübner nur besonders clever? Die Polen wurden bei den Parkettverkäufen stets als Fachleute mit angeboten, weil Friedrich Rübner sonst keine Garantie gewähren könne. Als Frank-Peter davon erfuhr, rechnete er nach und kam auf die Summe von monatlich über 100.000 Euro Schwarzgeld, das Friedrich Rübner auf diese Art und Weise einnahm. Schließlich war das Risiko von Schwarzarbeit zu hoch geworden und die Polen mussten sich selbstständig machen. Dazu wusste Woitek, der mit seinen Landsleuten einen guten Kontakt pflegte, eine unglaubliche Geschichte, die er Frank-Peter erzählte: „Frank-Peter, du wirst es nicht glauben, aber Lolek ist mit seinem Start als Selbstständiger mit Friedrich Rübner zur Bank, um sich ein Konto einzurichten. Er kennt allerdings weder die Kontonummer, noch hat er eine EC-Karte, die hat ihm Friedrich Rübner gleich abgenommen. Dafür ist der Alte aber kontoberechtigt. Lolek und Bolek bekommen jetzt pro Stunde je sechs Euro netto.“

„Für sechs Euro kann doch ein Selbstständiger niemals arbeiten“, entgegnete Frank-Peter. Woitek nickte und fuhr fort: „Lolek hat wegen der Steuer und der mögliche Rückerstattung beim Alten nachgefragte, weil dieser die Steuererklärung und den gesamten Schreibkram für die beiden macht und bekam zur Antwort, dass etwa im Mai die Unterlagen (zum abheften5) kommen werden. Lolek hat aber niemals die Steuererklärung unterschrieben. Gute Freunde des Alten6 haben erzählt, dass dieser sich über die beiden Polen beschwerte. Sie arbeiten nicht mehr so wie früher“ – 12 … 14 Stunden pro Tag hat Frank-Peter selbst beobachtet – „und sie werden zunehmend aufmüpfig. Damit kann nur die Frage von Lolek nach der Steuerrückerstattung gemeint sein. Auf diese Firma zugelassen ist ein kleiner Lieferwagen, Sprit und alles, was mit diesem zusammenhängt, zahlt der Alte.“ Die Vermutung liegt natürlich sehr nahe, dass Friedrich Rübner mit diesem Konto seine Einnahmen aus dem Internet-Parketthandel verschleiert. Im Falle eines Falles wird er natürlich von allem nichts wissen und den beiden Brüdern die Arschkarte zuspielen. Sklaverei der modernen Art!

Das Holz für das Parkett wird mit organisierter Kriminalität in der Ukraine gestohlen, wusste Woitek weiter zu berichten. Bei der Einfuhr nach Polen gibt es ordentlich deklarierte Papiere. Bringt der Fahrer seinen Teil der Papiere dann zum Grenzer zurück, werden die kompletten Papiere dieser Einfuhr vernichtet und der Fahrer, sowie der Grenzer erhalten ihren Anteil am Gewinn. Einmal sollen auch radioaktiv verseuchte Bäume aus der Umgebung von Tschernobyl verarbeitet worden sein. Für dieses verstrahlte Parkett gab es in Polen keine Abnehmer. Friedrich Rübner kaufte den gesamten Posten. Wer weiß, bei wem jetzt die Filme immer schon belichtet sind, wenn sie in einen Fotoapparat einlegt werden – aber jetzt gibt es ohnehin Digitalfotoapparate.

