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Marcello Malpighi
Оглавление(10.3.1628–29.11.1694)
Am Ende des 16. Jahrhunderts öffnete sich für die Naturkunde eine neue Tür. Es war ein Holländer, Zacharias Janssen, der um 1590 eine Sammellinse und eine Zerstreuungslinse zum ersten Mikroskop zusammensetzte. Die neue Technik verbreitete sich rasch in Europa, so dass Mikroskope bald auch in Italien gefertigt wurden. Die Bildqualität litt unter noch ungenau geschliffenen Linsen, die Vergrößerung erreichte kaum mehr als das 150-Fache. Vor allem aber war die Zeit wenig aufgeschlossen gegenüber neuen Erkenntnissen. Dies sollte Malpighi ebenso zu spüren bekommen wie sein Landsmann und Zeitgenosse, der Physiker und Astronom Galileo Galilei (1564–1642).
Seit seinem ersten Blick durch ein Mikroskop war Malpighi von den neuen Möglichkeiten fasziniert. Durch seinen Eifer, vor allem aber durch seine Vielseitigkeit und die sorgfältige Interpretation seiner Befunde gelangen ihm herausragende Entdeckungen. Einige der von ihm erstmals beschriebenen Strukturen in der Milz, in der Niere und in der Haut sowie das Exkretionsorgan der Insekten tragen heute seinen Namen. Außerdem kann er durch seine Untersuchungen als Begründer der Embryologie und zusammen mit Nehemia Grew (1641–1712) der Pflanzenanatomie gelten.
Marcello wurde am 10. März 1628 als erstes Kind der Familie Malpighi in Crevalcuore in der Nähe von Bologna geboren. Mit 17 Jahren begann er sein Studium an der ehrwürdigen Universität von Bologna, das er nach dem Tod seiner Eltern und seiner Großmutter für einige Jahre unterbrechen musste, um seine fünf jüngeren Geschwister zu versorgen. Daneben fand er die Zeit, an anatomischen Sektionen teilzunehmen, um die Methode der Heilkunst zu erlernen. Am 26. April 1653 wurde er zum Doktor der Medizin und der Philosophie promoviert. Er heiratete im darauffolgenden Jahr die jüngere Schwester seines Mentors an der medizinischen Fakultät, Francesca Massari. Noch ein weiteres Jahr musste er dann warten, bis der Senat der Stadt Bologna ihm, der weder selbst noch dessen Vater in Bologna geboren waren, durch prominente Fürsprache doch noch einen Lehrauftrag erteilte, aber Neid und Missgunst belasteten den jungen Arzt. Erleichtert nahm er daher bald das Angebot des toskanischen Großherzogs Ferdinand II. an und wurde Professor für Theoretische Medizin im wesentlich liberaleren Pisa. Hier fand er Aufnahme in die fortschrittliche Accademia del Cimento. Im Beisein des Großherzogs pflegten die Mitglieder der Akademie die Kunst physikalischer Experimente und Messungen. Hier begegnete er dem Mathematiker Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679), einem Verehrer der Lehren Galileis, der mit seinen Arbeiten großen Einfluss auf den deutlich jüngeren Malpighi haben würde. Vor allem aber erhielt er hier sein erstes Mikroskop und begann, leidenschaftlich zwar aber zunächst recht wahllos, zu mikroskopieren.
Im Frühsommer 1659 kehrte er notgedrungen in die geistige Enge Bolognas zurück, hielt Vorlesungen und beschäftigte sich mit dem Feinbau der Lunge. Als erste Entdeckung notierte er, dass die gesamte Lunge aus sehr kleinen, kugelförmigen Lungenbläschen aufgebaut sei. Anschließend verfolgte er den Weg des Blutes durch die Lunge und entdeckte mit seinem Mikroskop die feinen Haargefäße (Kapillaren), durch die das Blut von den Arterien in die Venen und zurück zum Herzen strömt. Damit war die Hypothese des Engländers William Harvey bewiesen, dass das Blut im Körper zirkuliere. Zudem konnte Malpighi detailliert darlegen, welchen Weg es dabei nimmt.
Im Oktober 1662 konnte er erneut seiner ungeliebten Stadt den Rücken kehren. Diesmal führte ihn der Weg nach Sizilien. Auf Vermittlung seines väterlichen Freundes Borelli wurde er vom Senat der Stadt Messina zum Professor für Praktische Medizin berufen. Es begann eine Zeit zahlreicher neuer Entdeckungen, die ihm mit Hilfe seines Mikroskops gelangen. Malpighi untersuchte den Feinbau der Haut, entdeckte die Geschmackspapillen auf der Zunge, beschrieb die Tastsinnesorgane an den Händen, Füßen und Lippen und konnte die in diesen Sinnesorganen endenden feinen Nervenfasern über das Rückenmark bis zum Gehirn zurückverfolgen. Bei einer Reihe von Tieren beschrieb er zudem die Lage und den Verlauf des Sehnervs vom Auge zum Gehirn. Dann wandte er sich wieder dem Blutkreislauf zu. Er entdeckte die roten Blutkörperchen und fand Wasser, Salze und eine eiweißartige Substanz als Bestandteile des farblosen Blutserums.
