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John Ray
Оглавление(29.11.1627–17.1.1705)
Ray war einer der herausragenden Köpfe des 17. Jahrhunderts, der mit seinen naturkundlichen Arbeiten die Grundlagen der Botanik und der Zoologie einschließlich der Insektenkunde legte. Einige seiner Erkenntnisse haben bis heute Bestand in der Biologie. So unterschied er erstmals zwischen ein- und zweikeimblättrigen Pflanzen, zwischen Insekten mit unvollständiger und vollständiger Verwandlung und legte die Art (= Species) als kleinste natürliche Einheit fest. Sogar die Definition der Art klingt bei Ray bereits sehr modern, fasste er Arten doch als natürliche Fortpflanzungsgemeinschaften auf. Außerdem verwendete er zur Benennung seiner Arten ein binäres System aus den Namen für die Gattung und der Art und nahm damit ansatzweise die von Linné (1707–1778) aufgestellte und in der Wissenschaft heute anerkannte binominale Nomenklatur um fast 100 Jahre vorweg. Er stellte der Lehre des Aristoteles, die bis dahin seit etwa 1.500 Jahren das naturkundliche Denken in Europa bestimmt hatte, eine neue wissenschaftliche Methode gegenüber und leitete dadurch die Ablösung von der klassischen Auffassung ein.
John wurde am 29. November 1627 im Nordosten von London in der kaum 600 Einwohner zählenden Gemeinde Black Notley in der Grafschaft Essex als Sohn des Hufschmids Wray geboren. Nach dem Besuch der Schule im benachbarten Braintree konnte sich John Wray (erst später wechselt er zur Schreibweise »Ray«) im Jahr 1644 als 16-Jähriger an der berühmten Universität von Cambridge einschreiben. Ermöglicht wurde dies dem aus einfachen familiären Verhältnissen stammenden, hochbegabten John durch ein Stipendium der Hochschule. Zwei Jahre lang studierte er Theologie und Naturkunde in St. Catherine’s Hall und wechselte dann zum Trinity College. Neben dem regulären Studium, das er zügig durchzog, betrieb er im Kreise von Freunden anatomische und chemische Studien. Nach vier Jahren schloss er sein Studium mit dem Bachelor’s degree ab und wurde sofort zum Fellow at Trinity gewählt.
Die folgenden 13 Jahre arbeitete er fleißig, aber weitgehend unauffällig an der Hochschule. Er schrieb theologische Abhandlungen und beschäftigte sich mit den Pflanzen in der Region um Cambridge. Seine Erkenntnisse mündeten in ein Pflanzenverzeichnis der Umgebung, das 1860 erschien. Nun dehnte er seine botanischen Exkursionen auf weiter entfernt liegende Gebiete aus. Er lernte den Naturkundler Francis Willughby (1835–1672) aus Warwickshire kennen. Beide beschlossen, eine gemeinsame naturkundliche Fahrt nach Wales und Cornwall zu unternehmen. Auf dieser Reise fällt eine Entscheidung, die das zukünftige Leben des John Ray entscheidend bestimmte. Man nahm eine große Studie der Naturgeschichte in Angriff, in der Willughby den zoologischen und Ray den botanischen Teil übernehmen sollte.
Wieder zurück am Trinity wartete jedoch Ärger auf den jungen Wissenschaftler. Nach dem Tod von Oliver Cromwell, der England durch die Gefangennahme und Hinrichtung von König Karl I. zur Republik gemacht hatte, gelang die Restauration des Königtums. Karl II. wurde 1660 feierlich zum neuen König von England ausgerufen. Eigentlich keine Veränderung, mit der der den hinter den Klostermauern von Trinity lebende Ray nicht hätte leben können. Das änderte sich, als zwei Jahre später der Act of Uniformity erlassen wurde. Er verlangte, dass alle Riten und Zeremonien des 1662 veröffentlichten Book of Common Prayer anzuwenden seien. Für den strenggläubigen Puritaner Ray waren die anglikanischen Gebetbücher, die christlichen Kreuze, die priesterlichen Gewänder, die Bilderverehrung und die steinernen und reich geschmückten Altäre in den Kirchen nicht annehmbar. Ray weigerte sich, den durch den Act of Uniformity verlangten Eid zu leisten und verlor daraufhin sein Fellowship at Trinity. Vermögende Freunde unterstützten ihn von nun an und so konnte er seine naturkundlichen Studien vorantreiben.
