Читать книгу kinda bitch - Ralf During - Страница 26

Betriebsstörung

Оглавление

»Guten Morgen Bruderherz, ziemlich chaotisch hier«, waren Niklas erste Worte, als er Levi am Sonntagvormittag in der WG besuchen kam.

»Mir räumt auch keiner meinen Kram hinterher, übrigens schöne Grüße an meine Schwägerin«, parierte Levi und lud Niklas ein, sich ins Wohnzimmer zu setzen. »Wie war’s in China?«

»Stressig, wenn man fünf Firmen in drei Tagen besucht und so tun muss, als ob man sich für ein Joint Venture interessiere.«

»Wozu dann das Ganze?«

»Marktforschung. Ich sondiere die chinesische Konkurrenz und halte Vater auf dem Laufenden, was sich in Fernost so tut. Doch dazu vielleicht später. Sind wir allein?«

Levi sah sich kurz um. »Eigentlich schon.«

»Eigentlich?«

»Ja, Paul ist auf dem Dachboden und malt. Er wird uns nicht stören, und Marc ist zum Geburtstag bei seiner Mutter.«

»Gut, wie geht’s Rebecca, hat sie sich noch mal gemeldet?«

»Nicht bei mir, aber Alexander…«

Niklas schaute seinen Bruder fragend an.

»Ein Freund. Also Alex traf sie unlängst, und das heißt wohl, sie lebt und soll sogar auf Jobsuche sein. Nichts, was dich sorgen müsste.«

»Das ist deine Sache, mein Lieber. Dennoch gebe ich in dieser Beziehung Vater Recht, sie passte nicht in unsere Familie.«

»Was wir weder hier noch heute noch überhaupt diskutieren müssen, sie ist weg und Schluss.«

»Schon gut, doch für mein Anliegen heute wäre es besser, wenn sie auch nicht wiederkäme, denn ich brauche dich und niemanden, der dir sagt, wann du für wen Zeit haben darfst.«

»Jetzt übertreibe nicht. So schlimm war sie nie, und was genau ist das großes Geheimnis?« Levi war das Getue seines Bruders leid.

Niklas zog sein Sakko aus, hängte es über die Lehne des neben dem Sofa stehenden Stuhls und entnahm seiner Aktentasche einige Computerausdrucke, die er auf den Couchtisch legte.

»Seit ein paar Monaten sinken die Absätze trotz gefüllter Auftragsbücher. Es sind nur minimale Differenzen, nichts Besorgniserregendes, aber dennoch ohne logische Erklärung. Ich habe daraufhin die Bücher geprüft und mit den Unterlagen unserer Steuerkanzlei abgeglichen sowie sämtliche Zahlungsein- und -ausgänge nachverfolgt. Nichts.«

Levi kratzte sich stumm am Kinn, dann stand er auf und ging zur Tür.

»Bier oder Kaffee? Dann redet es sich besser.«

»Danke, Wasser genügt völlig. Kann auch aus der Leitung sein.«

»Anderes hätten wir auch gar nicht«, rief Levi aus der Küche.

Niklas sah sich währenddessen im Zimmer um. Bücher gab es kaum, dafür ein gutes Dutzend Playstationspiele und stapelweise DVDs.

»Ich dachte, man brennt sich heute alles, was man sehen will«, wunderte er sich, als er von Levi das Glas entgegen nahm.

»Die sind gebrannt, lediglich die Cover habe ich an der Uni ausgedruckt. Sieht ziemlich echt aus, oder?«, grinste Levi, der sich selbst ein Bier geholt hatte.

»Und ziemlich illegal. Doch wolltest du mir nicht ein Wasser mitbringen?«, fragte Niklas, während er den Inhalt seines Glases in den völlig ausgetrockneten Benjamini goss. Levi schaute ihn überrascht an.

»Du weißt ja, wo die Küche ist und im Flur stünde noch eine Yukka- Palme, und vielleicht könnten wir dann mal zur Sache kommen.«

»Ok, die Zahlen scheinen zu stimmen, so dass wir trotz gestiegener Aufträge ein Umsatzdefizit hatten. Nein, das stimmt nicht, wir haben korrekte Umsätze, der Gewinn fiel geringer aus, als es das Controlling hergab? Ohne dich mit betriebswirtschaftlichen Details zu langweilen…«

»Danke«, fiel ihm Levi ins Wort.

»…konnte es dennoch keine andere Erklärung geben, als dass an unserer Bilanz manipuliert worden war.«

»Und wer hat daran ein Interesse? Glaubst du, da zweigt sich jemand Geld ab?«

»Vielleicht. Oder jemand möchte die Bilanz ändern.«

»Wenn ich nicht ganz auf den Kopf gefallen bin, hätten wir ein Interesse an einem geringeren, zu versteuernden Umsatz, nicht aber an einem schwindenden Gewinn.«

»Du triffst den Nagel auf den Kopf, Bruderherz. Das ist der Dreh- und Angelpunkt meiner Überlegung.«

»Und die wäre?«

»Erst dachte ich, es handelt sich um einen Rundungsfehler bei den Buchungen, doch da ist alles korrekt. Dann kam ich auf die Idee, dass wir einen Virus in unserem Firmennetzwerk haben, doch die Firewall war dicht.«

»Die Firewall war dicht? Ich nehme an, du hattest Informatik nicht als Hauptfach im Studium?«, grinste Levi.