Als ein riesiges altes Villengrundstück in Bad Kaiser, das Friedrich Rübner zu äußerst günstigen Konditionen erworben hatte, in sechs Eigentumswohnungen umgebaut werden sollte, wurde Frank-Peter gefragt, ob er sich diese Arbeit zutraue. Da er inzwischen genügend Erfahrungen gesammelt hatte, sagte er zu und hatte ab sofort eine über 100 km weitere Fahrstrecke. Das Quartier wurde in der Nähe der Baustelle in einem Pflegeheim von Friedrich Rübner, welches er verpachtet hatte, unter dem Dach aufgeschlagen. Nach einem Aufstieg über eine Aluleiter – die Klapptreppe war Jahre zuvor von besoffenen Bauleuten gekillt worden – war erst einmal in gebückter Körperhaltung so lange zu „gehen“, bis die ansteigende Dachschräge einen aufrechten Gang ermöglichte. Besonders wenn am Sonntag die Anreise mit der gefüllten Reisetasche erfolgte, war es schon ein akrobatischer Akt, die Stiege zu erklimmen.


Aufstieg ins Quartier

Schlafstätten musste man sich erst selber bauen, auf große Holzklötzer gestellte Lattenroste. Gemessen an den Polen, die bei der Parkettverlegung oft nur auf alten Matratzen schlafen, die sie auf das Parkett legen, dass sie tagsüber verlegen, und mit den Lösungsmitteldämpfen des Parkettklebers in ein Koma fallen, waren es luxuriöse Bedingungen. Werner Adler war mit kollabierendem Blutdruck für längere Zeit ausgefallen und so übernahm Sven Bachmann die Baustelle. Sven Bachmann war mit seinen Eltern Anfang der neunziger Jahre in den Westen gekommen und hatte Klempner gelernt.


Frank-Peters Quartier mit dem Selbstbaubett

Ahnung hatte er nicht, Kompetenz auch nicht, aber er wusste sich bei Friedrich Rübner in einer Weise wichtig zu machen, dass es schon regelrecht penetrant war. Friedrich Rübner hatte einen Narren in Sven Bachmann gefressen. Wie schon früher mit Werner Adler auf deren gemeinsamen Fahrten von Bad Elbis-Solbach nach Bad Kaiser, wo beide wohnten, hatte sich Sven Bachmann Werners großzügige Stundenabrechnung angewöhnt. Da er diese Unterlagen immer Friedrich Rübner persönlich gab, war es den anderen Beschäftigten auf der Baustelle auch lange Zeit nicht bekannt, wie unverfroren betrogen wurde. Natürlich macht jeder einmal einen Fehler und auch Sven Bachmann. Er vergaß seinen Stundezettel auf der Baustelle, ebenso Werner, als er nach einer Kur wieder die Führung übernahm. Werner rechnete 220 Stunden im Monat ab, war jedoch nach Frank-Peters Übersicht weniger als 150 Stunden auf der Baustelle.


Werners Adlers Stundenzettel

Die bei der Entkernung der Villa demontierten Kupferkabel machten ebenfalls diese Beiden zu barer Münze und spendierten dem Rest der Truppe einmal ein Päckchen Kaffee. Auch hier verplapperte sich Sven Bachmann und die tatsächlichen Einnahmen von mehreren hundert Euro wurden bekannt. Das Husarenstück der beiden war jedoch, dass sie auf Friedrich Rübners Kosten Dachabdeckung besorgten und einer Oma, die ein Haus gegenüber der Baustelle hatte, die Nebengebäude neu bedachten. Immer in der Mittagspause, wenn die anderen drei der Truppe rund 5 km in das von Friedrich Rübner verpachtete Pflegeheim fuhren, wo sie kostenfrei beköstigt wurden, waren die beiden fleißig. Werner Adler richtete sich in einer der Wohnungen, die aus dem Zimmerverbund der Villa gebaut wurden, eine Bastelstube und eine Pflanzaufzucht ein. Er hatte die Räumlichkeit mit Bedacht ausgesucht. Eine kleine Treppe führte in ein Obergeschoß. Mit Fenstern nach allen Seiten hatte Werner „seine“ Leute stets im Blick und sah auch rechtzeitig, wenn Friedrich Rübner aufkreuzte. Dort bastelte er Gestecke für Weihnachten oder renovierte alte Möbel. Für seine Pflanzaufzucht baute Werner extra einen Tisch und regelte die Elektroheizung auf Maximum.