Zunächst entfloh er der geistigen Enge Englands und reiste für die folgenden drei Jahre nach Kontinentaleuropa, um sich ganz dem Studium der Pflanzen zu widmen. Wieder zurück in England veröffentlichte er 1670 zunächst einen viel beachteten Katalog der englischen Pflanzen (Catalogus plantarum Angliae). Außerdem berichtete er auf gerade einmal drei Druckseiten über eine Säure bei Ameisen, die er Formic acid, Ameisensäure, nannte. In dieser Zeit änderte er auch die Schreibweise seines Namens.
Als sein Mitstreiter Francis Willughby am 3. Juli 1672 überraschend starb, übernahm Ray auch den zoologischen Teil des gemeinsam geplanten naturkundlichen Werkes. Obwohl er mindestens genauso viel zu dem Band beigetragen hatte, veröffentlichte er ihn allein unter dem Namen seines Freundes. The Ornithology of Francis Willughby erschien 1678 in Latein und zwei Jahre später auch in englischer Sprache.
Man habe alles weggelassen, was sonst bei anderen Autoren bezüglich Symbolik, Moral, Vorlieben, Vorahnungen, Ethik, Theologie und jeglicher Art menschlichen Lernens einbezogen worden sei, betonte Ray in der Vorrede. Es war tatsächlich ein erster gelungener Ansatz für eine wissenschaftliche Klassifikation der Vögel. Viele der von Ray aufgestellten Gruppen, wie zum Beispiel die Krähen, Hühnervögel, Spechte und Gänse, werden in modernen Biologiebüchern kaum anders zusammengefasst. Bemerkenswert und seiner Zeit weit voraus war weiterhin die Art und Weise der Benennung der in dem Buch aufgeführten Vogelarten. Neben einem englischen Trivialnamen erhielt nahezu jeder Vogel einen wissenschaftlichen Namen, bestehend aus den Namen für die Gattung und für die Art. Linné übernahm diese Namen weitgehend in seiner Systema naturae.
Bei der Bearbeitung der Pflanzen führte er Kreuzungsexperimente durch, um die verschiedenen Arten trotz ihres variablen Erscheinungsbildes sicher voneinander unterscheiden zu können. 1682 konnte er dann den botanischen Teil unter dem Titel Methodus Plantarum Nova der Öffentlichkeit präsentieren. Darin unterscheidet er erstmals zwischen einkeimblättrigen, die er monocotyledon nennt, und zweikeimblättrigen Pflanzen, die er als dicotyledon bezeichnet. Diese grundlegende Unterscheidung hat bis heute Bestand, so dass auch die Bezeichnungen Eingang in die moderne Biologie gefunden haben.
Drei Jahre später erschien der Fischband als History of Fish. Die Kosten wurden von der ehrwürdigen Royal Society of London getragen. Auch dieser Band brach mit einer traditionellen Sichtweise, in dem er die Fische als natürliche Gruppe erkannte und von anderen Wassertieren abgrenzte. Rays größtes Werk aber ist die Historia generalis plantarum. Sie erschien in drei gewaltigen Bänden zwischen 1686 und 1704. Gut 6.000 Arten werden benannt und unterschieden. Die darin gegebene Definition für die Art als natürliche Fortpflanzungsgemeinschaft klingt nicht nur modern, sie war für die damalige Zeit geradezu visionär.