»Darf ich weitererzählen?«

»Gern, nur zu, wer hackt unser Firmennetzwerk?«

»Niemand, das sagte ich gerade. Also müssen die Manipulationen von innen, aus der Firma selbst stammen.«

»Huuu, Verschwörungstheorie. Und jetzt runter mit der Maske, wer ist das Schwein? Der Hausmeister?«

»Ich weiß nicht, was du daran so lustig findest. Ich zumindest habe mir vergeblich die Nächte um die Ohren geschlagen, die Fehlerquelle zu finden.«

Levi holte sich ein weiteres Bier und setzte sich neben Niklas an den Couchtisch.

»Und was sind das hier alles für Papiere?«

Mit einem Seitenblick auf die Bierflasche und einem anderen auf seine Uhr, schüttelte Niklas den Kopf, sparte sich aber einen Kommentar und antwortete:

»Das sind die Nutzungsprotokolle unserer Betriebswirtschaftssoftware durch die Mitarbeiter in der Buchhaltung.«

»Was die vermutlich nicht wissen?«

»Natürlich nicht, die Diskussion mit dem Betriebsrat erspar ich mir lieber. Ich habe ja nicht vor, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist lediglich ein Stochern im Nebel. Nur leider bislang ohne Ergebnis.«

»Was sagt Vater dazu?«

»Der weiß noch gar nichts davon.«

»Was?« Levi hätte sich fast verschluckt. »Gott hat keine Ahnung, dass du die ganze Firma auf den Kopf stellst, illegal Mitarbeiter überwachst, die Buchführung nachrechnest und die Firewall auf Löcher testest? Ok, das letzte war ein Spaß.«

»Sehr lustig. Doch Vater weiß vorerst noch nichts, denn der einzige, der definitiv nicht an den Zahlen gedreht hat, bin ich…«

Levi sah seinen Bruder überrascht an, er hatte verstanden.

»Willst du damit sagen, du verdächtigst Vater, sein eigenes Ergebnis frisieren zu wollen? Wozu?«

»Ich verdächtige alle und niemanden, und das Motiv ist mir selbst noch schleierhaft. Zumindest will ich sicher gehen, dass er damit nichts zu tun hat. Dann werde ich ihn auch einweihen.«

»Also ich würde ihm nicht sagen, dass du schon seit Monaten von den Vorgängen weißt.«

»Keine Sorge, ich werde es ihm als die Neuigkeit des Tages verkaufen. Ich habe keine Lust, mich nach einem neuen Job umzuschauen.«

»Außer ihm fallen die Manipulationen selbst auf, und er kommt hinter deine Nachforschungen.«

»Ein Restrisiko bleibt, aber die Zahlen sind als Einzelposten zu klein, um wirklich aufzufallen. Einzig die Summe ist mittlerweile groß genug, um sich eine nette Rente zu sichern.«

»Wovon reden wir?«

»Es schwankt. Ich habe im letzten Jahr einen Fehlbetrag von einigen Tausend Euro ermittelt, nach Steuern, versteht sich. Doch der setzt sich aus tausenden Kleinstbeträgen zusammen, die quer über sämtliche Zahlungseingänge verstreut sind. Gerechnet auf mindestens fünf Jahre, sind wir da aber bei einem ganz ansehnlichen Betrag.«

»Und keinem fiel das auf?«

»Fällt dir auf, wenn auf deinem Konto plötzlich zwei Euro fehlen?«

»Naja, bei meinem Kontostand eventuell schon, aber unsere Steuerkanzlei müsste selbst solche Beträge bemerken.«

»Nicht, wenn die Abflüsse nach der Steuerprüfung und Einreichung beim Finanzamt erfolgt sind. Da hat einer mitgedacht.«

»Doch wie kann ich dir da helfen?«, kam Levi auf den Grund des Besuches seines Bruders zurück.

»Da gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen stelle ich mir irgendwas vor, was unsere Zahlungsströme verfolgt und protokolliert, so dass wir nach Abschluss des Geschäftsjahres auch ohne Steuerkanzlei überwachen können, welche Zahlungen von wem wohin gehen.«

»Du meinst eine Software, die ähnlich einem Virus unsere eigene Firma kontrolliert?«

»Ungefähr so, doch ich habe keine Ahnung, ob so was geht und ob du das kannst.«

»Spontan würde ich sagen, nein. Aber ich komme gleich, das Bier drückt.«

Levi stand auf und verließ das Wohnzimmer. Sein Bruder nutzte die Unterbrechung, sich in der Küche ein zweites Glas Wasser zu holen und grüßte Paul, der gerade vom Dachboden runter kam und ins Bad wollte.