Werner Adlers „Bastelecke“


… und seine Pflanzenzucht


Dafür muss kräftig geheizt werden

Alle Dinge, die auf der Baustelle falsch liefen, waren zum Glück nicht Frank-Peter zuzuordnen, er war ernsthafter und bemühte sich, Qualitätsarbeit zu leisten. Sven Bachmann hat sich vom Fachhändler sauteure „reflektierende“ Folie aufschwatzen lassen, die unter den Estrich kommt um die Wärme der Fußbodenheizung nicht nach unten in den Keller verschwinden zu lassen. Wie soll das im Dunklen mitten im Beton funktionieren? Das Ergebnis sah so aus, dass nach Zuschalten der elektrischen Fußbodenheizung vierzehn Tage lang nichts passierte. Zumindest nicht in der Wohnung. Dafür war die Kellerdecke richtig handwarm. Frank-Peter kontrollierte jeden Tag die Zählerstände, trug die Daten in den Computer ein wenn er an den Wochenenden zu Hause war und errechnete, dass die größte der so entstandenen Wohnungen pro Monat bei voller Heizung über fünfhundert Euro Stromkosten verbraucht. Da ist noch keine Lampe an, kein Liter Wasser zum Duschen erwärmt und kein elektrisches Gerät angeschaltet. Erst sehr viel später, als Frank-Peter nicht mehr auf dieser Baustelle war, soll die Kellerdecke isoliert worden sein. Eines Tages wurden Kupferbleche geliefert. Werner Adler und Sven Bachmann machten eine alte Blechbiegemaschine wieder flott und bauten aus den Kupferblechen eine Wanne, die mittig zwischen zwei Dächer als Dachrinne eingebaut wurde. Sven Bachmanns Fachkenntnisse beim Löten reichten nur, um das Blei-Zinn-Gemisch flüssig zu machen und es auf die Kupferbleche laufen zu lassen. Mit Löten hatte das nichts zu tun. So verwunderte es nicht, dass das erste Regenwasser einen Weg durch die verunstalteten Kupferbleche direkt in die darunter liegenden Wohnungen fand. Im Ergebnis dieses niederschmetternden Resultats wurde Dachpappe auf die Kupferbleche geklebt! Man hätte so auch verzinktes Blech nehmen und dieses mit Euroscheinen bekleben können. Das hätte die gleichen Kosten verursacht, wäre aber schneller gegangen.



Vom „Spezialisten“ gelötet

Das riesige Grundstück diente zwischendurch als Müllhalde für allerlei Sachen. Darunter auch für ausrangierte Bleiakkus, die aus einer demontierten Notbeleuchtungsanlage aus Bad Elbis-Solbach stammten. Sie wurden vom LKW einfach abgekippt und erhielten dadurch Risse in den Gehäusen. Ein halbes Jahr später war die Akkusäure weg. Wo diese Akkus letztlich abgeblieben sind, konnte Frank-Peter auch nicht in Erfahrung bringen.