Die großen und kleinen Wunder, die er entdeckte und beschrieb, die perfekten Anpassungen der Strukturen an ihre Funktion waren für ihn jedoch nicht das Ergebnis einer Evolution im darwinistischen Sinn, sie waren für den tiefgläubigen Puritaner vielmehr der schlagende Beweis für die Größe des Schöpfers. Dieser Erkenntnis widmete er 1691 ein umfangreiches Buch, das den eindeutigen Titel The Wisdom of God Manifested in the Works of Creation trägt. Seine letzten Lebensjahre gehörten vornehmlich dem Studium der Insekten. Auch hier führte sein klarer Verstand ihn auf die richtige Fährte. Er erkannte die grundsätzlich verschiedenen Entwicklungswege und unterschied zwischen Insekten mit vollendeter und mit unvollendeter Verwandlung. Der Tod riss ihn am 17. Januar 1705 aus seinem erkenntnisreichen Leben. Die Aufzeichnungen über seine Insektenstudien wurden posthum 1770 veröffentlicht.
John Ray überraschte mit seinen genauen Beobachtungen, seinen hervorragenden Beschreibungen und Zeichnungen, die ihn immer wieder zu den richtigen Schlussfolgerungen führten. Er kann mit Recht als Vater der wissenschaftlichen Biologie bezeichnet werden. Mit seinen Erkenntnissen hat er diese Wissenschaft einen gewaltigen Schritt nach vorne gebracht und die Grundlagen für herausragende spätere Entdeckungen gelegt. Vielleicht lebte er einfach nur ein Jahrhundert zu früh, um in einem Atemzug mit Linné und Darwin genannt zu werden.
Werke
Ray, J., 1654: Clavis philosophiæ naturalis, seu, Introductio ad naturæ contemplationem, Aristotelico-Cartesiana. Leiden, 219 S.
Ray, J., 1677: Catalogus plantarum Angliæ, et insularum adjacentium tum indigenas, tum in agris passim cultas complectens: In quo præter synonyma necessaria, facultates quoque summatim traduntur, unà cum observationibus & experimentis novis medicis & physics. London, 311 S.
Ray, J., 1682: Methodus Plantarum Nova, brevitatis et perspicuitatis causa synoptice in tabulis exhibita, cum notis generum tum subalternorum characteristicis, observationibus nonnullis de seminibus plantarum et indice copioso. London, 166 S.
Ray, J., 1686: Historia Plantarum, species hactenus editas aliasque insuper multas noviter inventas et descriptas complectens. In qua agitur primò de plantis in genere, earúmque partibus, accidentibus & differentiis; deinde genera omnia tum summa tum subalterna ad species usque infirmas, notis suis certis & characteristicis definita, methodo naturæ vestigiis insistente disponuntur. London, Bd. 1, 983 S.
Ray, J., 1688: Joannis Raii Historiæ plantarum tomus secundus: cum duplici indice; generali altero nominum & synonymorum præcipuorum; altero affectuum & remediorum: accessit nomenclator botanicus anglo-latinus. London, Bd. 2, 959 S.
Ray, J., 1691: The Wisdom of God Manifested in the Works of Creation. London, 316 S.
Ray, J., 1693: Synopsis Methodica Animalium Quadrupedum et Serpentini Generis. London, 336 S.
Ray, J., 1696: De variis plantarum methodis dissertatio brevis: In qua agitur I. De methodi origine & progressu. II. De notis generum characteristicis. III. De methodo sua in specie. IV. De notis quas reprobat & rejiciendas censet D. Tournefort. V. De methodo Tournefortiana. London, 48 S.
Ray, J., 1703: Methodus plantarum emendata et aucta in qua notae maxime characteristicae exhibentur. London, 452 S.
Ray, J., 1704: Historiæ plantarum tomus tertius: qui est supplementum duorum præcedentium: species omnes vel omissas, vel post volumina illa evulgata editas, præter innumeras fere novas & indictas ab amicis communicatas complectens: cum synonymis necessariis, et usibus in cibo, medicina, & méchanicis: addito ad opus consummandum generum indice copioso. London, Bd. 3, 983 S.
Ray, J., 1710: Historia Insectorum (Opus posthumus, ed. William Derham). London, 375 S.
Ray, J., 1713: Synopsis Methodica Avium et Piscium. Opus posthumus, ed. William Derham. London, 235 S.