»Ich glaube, Levi ist gerade drin. Was macht die Kunst?«

Paul sah an seinem Overall herab, der über und über mit Farbe beschmiert war. Sogar die Haare hatten bunte Spritzer abbekommen, und dass seine Schuhe einst schwarz waren, konnte man nicht mehr erkennen.

»Ich denke, ich sollte mehr Farbe auf die Leinwand statt auf meine Klamotten bringen. Und selbst? Schmeckt das geregelte Leben?«

»Danke der Nachfrage, aber es ist wie mit allem, man darf nicht zuviel davon bekommen.«

»Ja, genau deshalb studiere ich Kunst.«

»Als ob ich mir BWL ausgesucht hätte. Das wurde mir eher in die Wiege gelegt, doch das führt jetzt zu weit«, seufzte Niklas und folgte Levi, der gerade das Bad verlassen hatte und zurück ins Wohnzimmer ging.

»Ich habe nachgedacht«, setzte der das Gespräch fort.

»Ich müsste mir bei Gelegenheit mal unsere Buchhaltungssoftware etwas genauer anschauen. Erst dann kann ich abschätzen, ob ich so etwas programmieren kann.«

»Und wie lange, schätzt du, braucht das?«

»Nachdem Vater nichts mitbekommen soll, bleiben dafür wohl nur die Wochenenden. Und ich habe keine Ahnung, wie komplex das System unserer Firma ist. Immerhin war Vater zu geizig, SAP einzuführen und setzt lieber auf Insellösungen unserer IT-Abteilung.«

Niklas nickte. »Das ewige Streitthema, ich weiß. Doch er ist noch mit Karteikarten und Lochstreifen aufgewachsen und misstraut einer einzelnen Firma, von der er sich abhängig fühlen würde. Deshalb will er jetzt auch eine eigene Tochterfirma gründen und die IT auslagern. Künftige Aufgabe dieser Service-GmbH soll die Automatisierung unserer Produktionsabläufe sein.«

»Er will was?« Levi starrte seinen Bruder ungläubig an.

»Ich dachte auch erst, ich hätte mich verhört, doch ihm schien das der sicherste Weg zu modernisieren, ohne sich zu tief in die eigenen Abläufe schauen zu lassen. Nur gefährdet das meine Ermittlungen.«

»Wieso? Ließe sich das eine nicht mit dem anderen verbinden?«

»Schon, aber nur, wenn die neue Firma von jemandem geführt wird, dem ich vertraue, der aber Vater gut genug kennt, um ihn auf Abstand zu halten. Womit wir bei Grund Nummer zwei für meinen Besuch wären.«

Levi sah Niklas fragend an.

»Ich kann dir im Augenblick nur so viel verraten. Ich plane, die EDV Abteilung in eine neue Firma umzuwandeln, für die ich dich gern als Geschäftsführer gewinnen möchte. Du würdest dich der technischen Details annehmen, Anbieter auswählen und die Abläufe kontrollieren. Doch zuvor brauche ich diese Überwachungssoftware.«

»Du weißt, dass ich nebenbei studiere?«

»Ja, aber nicht mehr lange und dann könntest du ziemlich unabhängig von Vater und unserem Unternehmen diese Firma leiten und mir gleichzeitig die notwendigen Daten und Zugänge zu den Buchungsströmen ins Stammhaus liefern. Da mischt dann kein Dritter mit und Vater stellen wir vor vollendete Tatsachen.«

»Du bist ein intrigantes Schwein«, staunte Levi. »Und ich bin stolz auf dich. Meine eigene Firma? Warum nicht.«

»Naja, ganz deine Firma ja nicht, ich bin zumindest auf dem Papier stimmberechtigter Mitgesellschafter. Doch bewährt sich die geplante Automatisierung unseres Unternehmens, könnten wir dieses KnowHow auch anderen Firmen anbieten und würden uns damit von der Automobilbranche ein Stück unabhängiger machen.«

»Und von Vater«, nickte Levi.

»Das klingt spannender, als ich anfangs dachte. Ich schau mich mal um, was es an geeigneter Software für die Kontrolle breiter Datenströme gibt, und über diese Firmengründung müssen wir uns ein anderes Mal ausführlicher unterhalten.«

»Gern, aber behalte das hier vorerst für dich. Ich habe keine Lust, mit dem Alten kurz vor seiner Pensionierung noch Streit zu bekommen. Auch muss ich jetzt langsam los, Frau und Kind denken, ich mache Überstunden.«

»Keine Sorge, machst du ja auch, irgendwie«, beruhigte Levi seinen Bruder und brachte ihn zur Tür.

kinda bitch

Подняться наверх