Im freien gelagerte defekte Bleiakkus

Eine Überraschung erlebte Frank-Peter trotzdem mit „seiner“ Elektrik. Ab und zu hatten ihm Kollegen, auch Sven Bachmann schon einmal zur Hand gehen müssen. Sven Bachmann wurde mit seinen „Gynäkologenhänden“ gebraucht, wenn Kabel in den Wänden des Trockenbaus gesucht werden musste. Er konnte seine Arme bis zu den Ellenbogen in die ausgesägten Löcher stecken, wo Frank-Peter nicht einmal mit der Hand hinein kam. Frank-Peter und der Fliesenleger sollten ganz schnell mal für drei Tage nach Leipzig, wo eine ehemalige Apotheke in einem von Friedrich Rübners Häusern zu einer Tierarztpraxis umgebaut werden sollte. Aus diesen drei Tagen wurden geschlagene drei Monate. Sven Bachmann sollte in dieser Zeit die Elektrokabel für die Beleuchtung des mit 80 m2 größten Wohnzimmers in die Decke einbringen, damit die Trockenbauarbeiten abgeschlossen werden können. Frank-Peter gab dazu die erforderlichen Eckdaten und schärfte Sven Bachmann ein, die Lampenauslässe sinnvoll anzuordnen, wie er es von einer eigenen Wohnung auch erwarten würde. Als Frank-Peter nach drei Monaten wieder auf dieser Baustelle aufkreuzte, sah er die Bescherung. Sven Bachmann hatte das absolute Maximum der abgesprochenen Eckdaten installiert: zweiundzwanzig Lampenauslässe mit einundzwanzig verschiedenen Schaltmöglichkeiten! Und das in einem Wohnzimmer. Die Aufregung war natürlich groß. Die Beschaffenheit der Decke ließ keine Entfernung von Kabeln zu. Stundenlang saß Frank-Peter am Computer, den er inzwischen mit in sein Quartier genommen hatte, um eine sinnvolle Zusammenstellung der mit jeweils einem Schalter zu steuernden Lampen zu finden und auch in der Perspektive Änderungen zuzulassen. Im Ergebnis dieser Überlegungen musste Frank-Peter eine weitere Unterverteilung einbauen, die ausschließlich für die Verwaltung der Wohnzimmerbeleuchtung zuständig war. Welch Aufwand durch die Fehleinschätzung des „gesunden Menschenverstandes“ von Sven Bachmann durch Frank-Peter. Übrigens gab es für die Arbeit an der Tierarztpraxis in Leipzig bei den in den alten Bundesländern angestellten Bauarbeitern keine Auslöse. Die kostenlose Verpflegung und Unterkunft, die als Bestandteil des relativ niedrigen Lohnes vereinbart war, fiel ebenso weg. Nur Frank-Peter profitierte von kürzeren Fahrwegen, der Fliesenleger, der einige Kilometer hinter Halle wohnte, hatte durch die täglichen Fahrten sogar mehr Fahrkilometer pro Woche als mit den Fahrten auf die Baustelle in den alten Bundesländern.


Qualitätsarbeit auch bei ungewollten Zusatzkomponenten


Verstärker und Verteiler für Kabelfernsehen

Frank-Peter hatte auf dieser Baustelle die Planung und Installation der gesamten elektrischen Anlage, für die Telefonvorbereitung und das Kabelfernsehen übernommen, eigenverantwortlich über den mit Friedrich Rübner befreundeten Elektromeister Rolf Teubner das Material bestellt und die Anlagen fertig gestellt. Als ein Fachmann des örtlichen Betreibers der Kabelfernsehanlage wegen der geplanten Zuschaltung des Fernsehsignals die Anlage inspizierte, war er begeistert. „Mit wem muss ich reden, wenn wir diese Anlage käuflich übernehmen wollen?“, wurde Frank-Peter von dem Angestellten gefragt.

Nachdem Frank-Peter nach Erfüllung seiner Aufgaben entlassen worden war, rief ihm Woitek abends an. „Du, der Rolf Teubner war bei Friedrich Rübner, er hat deine Arbeit in höchsten Tönen gelobt!“ Rolf Teubner war ein guter Freund von Friedrich Rübner und Elektromeister. Über Rolf Teubner wurden sämtliche Elektromaterialien bestellt, auch schon die der Seniorenheime. Für diesen ein gutes Einkommen zum Nulltarif. Die lobenden Worte indes müssen bei Friedrich Rübner einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, denn Jahre später rief er bei Frank-Peter an und bot ihm Arbeit bei der Sanierung eines seiner Leipziger Häuser an. Da hatte Frank-Peter aber bereits wieder eine feste Arbeitsstelle und lehnte dankend ab.

Ich kann mir die Arbeit nicht leisten

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