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Die Mission

Calpe, Oktober 2013

Am nächsten Morgen sprach Behrens mit seinem Onkel über das gestrige Treffen mit Manouch und sein Vorhaben, nach Estepona zu fahren.

„Irgendwer muss doch dieser alten Dame helfen. Hast du eigentlich von dem Diebstahl gewusst?“, wollte Behrens von seinem Onkel wissen.

„Ich und halb Calpe haben es gewusst.“

„Und niemand war bereit, ihr zu helfen, auch du nicht? Was sind das nur für Freunde?“, empörte sich Behrens.

Nando nahm den offenen Vorwurf seines Neffen wahr und fühlte sich ungerecht behandelt.

„Wenn du das machen willst, dann mach es, doch verurteile niemals einen Menschen, wenn du nicht alle Details kennst! Dir steht es nicht zu, mich zu beurteilen. Ich bin Manouch nichts mehr schuldig!“

Sein Onkel hatte recht. Behrens merkte, dass er zu weit gegangen war. Doch bevor er sich entschuldigen konnte, hatte sich Nando von ihm abgewandt und das Haus verlassen. Behrens ließ sich das kurze Gespräch wieder und wieder durch den Kopf gehen, ohne die wahren Hintergründe für die gereizte Reaktion seines Onkels zu erkennen.

Es brauchte den ganzen Vormittag, bis er sich darüber klar wurde, dass es zur Wiederherstellung eines harmonischen Miteinanders eine zeitnahe Aussprache zwischen ihnen beiden geben musste. Womöglich würde er dann auch mehr über die Beziehung seines Onkels zu Manouch erfahren. Vielleicht sollte er sie zuerst dazu befragen, schließlich würde er sie heute noch sehen.

Da sie keine konkrete Uhrzeit ausgemacht hatten, konnte sich Behrens noch etwas von dem gestrigen Abend erholen und machte es sich auf dem Sofa bequem. Bei Beginn der Dämmerung verließ er das Haus und wenige Minuten später stand er vor Manouchs Tür. Lucia öffnete ihm wie gewohnt und ließ ihn herein. Er ging gleich zum Wohnzimmer durch, wo die Schweizer Lady bereits auf ihn wartete.

„Ich habe dich eigentlich schon etwas früher erwartet, aber vielleicht war die Cola im Rum nicht mehr gut“, zog Manouch ihren Gast auf.

Behrens ließ die kleine Neckerei über sich ergehen und lächelte sie an, bevor er zum Thema kam.

„Ich habe in der Garage ein Auto gesehen, können wir damit fahren oder müssen wir einen Mietwagen nehmen?“

„Der Wagen wurde seit dem Tod meines Mannes nicht mehr bewegt; wahrscheinlich sind die Zulassung und Versicherung schon abgelaufen. Das bekommen wir in der kurzen Zeit nicht mehr hin. Du kannst das Auto von Lucia haben. Ein fast neuer Seat“, sprach Manouch und übergab Behrens einen Zettel mit den Namen der Flüchtigen und deren Adresse.

„Sein Name ist Hans Joachim Pohl. Der ist sogar echt. Ich habe mir gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit seinen Ausweis zeigen lassen. Wie sie mit vollem Namen heißt, weiß ich nicht. Er hat sie immer Tina genannt. Also wird sie Christina oder so heißen“, fügte Manouch hinzu.

Während Manouch noch weitere Details über die Zeit mit dem Gaunerpärchen preisgab, telefonierte Lucia mit ihrem Sohn und beorderte ihn zum Haus. Fabio war ein vorzeigbarer junger Mann mit schulterlangen, schwarzen Haaren und braunen Augen. Er hatte eine einfache Schulbildung und sprach nur spanisch. Behrens und Fabio stellten sich gegenseitig mit wenigen Worten vor, die Manouch übersetzte. Nachdem sie ihren „Einsatzbefehl“ in Spanisch und Deutsch erhalten hatten, verabredeten sie, kommendes Wochenende zur Costa del Sol aufzubrechen, um den Schmuck zurückzuholen.

Die beiden Männer trafen sich am Samstagmorgen im Haus von Manouch und fuhren in Richtung Costa del Sol los. Sie vermieden die Autobahn, auch wegen der Gebühren, und nahmen die Landstraße. Behrens hatte sich mit Hilfe eines Routenplaners über die Wegstrecke nach Estepona informiert. Er erkannte, dass sie, wenn sie durchfuhren, voraussichtlich erst gegen Abend und im Dunkeln ankommen würden. Aus diesem Grund machten sie einen Zwischenstopp und übernachteten in Granada. Fabio hatte in der Schule von dieser geschichtsträchtigen Stadt gehört. Wie gern hätte er die Alhambra besichtigt oder wäre auf den Spuren der Mauren gewandelt. Er bedauerte es sehr, dass dafür keine Zeit blieb. Als kleiner Trost diente ein Vier-Sterne-Luxushotel, in welches sich Behrens mit seinem jungen Begleiter einbuchte. „Wenn schon im Dienste der Gerechtigkeit so weit von zu Hause weg, dann darf es auch ein wenig mehr Komfort sein“, rechtfertigte er für sich und Fabio die Übernachtung in der Nobelherberge. Obwohl ihnen ein Kingsize-Doppelbett zur Verfügung stand, war es Fabios ausdrücklicher Wunsch, auf der ausziehbaren Couch zu schlafen.