Vier Jahre später arbeitete er wieder in Bologna. Er beschrieb den Aufbau des Knochens, klärte die Herkunft der Gallenflüssigkeit als Sekret der Leber und befasste sich dann mit den Strukturen in der Niere, wo er die später nach ihm benannten Malpighi-Körperchen entdeckte.
Längst war man auch im Ausland auf seine bahnbrechenden Arbeiten am Mikroskop aufmerksam geworden. Man nahm ihn im Jahr 1668 als Ehrenmitglied in die berühmte wissenschaftliche Royal Society of London auf, eine besondere Ehre und wichtige Bestätigung für ihn. Zugleich wurde er gebeten, auch am Seidenspinner und an dessen Larvenstadium, der Seidenraupe, sowie an Pflanzen seine mikroskopischen Untersuchungen vorzunehmen. Neue Erkenntnisse lassen nicht lange auf sich warten: er beschreibt erstmals die Tracheen, die Luftröhren der Insekten, das Herz, die Ausscheidungsorgane, die als Malpighi’sche Gefäße in die Wissenschaft Eingang gefunden haben, und zahlreiche weitere Details über den Feinbau der Spinndrüsen, des Nervensystems und der Fortpflanzungsorgane dieser Schmetterlingsart.
Im Laufe seiner pflanzenanatomischen Studien beschrieb er anhand von Längs- und Querschnitten recht genau und umfassend den Aufbau eines Pflanzenstängels und begründete damit die Pflanzenanatomie.
Die Vielseitigkeit dieses Mannes zeigt sich darin, dass er sich einerseits mit so unterschiedlichen Organismen wie Säugetieren, Insekten und Pflanzen gleichermaßen erfolgreich beschäftigte, andererseits neben der sorgfältigen Beschreibung morphologischer Details auch deren Bedeutung und Funktionsweise durch physiologische Experimente meist absolut richtig erkannte. Sogar auf die Embryonalentwicklung lenkte er seinen forschenden Blick durch das Mikroskop. Er fand einen Weg, die Entwicklung des Hühnerembryos im Ei von Beginn an zu verfolgen. Die anfänglichen Zellstadien liegen in Form einer sogenannten Keimscheibe auf dem Dotter. Malpighi öffnete die Eischale, löste die Keimscheibe verschieden lang bebrüteter Eier vorsichtig heraus und konnte nun unter dem Mikroskop erkennen, wie sich allmählich die einzelnen Organe herausbildeten. Er beschrieb die Ausbildung von Herz und Kreislauf, die Entstehung der Augen und des Gehirns und entdeckte den embryonalen Harnsack, die Allantois.
Dieser von Malpighi skizzierte Verlauf der Hühnchenentwicklung war in seiner Zeit keinesfalls akzeptierte Lehrmeinung, das sollte erst drei Jahrhunderte später kommen. Er widersprach vielmehr der im 17. Jahrhundert gängigen Vorstellung, nach der die spätere Gestalt bereits im Samen des Mannes angelegt sei. Nicht einmal das Naheliegende geschah, nämlich mit eigenen Augen die Richtigkeit des Beschriebenen nachzuprüfen. Die Methode des Mikroskopierens wurde als Spielerei abgetan, jeder Nutzen für die Heilkunst verneint. So musste der seiner Zeit vorauseilende Malpighi immer wieder erfahren, dass die alten Dogmen hochgehalten wurden. Er wurde schikaniert, in Streitschriften und öffentlichen Diskussionen lächerlich gemacht und sogar des Diebstahls bezichtigt, weil er seine bezahlte Arbeitszeit auf solch sinnlose Beschäftigungen verwendete. Sogar davor, seine Manuskripte zu verbrennen und seine Mikroskope zu zerstören, schreckte man nicht zurück.
Malpighi, der als gütig, freundlich und bescheiden beschrieben wurde, versuchte sich zu verteidigen, zog sich aber schließlich verbittert zurück. Er wurde Leibarzt bei Papst Innozenz XII. und verbrachte seine letzten drei Lebensjahre in Rom. Sein Grab befindet sich in Bologna.
Werke
Malpighi, M., 1669: Dissertatio epistolica de Bombyce, societati regiae. London, 100 S.
Malpighi, M., 1675: Anatome Plantarum idea. London, 159 S.
Malpighi, M., 1687: Marcelli Malpighii Opera omnia: seu, Thesaurus locupletissimus botanico-medico-anatomicus, viginti quatuor tractatus complectens et in duos tomos distributus. London, 2 Bde., ca. 370 S.