Als sie am nächsten Morgen gegen halb 7 den beeindruckenden Frühstückssaal betraten, waren sie fast die einzigen Gäste und von einem Dutzend Servicemitarbeitern umgeben. Sie konnten sich nicht sattsehen. Keinem von beiden war bisher eine solch exquisite Auswahl an Speisen angeboten worden. Ihre Kommunikation untereinander war spärlich. Dabei bediente sich Behrens seiner wenigen Spanischvokabeln und Gestik zur Verständigung. In diesem Moment brauchte es keiner weiteren Worte, waren sie sich doch einig darüber, dass alleine schon wegen des Frühstücksbuffets die Reise sich gelohnt hatte.

Mit Hilfe des Navigationsgerätes erreichten sie gegen Mittag die gesuchte Adresse, Avenida del Mar 159 in Estepona. Es war ein freistehendes Haus mit einer großen, geöffneten Toreinfahrt. Behrens zögerte nicht und parkte den Wagen direkt vor der Eingangstür. Er stieg aus und klingelte; Fabio blieb im Wagen. Eine junge Frau in einem luftigen Strandkleid öffnete.

„Buenos dias, mein Name ist Florian Behrens. Sind Sie Tina?“, fragte Behrens mit strengem Blick.

„Nein, bin ich nicht. Tina ist unter der Dusche. Worum geht es denn?“, antwortete die junge Frau unsicher.

„Was ist mit Hans Joachim Pohl, ist der auch unter der Dusche? Sagen sie beiden, dass ich aus Calpe im Auftrag von Manouch komme.“ Behrens’ Stimme wirkte bestimmend und entschlossen.

Die junge Frau blickte in den Wagen, sah Fabio, wandte sich ab und ging zurück ins Haus.

Es dauerte weniger als zwei Minuten, dann kam sie wieder und bat Behrens, ihr auf die Terrasse zu folgen, was er auch tat.

„Mein Name ist übrigens Monika. Sind Sie ein Freund von den beiden?“, versuchte Monika, einen Smalltalk zu beginnen. Behrens antwortete nicht. Er war damit beschäftigt, seine Anspannung zu halten und sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.

Hans Joachim Pohl saß, unter einem Sonnenschirm, noch am Frühstückstisch und bevor Behrens etwas sagen konnte, wurde er zuckersüß von ihm begrüßt.

„Ich höre, Sie kommen von weit her. Dürfen wir Ihnen etwas anbieten, es ist noch alles da. Vielleicht einen Kaffee oder ein Glas Sekt? Bitte nehmen Sie doch Platz. Worum geht es eigentlich?“

Behrens blieb stehen und förmlich.

„Sie sind also Hans Joachim Pohl, der Nachname Ihrer weiblichen Begleitung Tina ist uns leider nicht bekannt. Was wir aber wissen, ist, dass Sie Ihre Arbeitgeberin Manouch bestohlenhaben.“

„Wer sagt das?“, wehrte sich Pohl gleich dagegen. „Sie kommen hier einfach her und behaupten so etwas Ungeheuerliches. Wo sind Ihre Beweise? Und wer sind Sie überhaupt?“

„Mein Name ist Florian Behrens. Ich bin von Manouch beauftragt und autorisiert, den gestohlenen Schmuck zurückzuholen.“ Behrens war souverän und strahlte Autorität aus, als wäre sie ihm angeboren.

„Da kann ja jeder kommen.“, regte sich Pohl auf. „Woher wissen wir, dass das stimmt, was Sie sagen? Was aber nicht heißen soll, dass wir zugeben, irgendwelchen Schmuck gestohlen zu haben.“

„Das haben wir vorausgesehen. Manouch hat einen entsprechenden Brief an Sie geschrieben, den ich Ihnen gerne vorlese:

Hans Joachim und Tina, ihr zwei habt mein Vertrauen missbraucht und mich bestohlen. Ihr habt verdient, dass ich euch bei der Polizei anzeige und ihr in eine dreckige, spanische Zelle gesteckt werdet.

Nur weil es auch gute Momente zwischen uns gab, gebe ich euch die Chance, alle Stücke wieder zurückzugeben und noch einmal unbeschadet aus der Sache herauszukommen.

Händigt Herrn Behrens den Schmuck aus, und ich lass die Sache auf sich beruhen! Für den Fall, dass ihr euch weigert, wird euch jetzt Herr Behrens die weitere Vorgehensweise schildern. Auf Nimmerwiedersehen, Manouch.“

„Na los, Herr Behrens, dann erzählen Sie uns doch mal, was passiert, wenn wir nicht machen, was die Alte will“, forderte Pohl mit leicht überheblichem Tonfall.

„Im Wagen sitzt ein enger Freund von Manouch, ein Angehöriger der Guardia civil. Sofern Sie sich weigern, wird er seine Kollegen alarmieren und in wenigen Minuten wird hier alles auf den Kopf gestellt. Ich nehme einmal an, dass sich der Schmuck noch hier im Haus befindet, tut er doch, oder?“, erklärte Behrens und genoss die momentane Situation, in der er sich so überlegen fühlte wie selten zuvor.

Pohl nahm das kommentarlos auf, verließ die Terrasse und ging ins Bad zu Tina, um sie über den ungebetenen Besuch zu informieren. In Windeseile hatten sie ihre Entscheidung getroffen.

Die beiden Diebe hatten von der kompromisslosen spanischen Polizei und der strengen Justiz gehört. Sie erkannten ihre aussichtslose Lage und beschlossen, die Schmuckstücke zurückzugeben. Pohl legte sie auf den Wohnzimmertisch und versicherte, dass es sich dabei um alle Teile handeln würde.

Behrens holte eine Schatulle aus dem Auto und legte den Schmuck hinein.

Beim Verlassen des Hauses stellte sich Pohl noch kurz vor Behrens in den Türrahmen, um ihm noch ein paar Worte mit auf den Weg zu geben.

„Auf eine Quittung, dass wir Ihnen das Zeug gegeben haben, können wir verzichten. Wir werden uns zu gegebener Zeit bei Manouch persönlich vergewissern, dass alles gut angekommen ist.“ Dabei zeigte Pohl ein breites Grinsen im Gesicht.

Behrens wollte diesen Worten keine größere Bedeutung zukommen lassen. Zu mächtig war sein Stolz auf die gelungene Aktion. Er stieg in den Wagen, gab Fabio strahlend die Hand und fuhrlos.

Die Rückfahrt, diesmal ohne Zwischenübernachtung, würde sechs bis sieben Stunden dauern. Behrens war so voller Energie und Glücksgefühle, dass es ihm nichts ausgemacht hätte, noch bis Barcelona weiterzufahren. Fabio telefonierte mit seiner Mutter und berichtete ihr von der erfolgreichen Aktion. Dabei bezeichnete er Behrens als echt coolen Typen.

Es war schon dunkel, als die beiden Männer am Haus von Manouch ankamen. Die ganze Familie von Fabio war versammelt. Selbst Nando ließ es sich nicht nehmen, die „tapferen Helden“ zu begrüßen und sein Lokal für diese Zeit zu schließen. Mit viel Wein und Brandy wurden die beiden bis tief in die Nacht gefeiert.

Am nächsten Morgen setzte sich Nando zu Behrens an den Frühstückstisch.

„Morgen, Florian, ich muss mit dir sprechen. Deine Mutter hat schon einige Male bei mir angerufen, sie vermisst dich! Gestern schien es mir besonders schlimm. Sie bekommt zwar ab und zu einen Anruf von einem ehemaligen Freund deines Vaters, Kowalski oder so, der bietet ihr immer wieder seine Hilfe an oder fragt, ob er sie besuchen darf, doch fühlt sie sich einfach einsam ohne dich.“

Behrens war sichtlich betroffen.

„Das überrascht mich. Wir telefonieren mindestens zwei Mal in der Woche und sie hat nie etwas darüber gesagt.“

„Ich soll dir auf keinen Fall etwas davon erzählen. Tu ich aber doch, denn sie ist meine kleine Schwester und ich habe sie genauso lieb, wie du sie hast.“

„Dann ist es Zeit, wieder nach Hause zu fahren. Der Mann heißt übrigens Kollakowski und war tatsächlich ein Freund von Papa“, klärte Behrens auf.

„Vielleicht wohnst du sogar ein paar Tage bei deiner Mutter. Platz ist sicher genug und eigentlich bist du ja auch dort nie so richtig ausgezogen“, schmunzelte Nando vor sich hin und zog sich dafür einen kurzen, bösen Blick von Behrens zu.

Danach rief Behrens seine Mutter an, um ihr mitzuteilen, dass seine Aufgabe hier erledigt sei und er in den nächsten Tagen nach Hause kommen würde. Er wollte nur noch zu Manouch, um sich ordentlich zu verabschieden. Sie gab ihm die versprochene Belohnung: einen Damenring, besetzt mit einem roten Rubin und Smaragden. Den Wert des Ringes bezifferte sie auf über 3.000 Euro.

Behrens bedankte sich für das großzügige Geschenk und versprach, bald wiederzukommen.

Die letzte gute Tat

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